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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Sievers, J.: Die Eröffnung der kgl. Nationalgalerie zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0074

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von if. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVIII. Jahrgang 1906/1907 Nr. 9. 21. Dezember

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

DIE ERÖFFNUNG
DER KGL. NATIONALOALERIE ZU BERLIN

Die Kgl. Nationalgalerie ist seit einigen Tagen wie-
der zugänglich. Die Jahrhundertausstellung eingerechnet
waren ihre Schätze ein volles Jahr unsichtbar gewesen.

Wie man hoffen und erwarten durfte, bietet die
Sammlung jetzt ein wesentlich anderes Bild wie vor
der Jahrhundertausstellung. Durch Ankäufe ebenso
wie durch eine gründliche Sichtung der Bestände
haben sich, in Verbindung mit einer durchgreifenden
Neuaufstellung, tiefgehende Änderungen vollzogen.

Schwer genug mag die getane Arbeit gewesen
sein; das wird jeder zu würdigen wissen, der den
so außerordentlich ungleichwertigen Besitz der Galerie
wie die ungünstigen Sammlungsräume dieses Hauses
kennt.

Die freundlichen Blumenkästen auf den Wangen
der Eingangstreppe sind verschwunden, die alte Kühle
und Nüchternheit ist wieder eingezogen. Beim Eintritt
durch die Mitteltür fällt der Blick auf die in einer
Nische stehende Gruppe von Begas, Merkur und
Psyche; zu beiden Seiten Rauchsche Büsten. Das
schon früher bekundete Streben, in die farbig so
unharmonischen Skulpturensäle durch geschickte Ver-
teilung von Gemälden koloristische Ruhepunkte zu
bringen, ist mit Erfolg beibehalten worden. In der
rechten Hälfte der räumlich völlig zerrissenen Ein-
gangshalle stehen in sorgfältig abgewogenen Ent-
fernungen Werke wie Maisons römischer Augur und
Taschners Parsifal. Kalides »Bacchantin auf dem
Panther« in der Mitte des Raumes möchte man gern
an einem weniger günstigen Platz sehen. An der
entsprechenden Stelle der linken Seite sind auf einem
großen, architektonisch gegliederten Postament die
kleineren Bronzebildwerke in geschmackvoller Auf-
stellung vereinigt. Neben Stücken, die wie Lederers
Kentaurenschale oder Blaesers Statuette des Malers.
Lessing, zu dem älteren Besitzstand gehören, über-
raschen verschiedene Neuerwerbungen: Zwei prächtige
Pelikane von Gaul, andere nicht weniger vortreffliche
Tierbronzen von Wilhelm Zügel-München und Lippelts
Figürchen des Malers Brandt, ein Neuguß nach dem
Gipsmodell der Jahrhundertausstellung. Auf etwas
niedrigeren Postamenten, welche den Schmalseiten
dieses Kollektivsockels organisch angegliedert sind,
haben zwei Bildwerke ihren Platz gefunden, die ihrer

Natur nach die Anlehnung an eine Architektur ge-
radezu verlangen: Leopold Raus tiefsinnige Gruppen
der »gebenden und versagenden Natur« und des
»Jünglings bei der Sphinx lagernd«. In den Fenster-
nischen die Bronzebüsten Böcklins sowie des Generals
von Bayer von Adolf Hildebrand, an den Wänden
ringsum unter anderem Klimschs Tänzerin, Pöppel-
manns graziöser Reigen und neu hinzugekommen
Rauchs ebenso kleine wie monumentale Goethestatuette
von 1828, auf dem mit Masken verzierten Sockel
(Neuguß nach dem Original im Schlosse zu Babelsberg).

Dem auf der linken Seite anschließenden Skulp-
turensaal, der während der Jahrhundertausstellung für
Gemälde, speziell für die Kollektionen von Feuerbach
und Marees eingerichtet war, mußte natürlich leider
seine alte Pracht zurückgegeben werden. Die einzige
mögliche Verbesserung hat man nicht versäumt: näm-
lich so viel wie angängig von den schwächeren Skulp-
turen zu entfernen. Die übrig gebliebenen, die früher
eng und regellos durcheinander standen, sind nach
Möglichkeit an die Wände und Säulen herangerückt.
Die Fensternischen kommen Werken wie Hildebrands
jugendlichem Mann zugute, aber auch andere der
besten Stücke, so desselben Künstlers Pettenkofer-
und Heysebüste, oder Rümanns sitzendes Mädchen,
sind günstig aufgestellt. Auch in diesem farbig so
unerquicklichen Raum sind einige Gemälde mit großem
Vorteil zur Belebung des Gesamteindruckes verwandt:
Kalckreuths ruhig schönes Parkbild (Schloß Klein-
Oels) und Vinnens sonst ausreichend langweiliger
»Abend«. — Im Gegensatz zu den genannten Bildern
scheint mir aber Feuerbachs Konzert durch die zu
grelle Beleuchtung wie durch die Umgebung von
seinem Stimmungszauber eingebüßt zu haben.

Mehrere der älteren, gar süßlichen Gruppen mit
ihren unruhigen Konturen vertragen recht gut den
Schatten des unglücklichen Raumes, um den sich am
Ende des Erdgeschosses fächerförmig die Kabinette
legen. Gelbe Samtvorhänge, die nur einen türgroßen
Ausschnitt haben, schließen diese Cabinette vorteilhaft
ab und erwecken wenigstens in etwas den Eindruck
intimer Räumlichkeiten. Das erste Zimmer birgt außer
älteren Werken (wie Leistikows Grunewaldsee) auch
Friedrich Stahls »Improvisator«, einen jungen florentini-
schen Edelmann inmitten eines Kranzes schöner Damen;
ein Bild, das auf der diesjährigen großen Berliner
Kunstausstellung durch seinen in jenen Hallen unge-
 
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