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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Wustmann, G.: Die Schongauer in Leipzig
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0173

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327

Nekrologe — Personalien

— Wettbewerbe — Funde

328

Kolmar gekommen und dort von den Brüdern Martin
Schongauers, den Goldschmieden Kaspar und Paul
und dem Maler Ludwig, dann auch in Basel von dem
vierten Bruder, dem Goldschmied Georg gütig auf-
genommen und freundlich gehalten worden, Meister
Martin aber habe er nicht gesehen, obwohl er gerade
den zu sehen das heftigste Verlangen getragen habe.
(Martin war schon tot.) Nun sehen wir, daß Paul,
ehe er nach Basel ging, schon in Leipzig einmal sein
Glück versucht hatte! Der Mann, der sich hier für
ihn verbürgt, war der Ratsherr Hans Craß, der auf
der Petersstraße ein Haus besaß.

Wann und warum Paul Leipzig wieder verlassen
hat, erfahren wir nicht. Da er das Bürgerrecht er-
warb, so muß er doch die Absicht gehabt haben, sich
mit der Zeit in Leipzig als Meister ansässig zu machen.
Ein Ratsbeschluß von 1469 bestimmte, daß niemand
als Bürger aufgenommen werden sollte, »er sage denn
dem Rate gläublich und mit wahren Worten zu, daß
er sich in Jahr und Tage niedersetzen, behausen und
behofen wolle, auf daß er ein hausbesessener Bürger
werde«. Die Innungsordnung der Goldschmiede aber
— die älteste Fassung, in der sie vorliegt, ist die Er-
neuerung von 1493 — schrieb vor, es solle »kein
Geselle Werkstatt oder offenen Laden halten, er habe
denn vorhin zwei Jahre allhier bei einem Meister
gedienet und gearbeitet«. Wahrscheinlich gelang es
ihm nicht, diese beiden Forderungen gleichzeitig zu
erfüllen, doch läßt sich nichts bestimmtes darüber
sagen. Von dem Leipziger Schöffenbuch, worin alle
Hauskäufe aufgezeichnet sind, umfaßt der älteste Band,
der sich erhalten hat, die Jahre 1422 bis 1478 und
reicht bis zum 9. März 1478, also genau bis acht
Wochen vor dem Bürgerwerden Schongauers! Der
nächste Band, der wahrscheinlich bis 1502 reichte,
ist vernichtet. In dem schon erwähnten Türkensteuer-
buche von 1481 findet sich Schongauers Name weder
unter den Hausbesitzern, noch unter den Hausgenossen
(inquilini) und dem Gesinde. Trotzdem könnte er
1481 noch in Leipzig gewesen sein, denn die Haus-
genossen und das Gesinde werden zum großen Teil
ohne Namen aufgeführt. Wenn z. B. der Goldschmied
Heinrich Weichtberg auf der Reichsstraße für sich
8 Groschen (Vermögenssteuer), für einen ungenannten
Gesellen aber — 9 Groschen (Einkommensteuer) und
für zwei Lehrlinge je 1 Groschen zahlt, so könnte
der Geselle recht gut Paul Schongauer gewesen sein.
Doch ist es wohl zwecklos, sich hierüber weiter in
Vermutungen zu ergehen.

Leipzig. O. WUSTMANN.

NEKROLOGE

Aus München kommt die Trauernachricht, daß Karl
Gussow, erst 64 Jahre alt, verschieden ist. Der Künstler
stammt aus Havelberg bei Berlin. Seinen ersten Wirkungs-
kreis fand er als Professor an der Weimarer Kunstschule.
Dann war er kurze Zeit in Karlsruhe tätig, und von 1876
ab wirkte er an der Berliner Künstakademie. Unter den
vielen Schülern, die er gebildet hat, ist Max Klinger wohl
der berühmteste; Klinger hat dem dankbar Verehrten auch
den Radierungszyklus »Dramen« gewidmet. — Was die

eigenen Schöpfungen Karl Gussows anlangt, so war die
Genremalerei sein Feld (die »Dorfparzen«); daneben fand
er viel Anerkennung als Porträtist. Er war seinerzeit ein
höchst beliebter Berliner Porträtmaler und manches einst
berühmte Stück kam auf den retrospektiven Ausstellungen
der letzten Jahre wieder in angenehme Erinnerung. Seit
einer ganzen Reihe von Jahren lebte und lehrte der
Künstler in München. Gussow war auch Mitglied der
Berliner Akademie.

Julius Mante, Bildnis- und Genremaler in Berlin, ist,
fast 66 Jahre alt, gestorben.

Der treffliche Kupferstecher Wilhelm Rohr (geboren
1848 zu Leipzig), hauptsächlich geschätzt wegen seiner
Porträtradierungen nach berühmten Männern, ist in München
gestorben.

Am 14. Februar entschlief in Dillenburg der Maler
Adolf Seel, einer der Senioren der rheinischen Künstler-
Generation (geboren am 1. März 1829 in Wiesbaden). Der
heute fast Vergessene exzellierte einst mit Architektur-
gemälden, deren Motive er sowohl aus seiner deutschen
Heimat, wie aus dem viel von ihm besuchten Orient
schöpfte. So hat von ihm die Berliner Nationalgalerie
einen »Arabischen Hof in Kairo«, die Düsseldorfer Galerie
»das Innere eines Harems«, die Wiesbadener den »Kreuz-
gang im Halberstädter Dom«. Adolf Seel war eine un-
gemein vornehme Natur, die sich in dem rheinischen
Künstlerkreis der sechziger Jahre einer besonderen Beliebt-
heit erfreute.

Am 22. März starb in München der Bildhauer Chri-
stoph Roth, in gleicher Weise bekannt geworden wie
Fritz Schider (dessen Tod wir in voriger Nummer meldeten),
durch die Herausgabe eines anatomischen Atlas für Künstler.

PERSONALIEN

An die Stelle des verstorbenen W. von Diez ist Angelo
Jank zum Professor an der Münchener Kunstakademie
berufen worden. Es ist erfreulich, auf einen akademischen
Posten einen so unakademischen Maler gestellt zu sehen.
Unter den Arbeiten Janks, die man in der letzten Zeit
sah, erregten mehrmals die effektvollen Darstellungen des
roten Feldes einer Parforcejagd Beachtung. Ein Haupt-
exemplar dieses Bildes ist in die neue Pinakothek über-
gegangen, ein anderes wunderschönes in die Galerie
Thomas Knorr.

Professor Hermann Prell ist zum Ehrenmitglied der
Dresdener Kunstgenossenschaft ernannt worden, was ihm
in Form eines von Max Pietschmann radierten Widmungs-
blattes mitgeteilt wurde.

Dr. Otto Weigmann ist als Konservator an der
kgl. graphischen Sammlung in München angestellt worden.

Von der Direktion des bayerischen Nationalmuseums
ist Dr. Hugo Graf zurückgetreten und seine Stellung wird
vorläufig von Dr. G. Hager verwaltet.

WETTBEWERBE

Der Bildhauer Edmund Möller aus Neustadt, der-
zeit Atelierschüler des Professor Diez, erhielt von der
Dresdener Kunstakademie das Torniamentische Reise-
stipendium in Höhe von 2200 Mark.

FUNDE

Aus Arezzo berichtet man, daß im Hof des Klosters
von S. Maria delle Grazie, außerhalb der Stadt, ein Fresken-
zyklus entdeckt worden ist, welcher dem Piero della Fran-
cesca zugeschrieben wird. Vasari spricht im Leben Pieros
nicht von einem Zyklus, den er in dem Klosterhof gemalt
 
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