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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Koegler, Hans: Eine zeitgenössische Notiz über Dürer
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0205

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Nekrologe — Personalien

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malung des fertigen Bildwerkes logisch allzusehr ab-
gekürzt in die zwei Worte »lineamenta« und das
relativisch anschließende »quae« zusammengedrängt.
Herr Professor Daniel Burckhardt legte mir nahe,
eher an Holzschneider zu denken, denen Dürer
flüchtig auf Papier entworfene Skizzen zur Umzeich-
nung auf die Holzstöcke übergab, welche Stöcke
er hernach mit feinem Pinsel vorsichtig retuschierte,
ehe die Tätigkeit des Messers begann. Eine dritte,
allerdings von der hergebrachten Vorstellung am
weitesten abweichende, aber deshalb erst recht in
Betracht zu ziehende Möglichkeit wäre die, sculptor
mit Kupferstecher und penicillum mit Schaber zu
übersetzen, denn penicillus heißt auch Bürste, in der
Chirurgie sogar Meißel, überhaupt jedes Gerät, das
man gebraucht, um etwas sowohl anzustreichen als
auch abzureiben, zu reinigen, zu polieren. Es ist
auch Nachdruck darauf zu legen, daß pinceau = peni-
cillum2) noch heute für eine Art Bürste in der Gra-
vierkunst gebraucht wird. Der penicillus könnte
daher ganz wohl mit dem Schaber (siehe Lippmann,
Der Kupferstich, Berlin 1896, Seite 6) identisch sein,
womit man den vom Grabstichel hervorgebrachten
Grat entfernt, bezw. zu besonderen Feinheiten stellen-
weise auch stehen läßt, und womit man Fehlstriche
oder ganze Stellen der Platte ausholt. Die Stelle
würde so betrachtet sagen, daß Dürer die Platte mit
der Schneidenadel bearbeitete, die Stichelarbeit Ge-
hilfen überließ, und die Korrekturen mit dem Schaber
aber peinlich genau selbst ausführte. Vereinigung
von Nadel- und Stichelarbeit ist für bestimmte Perioden
Dürers schon oft vermutet worden (Springer, Dürer,
Seite 76), diese Stelle könnte natürlich auch nur auf
bestimmte Perioden von Dürers Schaffen und nicht

1) lenocinium = Putz, Prunk; vultus = Bild, Gemälde;
n(ioTmos~ Vorbild, Muster; ro txrxmov = der erste rohe Ent-
wurf, etwas nicht Ausgearbeitetes; aQ%etwtov = Urbild;
lineamenta = Umrisse, Grundlinien; lineamenta praescribere
(Plin. 35, 10 [36]) = vorzeichnen. — Für penicillus und
sculptor greife ich auf Wörterbücher des 16. Jahrhunderts,
im Dictionarium Latinogermanicum Jo. Frisio interprete,
Zürich 1568 heißt es z. B.: Penicillus significat ea, quibus
calceamenta vasaque terguntur. Ein wüschlumpen oder
keerbiirst domit man etwas außwüscht oder ausrybt . . .

— Penicillus ein Pensei damit man malet. — Peniculum
sive penicillum Ein Meißel den man in die wunden stoßt.

— Sculpo graben, schneyden, schnätzlen, ein Bildnuß
machen in steinwerk oder sunst. — Sculptor Graber oder
schnätzler, Bildhauer — opus sculptile ein geschnätzlet oder
gegraben werck. — Im Dictionarium latinum Ambrosii
Calepini, Ausgabe Lyon 1581, sind für penicillus alle obigen
Bedeutungen auch angeführt, dazu heißt es noch: »omne
praeterea quo ad aliquid mundandum, detergendum, illinen-
dumve utimur, penicillum vocamus« (mundo — detergo,
purifico, purgo — mundus, a, um = quod est purum, ter-
sum, politumque — polio = palieren, glaetten, außbutzen).

— Sculptor = Tailleur, graveur, ein Bildschnitzler, bildhauer,
der etwas gräbt oder aussticht.

2) Pierre Larousse, Grand Dictionnaire universel du
XIX. siecle: pinceau = lat. penicillum Pinsel usw., tech-
nisch: brosse de graveur. — Sachs-Villate: pinceau -
penicillum, Pinsel usw., »in der Gravierkunst eine Art
Bürste«.

allgemein auf seine Gewohnheiten beim Kupferstechen
bezogen werden.

Die Entscheidung, was eigentlich gemeint sei, über-
lasse ich der speziellen Dürerforschung und gebe hier
die Stelle des Venatorius in der möglichen Über-
setzung: Da fällt mir Albrecht Dürer ein, mein Mit-
bürger, wohl der erste unter den Malern seiner Zeit,
welcher, wenn er Vorlagen (Vorbilder) oder Entwürfe
(unfertige Entwürfe) schuf, andere noch so kundige
Leute stets voll befriedigte, sich dennoch selbst, was
immer er auch versuchte, niemals genug tat, indem
er es mit der Herrlichkeit des von ihm vorher in
seinem Geist gefaßten Urbildes verglich. Ich, der ich
dies hier schreibe, habe ihn im Verein mit vielen
anderen ehrenwerten und gelehrten Leuten so sich
äußern gehört. Ich habe den Dürer selbst gesehen,
wie er den (Kupferstechern, Holzschneidern, Bildhauern)
Umrisse vorzeichnete (Vorzeichnungen machte), was
er hernach mit dem (Pinsel, Schaber) ausgerüstet
höchst genau (eigensinnig, unbeugsam) überging.
Nicht selten ist also das, was wir im Geist schauen,
größer, als daß man's mit der sterblichen Hand den
Menschen gleich würdig vor Augen bringen könnte.
Und so fort. HANS KOEOLER.

NEKROLOGE

Dr. Eduard Paulus, Oberstudienrat, Professor und
Württembergischer Landeskonservator, ist am 16. April in
Stuttgart gestorben. Ebendort war er am 16. Oktober 1837
geboren, widmete sich dem Studium der Kunst und Alter-
tumswissenschaft und verwertete diese Kenntnisse früh-
zeitig im württembergischen Staatsdienste, dem er bis
1899 angehörte. Die Kunstdenkmäler Württembergs hat
er mehrfach auch literarisch bearbeitet. '

Am 23. April starb in Kiel der Maler Adolf Lohse,
geboren am 31. Juli 1829 zu Hamburg. Er war jahrzehnte-
lang als Zeichenlehrer an der Kieler Stadtschule angestellt
und hat sich daneben als Schilderer der landschaftlichen
Reize der Kieler Gegend in seiner engeren Heimat einen
guten Namen erworben.

Der Weimarer Maler Professor Schulz ist durch ein
Automobil getötet worden.

Im Alter von 88 Jahren starb in London der Senior
der englischen Maler, James Hook. Er war früher als
Historien-, Landschafts- und Marinemaler in seinem Vater-
lande in hoher Schätzung.

PERSONALIEN

An Stelle Anton von Werners ist der Maler Rudolf
Schulte im Hof zum ersten Vorsitzenden des Vereins
Berliner Künstler gewählt worden. Übrigens wollen Ein-
geweihte wissen, daß Werners Rücktritt nicht ganz so frei-
willig erfolgt ist, wie offiziell verbreitet wurde.

Mit allgemeiner Freude ist es begrüßt worden, daß
Walter Leistikow in Berlin zum Professor ernannt
worden ist.

Der Münchener Künstler Willy von Beckerath ist
als Professor an die als Kunsthochschule neuorganisierte
kunstgewerbliche Lehranstalt (Gewerbemuseum) in Bremen
berufen worden.

Der Großherzog von Weimar hat Max Klinger aus
Anlaß seines 50. Geburtstages die goldene Medaille für
Kunst und Wissenschaft verliehen.

Der Verein Berliner Künstler hat seinen früheren Vor-
 
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