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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Gronau, Georg: Die Ausstellung alter Kunst in Perugia
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0234

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVIII. Jahrgang 1906/1907 Nr. 28. 7. Juni.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

Die nächste Nummer der Kunstchronik, Nr. 29, erscheint am 28. Juni

DIE AUSSTELLUNG ALTER KUNST IN PERUGIA

Wer jetzt die hallenden Säle des Stadtpalastes der
prächtigen umbrischen Hauptstadt durchwandert, dem
drängt sich unwillkürlich der Vergleich mit jener
Schaustellung alter Kunst auf, die vor zwei Jahren in
Siena stattfand. Auch hier zieht, wie damals dort,
das rege Kunstleben der Vergangenheit in all dem
Reichtum der Möglichkeiten und Formen an dem
Auge vorüber; in Vitrinen blinkt das alte Gold der
Reliquienbehälter, an den Wänden schimmern kost-
bare Stoffe, und der Werdegang einer Malerschule
verdeutlicht sich in den Hauptvertretern, regt zu
neuer Fragestellung und zu Überprüfung unserer
Kenntnisse an.

Ein solches Vergleichen wird im allgemeinen nicht
zugunsten der jetzigen Ausstellung ausfallen. An
Zahl, an äußerem Glanz, an großen Prachtstücken
kann Perugia sich mit Siena nicht messen; wie auch
eine gewisse Einförmigkeit, ein zu gleiches Festhalten
einer Stimmung (ganz allgemein gesprochen) diese
Malerei in all ihren Perioden charakterisiert — gegen-
über dem reichen Bilde, das die andere Provinz des
mittleren Italiens zu bieten hat.

Dafür darf man dieser umbrischen Ausstellung
nachrühmen, daß sie besser vorbereitet erscheint, als
ihre Vorgängerin, als ob ein fester Plan das Wesent-
liche ausgewählt, das Ausgewählte sich zu sichern
verstanden habe, klug bedenkend, was die städtische
Sammlung längst zu eigen besitzt, und wessen sie
zur Ergänzung und Bereicherung des Gesamtbildes
bedurfte. So wird denn dem Forscher ganz gewiß
eine seltene Gelegenheit geboten, Verstreutes bei-
sammen zu sehen und zu überschauen; abgesehen
von dem besseren Licht und manchen äußerlich
günstigen Bedingungen.

Ich will im folgenden nicht sowohl einen kritischen
Kommentar bieten, als kurz auf das hinweisen, was
man in Perugia findet.

Einige Gemälde charakterisieren das 13. und 14.
Jahrhundert: darunter ein schon räumlich bedeutendes
Triptychon, die Madonna als Mittelstück und zahl-
reiche kleine Passionsszenen auf den Flügeln, wohl
noch aus dem Duecento (Besitzer: Möns. Nazzareno
Muzzolini in Perugia). Sehr altertümlich und roh
zwei große Freskenfragmente, dem Bocco da Fabriano
zugeschrieben (beide aus der Pinakothek von Fabriano).

Trefflich repräsentiert ist die Lokalschule von
Fabriano.1) Eine ganze Serie von Bildern von Alegretto
Nuzi oder ihm eng verwandt. Im Saal III, Nr. 3
drei Heilige in ganzer Figur, darunter ein schöner
Stephanus in weißem, -golddurchwirktem Gewand,
Nr. 4/5 zwei Tafeln nfft , je zwei Heiligen (Fabriano,
Kathedrale), Nr. 6 fünfteiliges Altarbild der Madonna
mit Heiligen (ebendort), auch ausgezeichnet durch
eine wunderbare Erhaltung; wie denn überhaupt bei-
läufig angemerkt sein mag, daß die überwiegende
Mehrzahl der Bilder durch die Unberührtheit sich
dem Auge empfahl, so daß man vielfach noch die
feinsten technischen Einzelheiten studieren konnte.
Die sekulare Schmutzkruste ist ja schließlich das ge-
ringste aller Übel, von denen alte Bilder betroffen
werden.

Neben der stillen Anmut der Gestalten Alegrettos
mit ihren länglichen Augen, in denen das Weiße
ganz auffällig hervorleuchtet, stach eine herbe, groß-
zügige, doch etwas grobe Madonna, das Kind stillend,
ab, ein signiertes Werk des Francescuccio di Cecco,
um 1359.

Der Hauptmeister der Schule von Fabriano, Gentile,
war (von dem einst schönen, leider stark ruinierten
Bild der Pinakothek abgesehen) durch das entzückende
Madonnenbild der Pisaner Galerie, das wie ein Juwel
in der Unberührtheit seiner Farben prangt, ausge-
zeichnet vertreten. Daneben hing ein jüngst vielbe-
sprochenes Bildchen der Madonna mit zwei Heiligen
der Pinakothek von Fabriano, dessen Entdeckung
durch Adolfo Venturi urbi et orbi angepriesen worden
ist. Es bestand diese Probe recht schlecht und muß
es sich wohl gefallen lassen, in die bescheidene
Anonymität zurückbefördert zu werden, der es zu
Unrecht entrissen worden.

Die spätere Phase dieser Schule vertritt eine Dar-
stellung des Todes der Maria von Antonio da Fab-
riano (zweite Hälfte des Quattrocento), mit einer Reihe
naturalistisch belebter Köpfe, deren einige fast an
Antonello erinnern.

Von Ottaviano Nelli aus Gubbio ein Kapitalstück,
fünfteiliges Altarbild der Madonna in trono mit vier
Heiligen, je drei Heiligengestalten übereinander in

1) Man findet diese Bilder der älteren Fabrianeser
Schule reproduziert im IV. Heft des IX. Jahrgangs von
Arte (1906).
 
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