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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Gronau, Georg: Die Ausstellung alter Kunst in Perugia
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0237

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455

Personalien — Ausgrabungen — Funde

456

Meisters hervorgegangen (Commune von Terni) und
eine entzückende Madonna in Elfenbein, mit Resten
farbiger Bemalung, aus San Francesco in Assisi, war
eine französische Arbeit des Trecento.

Der berühmte silberne, getriebene Altarvorsatz der
Kathedrale von Cittä di Castello, mit neuer Einfassung
— die alte Umrahmung im Mittelstück erhalten —
führt uns zu den kirchlichen Geräten in Edelmetall
über, die an Pracht und Reichhaltigkeit sich aber mit
der gleichen Abteilung der Sieneser Ausstellung bei
weitem nicht messen können. Aus einer übergroßen
Zahl von Vortragskreuzen sei dasjenige aus Visso mit
knieender Bischofsfigur am Kreuzesfuß hervorgehoben.
Ein herrliches Pastorale, französische Arbeit des Tre-
cento, sandte die Kathedrale von Citta di Castello.
Ein besonders schönes Reliquiar in Form eines Tem-
pietto, im edelsten Stil des frühen 16. Jahrhunderts,
gehört der Confraternifä del Gonfalone di San Fran-
cesco in Perugia. Dann kann man das berühmte
Reliquiar des Sacro Anello aus der Kathedrale von
Perugia mit Muße betrachten, mit seinem Reichtume
zierlichster Ornamentik und den vier stattlichen Fi-
guren in den Nischen, leider durch neuerliche Ver-
goldung etwas des Reizes beraubt, das Werk des
Federigo Roscetto (1517). Ferner sei der prachtvolle
Kelch mit dazu gehöriger Patena, mit reichem Email-
schmuck von Chatalutio von Todi, aus der Univer-
sitätssammlung hervorgehoben.

Dafür bildet die Sammlung der kirchlichen Para-
mente und Stoffe in ihrem überwältigenden Reichtum
und in der Pracht der Erhaltung der meisten Stücke
den unbestreitbaren Mittelpunkt der Ausstellung. Ich
kann nur die Hauptstücke kurz benennen: zwei orien-
talische (sizilische?) Stoffe, die als Bahrtücher der
Leiche des hl. Franz gedient haben, der eine mit
pflanzlichem Ornament auf tiefrotem Grund, der andere
silbergewirkte Tierfiguren auf goldgelbem Fonds zei-
gend, beide etwa vier Meter lang und beispiellos
erhalten. Das herrliche Antependium, das Papst
Sixtus IV. in die Kirche von Assisi gestiftet hat;
in der Mitte des unteren Teiles, dessen Ornamente
dem Eichbaum im Papstwappen entlehnt sind, Sixtus
vor Franciscus in Verehrung, oben tronende Heilige
des Franzikanerordens in feinster Nadelarbeit. Ein
flandrischer Teppich, ebenfalls von Sixtus nach Assisi
gestiftet, mit einer Glorifikation des Franzikaner-
ordens, unten die Päpste Nikolaus IV., Sixtus IV. und
Alexander V. Alle diese Kostbarkeiten hatte die Kirche
San Francesco zu Assisi gesandt und sich damit den un-
bestreitbar ersten Platz unter den Ausstellern gesichert.

Von kirchlichen Gewändern die drei prachtvollen
Stücke, die der Grabstätte Papst Benedikts XI. (1304)
entnommen sind, aus San Domenico in Perugia, ferner
ein sehr frühes, reich gesticktes Stück, vom Munizi-
pium von Foligno geliehen; aus der Hochrenaissance
herrliche Kirchengewänder der Kathedralen von Perugia
und Orvieto, darunter ein um 1520 von Kardinal
Armellini an die erstere gestiftetes, mit aufs feinste
gestickten Szenen aus dem Marienleben.

Schwach war die keramische Abteilung, wenn man
von der großen Vitrine mit einfachen Deruta-Stücken

absieht. Ein Hauptstück hier der fragmentarisch er-
haltene reiche Fußboden, datiert 1524, aus San Fran-
cesco in Deruta, aus dem Besitz jener Kommune.

Auf die große und reiche Ausstellung der Minia-
turen einzugehen verbietet der Mangel an Kenntnissen
des Referenten und an Raum. Beginnend mit ein-
zelnen Blättern der Handschrift des Lukasevangeliums
auf Purpur aus dem Dombesitz begriff sie in hervor-
ragenden Stücken die ganze Entwickelung dieses be-
sonderen Kunstzweiges.

Der Katalog war bei Beginn der Ausstellung noch
nicht fertiggestellt; er soll in nächster Zeit — wenigstens
in provisorischer Form — erscheinen. Die Arti gra-
fiche von Bergamo bereiten eine reich illustrierte Mono-
graphie vor, analog der seiner Zeit erschienenen über
die Mostra von Siena. Die Ausstellung wird minde-
stens bis Ende Oktober geöffnet bleiben.

GEORG GRONAU.

PERSONALIEN
P. J. H. Cuypers, der Nestor der holländischen Archi-
tektenschaft, der bekannte Schöpfer des Amsterdamer Rijks-
museums und des dortigen Zentralbahnhofs, feierte seinen
80. Geburtstag.

AUSGRABUNGEN

Palestrina. Die Direktion der römischen Ausgrabungen
hat Forschungen angefangen, um genau festzustellen, welche
Lage das alte Forum hatte. Nach Professor Vaglieri, welcher
die Aufsicht über die Ausgrabungen hat, bestehen die
ersten Ergebnisse darin, daß nur die Mitte der Piazza
Savoia mit dem Tempel der Fortuna in Verbindung steht,
daß der östliche Teil mit der Basilika verbunden ist, während
man über den Westlichen noch vollkommen im Dunkeln ist.

Rom. Die Zentralkommission hat das von Prof. von
Duhn eingereichte Gesuch, in Croton Ausgrabungen machen
zu können, nicht angenommen. Es ist beschlossen worden,
das antike Theater von Himera von den späteren Bauten
zu befreien und vollends ans Licht zu schaffen. Fed. H.

FUNDE

Das Mädchen von Porto d'Anzio. Die italienische
Regierung hat die unter dem Namen »Das Mädchen von
Porto d'Anzio« bekannte Gewandstatue um den Preis von
450000 Francs angekauft. 1878 rutschte bei einem Sturme
unter dem Andränge der Wogen ein Stück der Küste bei
Porto d'Anzio ab, und zwischen den Trümmern der Nero-
villa fand man auf dem Strande die köstliche Statue, die
also dem Eigentümer des Bodens, dem Fürsten Aldobrandini
di Sarsina, gehörte. Das Mädchen von Porto d'Anzio war
in der archäologischen Literatur durchaus gewürdigt, und
abgesehen von dem ersten Bericht in den Notizie degli
scavi, konnten namentlich Altmann in den österr. archäolog.
Jahresheften VI und W. Amelung in den Arndt-Bruck-
mannschen Denkmälern (Nr. 583/4, 1906) die Statue re-
produzieren und ausführlich beschreiben. An letzterer
Stelle ist alles, was über das Mädchen zu sagen ist, in
trefflicher Weise vereinigt. Direkte Analogien sind nur
schwer für das einzigartige griechische oder besser grie-
chisch-asiatische Originalwerk beizubringen; jedenfalls fehlen
die, welche es einem bestimmten Meister zuschreiben lassen.
Es ist sicher in den Beginn der hellenistischen Epoche zu
setzen. »Denn früher oder später ist die eigenartige Mischung
von feinfühligstem Naturalismus und sicherster Berechnung
in der Verwendung vornehmster Mittel undenkbar«. Die
Statue steht fest auf dem linken Bein, der rechte Fuß ist
 
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