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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 18.1907

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Hevesi, Ludwig: Gustav Klimt und die Malmosaik
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https://doi.org/10.11588/diglit.5912#0282

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XVIII. Jahrgang 1906/1907 Nr. 33. 27. September.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an e. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vegler, Rud. Mosse usw. an.

===== Die nächste Nummer der ICunstchronik, Nr. 1, erscheint am 17. Oktober =========-

GUSTAV KLIMT UND DIE MALMOSAIK
Von Ludwig Hevesi

Es ist vielleicht eine große Neuheit zu verzeichnen.
Ein System von Flächenschmuck, das vielleicht Zu-
kunft hat. Ich glaube sogar daran, denn ich sehe
es seit Jahren kommen und sich immer systematischer
ausgestalten. In der anregungsreichen Mannheimer
Ausstellung, in jenem so eigengeistigen Saale der
Wiener Werkstätte, wo die anmutige Logik Josef Hoff-
manns herrscht, hängen drei Bilder Gustav Klimts,
die man in Wien noch gar nicht kennt. In denen
ist der Gedanke schon voll verkörpert. Und in Wien,
in der Galerie Miethke, hängen gleichzeitig seine drei
großen Deckenbilder, die nun freilich Wandbilder
geworden sind: die Philosophie, Medizin und Juris-
prudenz, die der Künstler von unserer Regierung
wieder zurückerstanden und seither vollendet hat. In
diesen sieht man den Gedanken aufblitzen und um
Gestalt ringen. In der Philosophie ist Klimt noch
Impressionist und destilliert die malerische Stimmung
aus einem atmosphärischen Vorgang, den er ins Kos-
mische steigert. Aber schon ist dieser Weltraum von
all den bunten Goldfunken der Gestirne durchglitzert,
welche die Bildfläche mit einem Element von musi-
vischem Glanz durchwirken. Man erinnert sich dabei,
daß Whistler sein Feuerwerk in Cremorne Gardens
schon ein wenig so pointiert hat; Klimt kann dieses
Bild nie gesehen haben, greift übrigens weit kühner
in den kosmischen Coriandolisack. Dann kommt die
Medizin, mit jener überprächtigen Vordergrundfigur
der Hygiene, in Purpur und verschwenderischem
Goldschmuck. Hier blüht noch die sezessionistische
Gefühlslinie, die interessant geschwungenen Kurven,
der parabolische und hyperbolische Reiz; das Denken
in Kegelschnitten, möchte man sagen. Es ist eine
weitere Versuchsstaffel, auf der schon etwas Groß-
artigeres entstanden war: das Hauptbild des Beethoven-
Wandschmuckes in der Sezession, das wandgroße
Typhöusbild. Diese märchenartige Ausgeburt seiner
dekorativen Phantastik war gewiß etwas Neues im
Bereich des Flächenschmuckes. Aber die fließende,
schwingende, schnörkelmäßige Linie, das Bewegungs-
prinzip der Schlange, der Ranke herrschte noch vor.
Das war noch Renaissance, die aus der organischen

Natur schöpfte. In der Jurisprudenz kommt dann
der große Schritt in der Richtung eines immer deut-
licher werdenden Zieles. In Wien (und anderswo)
haben mittlerweile die Stilisten die Oberhand ge-
wonnen. Das wandmäßige Denken der Maler (Hodler,
Maurice Denis) setzt ein, und auch die Errungen-
schaften des Impressionismus und Pointillismus werden
in diesem Sinne nutzbar gemacht. Die einen neigen
zum Fresko hin (neuestens der treffliche Karl Hofer
in Rom), den anderen geht irgendwie die alte Mosaik-
kunst wieder auf. Keinem so üppig und eigen, so
neu, muß man sagen, wie Gustav Klimt. Als er
seine ersten Experimente machte, erkannten die Be-
schauer gar nicht, was er meinte. Zum Beispiel wenn
er jenen Apfelbaum mit den unzähligen goldenen
Äpfeln im grünen Laub malte, die so unmäßig in
die Breite wucherten, vor Sehnsucht, Wandfläche zu
bedecken. Manches kleine Bild wollte gar nichts sein
als solcher Versuch, ein musivisches Moment auf
kleiner Strecke auszuproben, die Melodie einer Mosaik-
wand anzuschlagen. Dabei wurde das Prinzip immer
geometrischer, das Bildungsgesetz kam nun von der
unorganischen Natur her, aus der Sphäre der kristal-
linischen Formen. Damit wurde es zugleich archi-
tektonischer, wandmäßiger, strebte naturgemäß dem
Zweidimensionalen zu. Zurück in die Fläche, Alles!
Keine Raumgestaltung mehr, sondern offen einge-
standene Flächenbedeckung. Keine perspektivischen
Illusionen, sondern aufrichtiger Verzicht auf plastischen
Augenreiz. Auf dieser dritten Stufe steht die Juris-
prudenz, besonders der obere Teil, wo die Rechts-
göttin mit Gefolge auftritt. Da ist bereits das reine
Mosaikgebilde, aus geometrischen Teilchen zusammen-
gesetzt, farbigen, goldenen, silbernen; unplastisch, reine
Fläche. Hätte Klimt das Bild heute zu malen, so
ließe er diesen oberen Teil, die musivische Vision
mächtig überwiegen. Damals hielt er noch nicht so
weit.

Die drei Bilder in Mannheim zeigen ihn vollbe-
wußt und absichtsvoll auf dieser Stufe. Das eine ist
ein begriffliches Thema. Drei nackte Figuren jenes
sehr besonderen Klimtschen Gepräges; eine weinende
alte Frau und eine junge Mutter mit ihrem Säugling.
Jugend und Alter; Aufblühen und Absterben. Das
immergleiche Menschenschicksal, still und ergreifend,
 
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