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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Bach, Max: Vom Ulmer Münster
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0073

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Literatur

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ständigt: Noahs Dankopfer und der Turmbau zu Babel,
gestiftet von Kommerzienrat Steinbeis in Brannenburg zum
Andenken an seine Eltern und gemalt von Zettler in
München. Außerdem ist Vorsorge getroffen für Neuher-
stellung eines Teils der in den sechziger Jahren von Glas-
maler Kellner in Nürnberg mangelhaft ausgeführten Chor-
fenster. Die Ausgaben der Münslerbaukasse im Etatsjahr
igo6|o7 belaufen sich auf 170 976 Mk.

Das von Stadtpfarrer Pfleiderer erstmals 1890 heraus-
gegebene Münsterbach ist jetzt in bedeutend vermehrter
und verbesserter Auflage neu erschienen. Der unermüd-
liche Forscher und beste Kenner des Münsters hat sich
dadurch ein bleibendes Denkmal gesetzt, alle früheren
Münsterbeschreibungen können, gegenüber der jetzt vor-
liegenden gründlichen und erschöpfenden Beschreibung,
nur zur oberflächlichen Orientierung dienen. Eingeteilt ist
das Buch in Allgemeines über das Münster, dann folgt
die Baugeschichte und von Seite 31—226 die eigentliche
Beschreibung, beginnend mit dem Hauptportal; es folgt
das Innere des Münsters, Chor und Kapellen mit ihren
Altären, die Sakristei, die Kunstwerke in den Seitenschiffen :
Taufstein, Weih Wasserbecken, Epitaphien, Grabsteine und
dergleichen^ alles mit trefflichen, größtenteils dem größeren
Werk des Verfassers entnommenen Abbildungen versehen.
Dann werden die Reste alter Wandmalereien, welche an
verschiedenen Orten aufgefunden wurden, behandelt, und
nun folgt eine sehr dankenswerte Beschreibung der 22
neuen gemalten Fenster, welche man mit Ausnahme des
igoo eingesetzten Kaiserfensters sämtlich privaten Stiftungen
verdankt. In den letzten Kapiteln X—XII wird das Äußere
des Münsters, die Besteigung des Turmes und das neu
errichtete Münsterarchiv besprochen. Nichts ist vergessen,
vieles neu beleuchtet, neu bestimmt und kunstgeschichtlich
gewürdigt. Wir können auf Einzelheiten leider nicht näher
eingehen, doch sei wenigstens auf die erschöpfende Be-
schreibung des Chorgestühls, dem schönsten Werk dieser
Art in Deutschland, besonders aufmerksam gemacht (35
Seiten). Mit Vorliebe werden die plastischen Arbeiten an
den Portalen behandelt und manche neuen Aufschlüsse
gegeben und schwebende Fragen richtiggestellt; auch
die bisher wenig beachteten Figuren an den Chorpfeilern
sind erstmals gewürdigt worden. Die Gemälde im Münster,
insbesondere auch das große Jüngste Gericht, erfährt ein-
gehende Behandlung; Pfleiderer verwahrt sich gegen die
neuerdings ausgestreute Meinung einer Übermalung des
Bildes. Eine noch vor der Restauration angefertigte Photo-
graphie bestätigt, daß der Restaurateur Weinmaier mög-
lichst pietätvoll verfahren ist. Die Multscher-Frage wird
nur kurz berührt, bezüglich des Dreieinigkeitsbildes in der
Sakristei wird konstatiert, daß die unteren Teile mit den
Wappen und Stifterbildnissen eine Erneuerung sind, es
deshalb auch schwer fällt, die Familienwappen zu deuten,
sie gehören jedenfalls keinen Ulmer Geschlechtern an.
Die neuen Forschungen von Lange über die Reste des
ehemaligen Wengenaltars konnten in den Nachträgen noch
kurz erwähnt werden, dort wird auch noch des Parier-
steins gedacht, der jetzt wieder ins Münster kommen soll.

Die Verlagsbuchhandlung von Ebner in Ulm hat dem
hübschen Buche eine seinem Inhalt entsprechende Aus-
stattung gegeben. MAX BACH.

LITERATUR

Die italienischen Bronzestatuetten, von Wilhelm Bode.
Verlag von Bruno Cassirer, Berlin. Vollständig in 10
Lieferungen zu je 25 M.

, Es überrascht schon nicht mehr, wenn W. Bode mit
einer neuen, großen Publikation an die Öffentlichkeit tritt.
Und wieder ist es etwas, was er so nebenbei in seiner weit

umfassenden Weise gesammelt, geordnet hat und uns nun
als außerordentliche Bereicherung an Material und Er-
weiterung des Blickes darbietet. Darin liegt eben Bodes
genialer Positivismus, daß er immer Neues anpackt und
immer neue Gebiete dem Forscherauge öffnet. Man mag
in Kleinigkeiten, im einzelnen manchmal anderer Ansicht
sein, aber darum wird man doch das Große der Leistung
über alles achten. Was er uns hier gibt, ist der Abschluß
zu dem, was er alles für die italienische Renaissanceplastik
getan. Es hat als Ergänzung zu dem monumentalen
Sammelwerk der italienischen Skulptur (Verlag Fr. Bruck-
mann, München) zu gelten. Daß er so spät erst kommt,
hat seinen guten Grund in der Schwierigkeit, das Material
kennen zu lernen. Nur Bodes unermüdlicher Sammlergeist,
der in alle Privatsammlungen der Welt wohl eingedrungen,
vermochte diese verborgenen Schmuckstückederitalienischen
Plastik zusammenzufinden.

Man hat bisher die Bedeutung dieser Bronzeklein-
plastik nicht erkannt. Aber sie ist es unbedingt, die in der
Renaissance der Antike die führende Stelle einnimmt.
Während die Großskulptur an die kirchlichen Aufgaben ge-
bunden war, konnte hier am kleinen Wachsmodell der
Künstler seinen Liebhabereien nachgehen. Der Ehrgeiz des
Renaissancekünstlers, der Antike nachzueifern, fand gerade
da Gelegenheit, sich auch auf verwandtem Stoffgebiete
zu bewegen. Durchblättern wir die bis jetzt erschienenen
ersten drei Lieferungen, so finden wir antike Amoretten,
Herkules- und Faunsgestalten und anderes mehr. Selten
begegnen wir einer Heiligenfigur und dann ist es ein
Hieronymus in der Wüste, fast nackt gebildet. Denn diese
Bronzekleinplastik wurde zu einer hervorragenden Schule des
Nackten. Und diesem Umstand gewiß hat es die Bronze-
plastik zu danken, daß sie in der zweiten Hälfte der
Quattrocento die Führung zur Befreiung und zu vollendeter
Formgebung übernehmen konnte. So wird die Bedeutung
der Bronzekleinplastik schon theoretisch offenbar für die
Entwickelung der italienischen Kunst. Die Durchsicht von
Bodes vorzüglich ausgestattetem Tafelwerk bringt uns zur
Erkenntnis, daß hier reine Kunstwerke, durch Konvention
ungebundene Offenbarungen der künstlerischen Vor-
stellungskraft vor uns stehen. Der Wert des Werkes wächst
in Anbetracht dessen, daß zumeist nicht in Photographien
leicht erreichbare, sondern in Privatsammlungen verborgene,
zum erstenmale publizierte Werke gegeben werden. Jetzt
erst, dank dieser hervorragenden Publikation kann die
Forschung auch hier einsetzen. Bode selbst bemerkt, daß
manche seiner Benennungen hypothetisch gegeben wurden
Immerhin werden sie die Grundlage bilden zu weiteren
Bestimmungen, zumal da mit erstaunlicher Übersicht des
Materials und Sicherheit das Richtige immer getroffen zu
sein scheint. Eine bis zum Äußersten gehende Kritik zu
geben, bedarf es des Gesamtmaterials. Bei Abschluß des
Gesamtwerkes werden wir darauf zurückkommen müssen.

Die drei ersten Lieferungen bringen vielleicht den
interessantesten Teil des Ganzen, die Frührenaissance, voran
Florenz und Padua. Die Erweiterung des Opus', die
Schärfung des Charakterbildes ist bei manchem Künstler
eine ganz außerordentliche, vor allem bei Bertoldo und
Pollajuolo. Bertoldo erscheint auf Tafel IX—XIV als der
feine Stilist, der einen hochentwickelten Sinn für klassische
Linienführung in sorgsamster Abwägung zeigt: ein eigen-
artiges Beispiel, wie das Quattrocento mit starker Neigung
zum Zierlichen und Spitzen die linearen Neigungen der
Antike aufnimmt. Die Berliner Sammlung ist wie über-
haupt in der Florentiner Schule am reichsten mit Werken
Bertoldos beschenkt. Der stehende Herkules dort ist wohl
in seiner ruhigen Haltung und der Realistik der Behandlung
das früheste Stück. Etwas später mag der schöne Hiero-
 
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