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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Nachlese archäologischer Neuigkeiten
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0078

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Nachlese archäologischer Neuigkeiten

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Orientalen mit seinem Oefolge nebst Tänzerinnen, musi-
zierenden Kindern und kleinen Akrobaten darstellen und
wahrscheinlich die Bekleidung eines Trinkhorns bildeten-
Was die Jahresberichte pro 1906 des Archäologischen An-
zeigers aus den übrigen Gebieten jetzt in systematischer
Darstellung darbieten, ist an dieser Stelle früher in seinen
hauptsächlichsten Daten jeweils gemeldet worden.

Kehren wir nun zu dem Jahre 1907 zurück, so ist
urn rnit der Prähistorie zu beginnen, auf die wichtigen
Entdeckungen, welche der Turiner Physiologe und Ar-
chäologe Angelo Mosso bei Oirgenti gemacht hat, noch-
mals zurückzukommen. Bei der Ausgrabung sehr tiefer
"eolithischer Schichten fand er einen gut gepflasterten Rund-
P'atz, Straßenzüge, zum Teil aus massiven Blöcken her-
gestellte Hütten. Einzelfunde als Votiftäfeichen, gleich
denen von Kreta, Votifhörner aus Ton, Steatitvasen, deren
Material wenigstens aus Kreta zu kommen scheint, sind
ins Museum von Palermo gekommen. — In Knosos auf
Kreta hat außer den Italienern (s. Kunstchronik 1906/7
SP- 550) auch Evans wieder eine Reihe wichtiger Funde,
z- B. aus der Zeit der dorischen Eroberung der Insel um
f°°u' Chr'' Semacnt- Aber auch aus der Zeit der 15. ägyp-
tischen Dynastie (ca. 1800 v. Chr.) wurde eine Art Aqua-
rium mit Versteinerungen von Seetieren, ferner Wand-
malereien, Götterfiguren, Reliefs usw. an der Nordseite
es 1 alasthofes gefunden. — Interessante Feststellungen
über die gallischen Städte der La-Tene-Periode konnten
aurch Untersuchungen in La-Tene selbst, am Urseltal-
Kingwall bei Oberursel im Taunus, bei Alesia, Hradischt
ei Stradonitz in Böhmen und zuletzt bei den Heiden-
end Deidesheim in der Pfalz gemacht werden. Nach
^ ,nach bekommen wir jetzt einen Begriff von dieser
jfezifisch gallischen oder keltischen Zivilisation, die ganz
^Ur.opa von dem eisernen Tor bis über die Mündung des
airjs in den Rhejn hinaus beherrscht hat. Die Oppida
w,r..U-Tene-Pe riode, in metallreichen Gegenden zwischen
in d n au* Höhen angelegt, waren große Marktplätze,
enen ein reger Handelsverkehr, auch mit Griechenland
0n den südlichen aus, herrschte.

Uber das vorgeschichtliche und das Ägypten der Dy-
tien werden wir nach Erscheinen des maßgebenden
nchtes des Egypt Exploration Fund noch manches nach-
fragen haben. Vorerst liegen die Mitteilungen der
eutschen Orientgesellschaft über die Grabungen auf dem
^geschichtlichen Friedhof bei Abusir-el-Melecq vor, wo
ei der Öffnung von 257 Gräbern auch eine Anzahl In-
rumente aus Ton zum Graben zum Vorschein gekommen
sind. Eine Voruntersuchung von Tell-el-Amarna zeigte die
ungeheure Ausdehnung des Ruinenfeldes, das noch große
und berechtigte Hoffnungen zu großen Entdeckungen und
unden gibt. Zwei Häuser von Vornehmen sind ausge-
graben worden, mit ausgemalten Hallen und hygienischer
Pal t "g' °er V0" den Eng|ändern früher ausgegrabene
Teüd 'St ""Ch Borcnardts neuen Untersuchungen nur ein

. ---uvMvu vnw.iauuiuiigcii uui tili

Phara es. glanzenden Sonnentempels des reformatorischen
Biban°el 1^1<:nopnis lv- Übrigens ist die im Vorjahre im
™oluk gefundene Mumie, welche als die der

Königin Thyi, der Mutter des ketzerischen Königs Ame-
nophislV. angesehen wurde, nach einem am 13. November
in der Society of Biblical Archeology gehaltenen Vortrage,
gar nicht die der Königin Thyi, sondern nach Maspero die
ihres Schwiegersohnes Saanakhit, der der unmittelbare
Nachfolger des häretischen Königs gewesen ist. — Die
Cachette von Karnak, von der wir seit einigen Jahren
regelmäßig zu berichten haben, ist, obwohl sie bis jetzt
75o größere Statuen und Stelen und 17000 Statuetten
hergegeben hat, noch nicht erschöpft. Unter den letzten
runden signalisiert man einen knieenden Ramses, Fragmem

und Statuen Amenophis III., eine Statue des Pharao Se-
becq usw.

Wandern wir, altem Vorbilde folgend, von Ägypten
nach dem Lande Kanaan, so ist aus Professor Sellins dies-
jährigen Ausgrabungen in Taanakh in Palästina zu be-
merken, daß nunmehr vier Schichten, darunter eine prä-
israelitische, geschieden werden können. Von großer
Wichtigkeit sind Briefe in Keilschrift, die man fand. Von
Kleinfunden sind Amulette, kleine nackte Astartefiguren
und eine Nergalstatuette zu bemerken. Die dritte Schicht
brachte einen beweglichen Weihrauchaltar von 90 cm Höhe
und 45 cm Tiefe zutage. Auch der Palestine Exploration
Fund kann in seinem Quarterly Statement vom Oktober
bedeutsame Resultate melden. Die wiederaufgenommenen
Ausgrabungen von Gezer, dieser hochwichtigen Stätte, die
lange vor der israelitischen Zeit und bis in die byzan-
tinische bewohnt gewesen war, brachten mehr oder minder
interessante Funde aus allen Perioden, einen kanaanitischen
Hochplatz mit noch stehenden Monolithen (Mazzebahs) mit
Fundamenlierungsopfern, aus der Amarna-Zeit einen Ton-
zylinder mit Zodiacus.ein babylonisches Siegel,altaramäische
Inschriften, frühchristlicheGräber, byzantinische Gegenstände
z. B. ein Kreuz, Krug und Reliquiarium aus Ton. Wir wollen
nicht versäumen, bei dieser Gelegenheit auf die vor kurzem
erschienene umfassende, ganz ausgezeichnete Publikation
des Pere Hugues Vincent »Canaan d'apres l'exploration
recente« (Paris 1907, Lecoffre) aufmerksam zu machen.

Die Ausgrabungen, die Hugo Winckler in Bhogazköi
in Kleinasien angebahnt hat, waren außerordentlich erfolg-
reich. Die Beweise, daß diese Stätte von 1400 —1100 v. Chr.
die Hauptstadt des Hettiterreiches war, sind gebracht; das
sogenannte Büjuk-Kale, ein Kastell, das untersucht wurde,
hatte ein ganzes hettitisches Archiv von ungefähr 500 Ton-
tafeln geborgen, von einer Ausdehnung und Varietät, wie
das in Tell-el-Amarna seinerzeit entdeckte Archiv. Die
Hauptstadt des Hettiterreiches bedeckte gewaltige Flächen
und war durch mit Mauern verbundene Höhenbefestigungen
geschützt. Ein Stadttor hatte mächtige Monolithe zur Seite,
aus denen Steinlöwen halb heraustraten in der Art, wie die
assyrischen Tiere als Torwächter gebildet sind. Nahe bei dem
Büjuk-Kale zeigten sich die Ruinen zweier offener Hallen,
die für Versammlungen bestimmt waren; auf Felsenreliefs
waren Krieger mit spitzen Mützen und langem Gewände,
Hofleute mit Schleppkleidern, Große, die Kriegsgefangene
am Nacken führen, ein König inmitten seiner Leibgarde
auf einem Löwen reitend dargestellt. Im südlichen Teil
der Stadt stieß man auf einen Palast, in dessen Nähe
Reihen von Sphinxen eine Zugangsallee gebildet zu haben
scheinen. Auch in Kara-ejuk, östlich von Kaisariye, wurden
hettitische Inschriften auf Ton und ein aus Steinblöcken
gebauter Tempel aufgedeckt, an dessen äußerem Tor zwei-
nieterhohe Spinxe standen. Dabei fanden sich noch andere
Flachreliefs, geflügelte Stiere, Krieger, Zitherspieler,
Opfernde, Jagden und andere Szenen aus dem Leben der
Hettiter darstellend. Gleichzeitig mit diesen erfolgreichen
deutsch-türkischen Ausgrabungen hat eine amerikanische
Expedition der Cornell University außer epigraphischen
und topographischen Arbeiten eine Aufnahme des hetti-
tischen Palastes von Giaur Kalesi gemacht und diesen als
durchaus mykenischen Charakters gefunden. Bei Iconium
zeigten sich Topfwaren, von denen viele den trojanischen
aus den ersten Schichten glichen. Der Palaststil und die
mykenischen Scherben legen einen engen Zusammenhang
mit der griechischen Welt in der homerischen Zeit dar. Auch
ein zu Angora gefundenes Marmoridol gleicht den in den
prämykenischen Schichten der griechischen Inseln ge-
fundenen. — Aus Pergamon, Ephesos usw. ist nichts
Neues mehr zu melden; nur in Tralles in Kleinasien ist
 
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