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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Graul, Richard: Moderne Galeriefragen: aus Anlass einer Veröffentlichung über das Leipziger Museum der Bildenden Künste
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0108

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN' in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XIX. Jahrgang 1907/1908 Nr. 12. 10. Januar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

MODERNE OALERIEFRAQEN

AUS ANLASS EINER VERÖFFENTLICHUNO ÜBER
DAS LEIPZIGER MUSEUM DER BILDENDEN KÜNSTE

Die Sammlungen des städtischen Museums der
bildenden Künste in Leipzig reichen in ihren planmäßigen
Anfängen zurück bis in das Jahr 1837, da der Leipziger
Kunstverein gegründet wurde. Eines der ersten Bilder,
die von dem Verein für das nach und nach zu bildende
Museum angekauft wurden, war das eben erschienene
Werk eines begabten aber kurzlebigen Düsseldorfers,
Wilhelm Heines, das »Verbrecher«, das heißt politische
Gefangene, in einer Kirche darstellt. Es ist noch
heute ein unterhaltsames Publikumsbild, das sich schon
auf die Jahrhundertausstellung hätte vorwagen dürfen,
denn es hat sachliche Tugenden: als Zeitdokument
und — bescheidenerer Art — als Malerei. Das war
1837 gewiß kein schlechter Ankauf, wenngleich wohl
damit den politisierenden Bürgern ein Quos ego zu
Gemüt geführt werden sollte.

Seitdem mehrte sich allmählich der Gemäldebestand
durch Ankäufe und Geschenke moderner Bilder und
durch die gelegentliche Übernahme älterer Werke aus
städtischem und kirchlichem Besitz. Als wohlver-
mögender Käufer stand und steht der neuerdings zu
einer mächtigen Mitgliederzahl angewachsene Kunst-
verein dem städtischen Museum als Helfer und Mehrer
treu zur Seite. In einer 1892 bei E. A.Seemann erschiene-
nen Geschichte des städtischen Museums von Professor
Dr. Julius Vogel ist dieses Werden und Wachsen der
Sammlung aus kleinen Anfängen zu einer stattlichen,
mehrmals vergrößerten Galerie mit allem wünschens-
werten Detail erzählt.

Seitdem sind wieder und wieder dem Museum
Schenkungen, Vermächtnisse zugefallen, und die Stadt
machte mit Hilfe opferwilliger Privater Erwerbungen
großen Stils, deren Kunde klangvoll durch die Lande
ging. So ist denn aus dem alten städtischen Museum,
dem bis in die achtziger Jahre die Schlettersche Stiftung
und die Werke der Romantiker und Klassizisten bis
zu Preller das charakteristische Gepräge gaben, ein
so großes Museum geworden, daß es Not hat, all
seinen Reichtum geziemend zur Schau zu stellen. Von
allem ist da, Altes, Neues und Neuestes, sehr viel Gutes
und genau so viel Minderwertiges wie in jeder anderen
Sammlung der Art, die in langen Zeitläuften und

nach dem schwankenden Willen wechselnder Kom-
missionen, Gönner und Erblasser sich entwickeln muß.
Gerade in den letzten Jahren hat das Museum wieder
sehr bedeutende Schenkungen erhalten, die besonders
der Sammlung gegenwärtiger Kunst zugute kamen.
Darunter sind genug Werke, die den Aufschwung
der modernen deutschen Kunst durch so vortreffliche
Beispiele beweisen, daß man darüber gern die
Werke und Werkchen vergißt, die ihr Dasein an re-
präsentativer Stelle nur dem Zugeständnis an den Tag-
geschmack oder dem Respekt vor letztwilligen Ver-
fügungen danken.

Welche Schätze das städtische Museum an Werken
älterer und neuerer Malerei und Plastik besitzt, das
beweist recht gut eine Veröffentlichung, die der Direktor
des Museums, Hofrat Prof. Dr. Theodor Schreiber, unter
dem Titel -»Meisterwerke des städtischen Museums der
bildenden Künste zu Leipzig« soeben im Verlage von
F. Bruckmann in München herausgegeben hat. Es ist
ein Foliant mit 84 großen Lichtdrucktafeln, von denen
die erste, die Klingers Blaue Stunde wiedergibt, in
den Farben des Originals prangt. Die Auswahl gibt
einen guten Begriff von der Mannigfaltigkeit der
Kunstgenüsse, die das Leipziger Museum bietet. Etwa
ein Drittel der Tafeln geben Werke älterer Malerei
in solcher Auswahl wieder, daß man von dieser an
sich schwachen Abteilung des Museums einen recht
vorteilhaften Eindruck erhält. Natürlich sind alle
Lieblinge der Kenner da: der Schmerzensmann des
Hamburger Meisters Francke, der der Eyckschule an-
gehörige Liebeszauber (der auf der Ausstellung des
Goldenen Vließes in Brügge namentlich die Franzosen
begeisterte), das Bildnis eines älteren Mannes mit einer
Perücke von Jan van Eyck, die hübsche kleine Ma-
donna von Schongauer, das farbenprächtige Selbstbild-
nis Rembrandts en face, der Jan Steen und der Adriaen
van de Velde aus dem Legat Gottschald, der Zahnarzt
von Adriaen van Ostade und der Fischmarkt des
Emanuel de Witte aus dem Legat Thieme — das sind,
um nur einiges hervorzuheben, in ihrer Art ganz aus-
gezeichnete Werke. Daneben eine Anzahl kunst-
geschichtlich merkwürdige und für die Lokalgeschichte
wichtige Stücke, wie mehrere Cranachs und die erst
kürzlich dem Georg Lemberger aus Landshut zu-
geschriebene Kreuzigung, endlich von den fünfzehn
Graffs der Sammlung ein paar vorzügliche Beispiele,
 
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