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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Werdandi
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Schleinitz, Otto von: Neuerwerbungen des British Museums
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0117

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211 Neuordnungen der Londoner National Oallerie — Neuerwerbungen des British Museums 212

dagegen hat selten so gediegene Sachen wie die
beiden Akte gezeigt; von den Münchnern sind ferner
Edmund Steppes, Hubert von Heyden und Leo Sam-
berger mit dem Bilde des Malers Albert Welti ver-
treten. Am meisten interessieren aber einige neue
hier auftauchende Gesichter. Da ist von Dorothea
Hauer, Berlin, ein ungewöhnlich liebevoll durch-
geführter »Waldeingang«, von Karl Hoyer le Juge
in Magdeburg eine in sehr feinen Tönen gehaltene
Landschaft »Feierabend«, von dem Karlsruher Hans
Brasch das Bild einer Dame in blauem Kleid auf
weißem Grund von überraschender Größe der Auf-
fassung und von Karl Hollmann in Baden-Baden ein
»Grauer Wintertag« von nicht alltäglichen Qualitäten.
Radierungen und Zeichnungen, einige plastische Werke
und eine architektonische Abteilung (Bodo Ebhardt,
Wilhelm Kreis, Möhring, Schaudt und andere) ver-
vollständigen das hier knapp umrissene Bild der ersten
Werdandi-Ausstellung.

Sie scheint charakteristisch mehr durch die fehlen-
den Namen als durch die vorhandenen. Werdandi
will nicht ein einseitiges Vorherrschen des Technischen
dulden und hat mit dieser Forderung selbstverständlich
recht. Es ist aber eine Binsenwahrheit, daß wer gut
malt und dazu eine Persönlichkeit ist, immer auch
noch andere Forderungen als die der Qualitäts-
schnüffler erfüllt hat. Muß an Wilhelm Leibi erinnert
werden? Da ist vor kurzem ein Buch über ihn er-
schienen, das ein ihm lange befreundeter bayerischer
Arzt, Dr. Julius Mayr, geschrieben hat. Ein herrlich-
unliterarisches Buch, angefüllt mit wertvollstem bio-
graphischen Material; endlich einmal wieder die
Biographie eines modernen Künstlers, in dem nicht
der verehrliche Autor das Hauptwort führt. Mayr
erlaubt sich sogar, die in solchen Werken so lange
verpönte Anekdote wieder herauszuholen, man denke
sich! Und eine ist mir in der Erinnerung geblieben.
Eine Münchner Dame wollte von Leibi als Gretchen
porträtiert werden. Es war in der Zeit, da der Künstler
auch solche Aufträge des lieben Brotes wegen an-
nehmen mußte. Aber das ging dem schlichten Manne,
der Leibi bis zu seinem Tode geblieben ist, zu weit.
»Gretchen male ich nicht.« Man glaubt, es ihn
knurren zu hören. Sachlich, kurz, entschieden. Auch
das Freisein von aller Überschwenglichkeit und die
Furcht vor der Phrase scheint mir »deutsch« zu sein.
Ich meine: der Werdandi-Bund sollte sich noch andere
Schutzgötter als die aus Walhall sichern, dann wäre
seinem weiteren Wirken mit geringerer Skepsis ent-
gegenzusehen. C.

NEUORDNUNGEN IN DER LONDONER
»NATIONAL GALLERY«

Sir Charles Holroyd hat, nachdem er die flämische
Schule neu geordnet, jetzt die Umhängung der englischen
Schule in der National Oallery vollendet; es kommen
hierbei vor allem Saal XVIII, XX und XXI in Betracht,
indessen tragen selbst diese Maßregeln nur einen, wenn-
gleich auf mehrere Jahre, berechneten provisorischen Cha-
rakter. Innerhalb dieses Zeitraumes steht nämlich die im
Prinzip genehmigte räumliche Erweiterung des Instituts
sicherlich zu erwarten.

Im sogenannten »Hogarth-S^al« sind die Porträts sinn-
gemäß und auch künstlerisch gefällig gruppiert worden.
Im Mittelpunkt befindet sich das Porträt des Meisters, zur
einen Seite seine Schwester, zur anderen Miß Fenton,
gegenüber die wohlbekannte Serie »Marriage ä la Mode«,
(Saal XIX). In der nächsten Abteilung sehen wir jetzt
statt eines Gemisches von Werken Reynolds, Oainsboroughs
und Romneys nur solche von des ersteren Hand mit
Ausnahme von zwei Landschaften von Wilson. Zweiund-
zwanzig Arbeiten des großen Künstlers bringen einen
außerordentlichen Eindruck hervor! Tatsächliches Aufsehen
erregt das wieder auferstandene Werk von Reynolds »Die
heilige Familie«, ein Bild, das einst berühmt war, dann
vernachlässigt, später verworfen und schließlich ganz fort-
genommen wurde! Nicht genug hiermit: Das Bild, weil
in hoffnungslosem Verfallzustande, erhielt die Bezeichnung
»ausrangiert«. Durch den Mut der Verwaltung und durch
das Geschick von Mr. A. H. Buttery, des Restaurators,
strahlt das Gemälde jetzt in seiner ursprünglichen Schön-
heit. Das Werk besteht aus einer lebensgroßen Gruppe
von Joseph, Maria, des kleinen Christusknaben und Johannes
in einer Landschaft. Die ungefähr 1788 angefertigte Arbeit
erfolgte im Auftrage eines Verlegers, um in der Repro-
duktion als Illustration für eine Bibel zu dienen, die in
der Ausstattung Boydells »Shakespeare« übertreffen sollte.
Im Jahre 1792 veröffentlichte William Sharp einen populär
gewordenen Stich des Werkes und der Verleger Macklin
verkaufte das Original an Lord Gwydyr. Bei dessen Nach-
laßauktion erstand das British Institut das Gemälde, um
es 1828 der National Gallery zu schenken. Bald bekam
es Risse und begann in erschreckender Weise nachzu-
dunkeln, so daß der damalige Direktor, Sir Frederic Burton,
ein sehr ängstlicher Beamter, der keine Restauration wagen
wollte, es vor 30 Jahren in das Erdgeschoß des Museums
bringen ließ und der Vergessenheit übergab. In unseren
Tagen wurde erkannt, daß die ursprüngliche Farbe nicht
verloren sei, sondern nur schädliche Firnisse und eine
Decke von Auftrag entfernt werden mußte, die der Restau-
rator Segnier hinzugefügt hatte. Das Werk ist insofern
besonders wichtig, weil es uns einen ganz anderen, als
den wohlbekannten Stil des Meisters zeigt.

Gleichfalls sind Gainsboroughs Werke, sowohl Porträts
wie Landschaften, jetzt in ein und demselben Saale unter
den denkbar günstigsten Verhältnissen für Besichtigung
und Studium vereinigt worden. o. v. Schleinitz.

NEUERWERBUNGEN DES BRITISH MUSEUMS

Unter den verschiedenen kürzlich für das Kupferstich-
kabinett des British Museums zu verzeichnenden Erwer-
bungen sind namentlich zwei von ganz besonderer Be-
deutung. Erstens eine Sammlung von Meisterwerken,
bestehend aus farbigen japanischen Holzschnitten aus der
Zeit des 18. und dem Beginn des 19. Jahrhunderts. Über-
haupt gelangten derartige Blätter sehr vereinzelt in den
Besitz des Instituts, nicht früher wie 1860. Aber mit der
intimeren Kenntnis der Sachverständigen und Liebhaber,
sowie auch der bald darauf erfolgten allgemeinen Schätzung
japanischer Kunst wurde das Interesse dafür doch der-
artig erweckt, daß kleinere Schenkungen und Vermächt-
nisse dem Kabinett wenigstens insoweit zu Hilfe kamen,
daß man allenfalls von der Vertretung dieses Kunstzweiges
sprechen konnte.

So standen dem Institut 1883 die Mittel zur Verfügung,
um die recht hübsche Sammlung des Dr. Anderson zu
erstehen, der in der angedeuteten Richtung als ein Bahn-
brecher angesehen werden muß. Seine Kollektion enthielt
jedoch im wesentlichen nur Malereien auf Seide aus der
 
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