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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Die Kunst in Spindlersfeld
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0130

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237

Personalien — Ausstellungen — Sammlungen - Gesellschaften

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treter der Arbeit, steht mit vorgebeugtem Oberkörper, den
einen Fuß auf einen Färberkrug stützend, da und drückt
in jeder Regung und jeder Muskel das wohlige Gefühl
der Ausspannung und Ruhe nach vorhergegangener an-
strengender Arbeit aus. Sockel und Becken sind aus blau-
grauem* großporigem Kirchheimer Muschelkalk, die über
doppeltlebensgroße Figur selbst aus dunkler grünpatinierter
Bronze. An der Vorderseite zeigt ein aus dem Stein heraus-
gehauenes Relief die Profilbildnisse Wilhelm Spindlers und
seiner Söhne William und Karl, rechts und links befinden
sich Darstellungen der Fabrikgebäude an der Spree, ein-
mal vom Jahre 1832, das andere Mal von 1907, alles dies
in einfacher unerzwungener Stilisierung.

Die Versuchung, sich an Meunier anzulehnen, der
Lederer in dem kürzlich enthüllten Essener Kruppdenkmal
nicht ganz widerstanden hat, lag nahe. Es wird aber auch
eine strenge Kritik anerkennen müssen, daß Wenck, der
eine Zeitlang etwas unentschieden zwischen den Polen
Hildebrand und Rodin schwankte, ein selbständiges, in den
Formen starkes und sicheres Werk geschaffen hat. Welch
ein Gegensatz zu dem anmutigen, aber etwas weichlichen
»Kauernden Mädchen«, das den Künstler in der National-
galerie vertritt. Auch die Gruppe »Zwei Menschen«, die
auf der vorjährigen Mannheimer Ausstellung eins der
besten Werke neuerer deutscher Bildnerkunst darstellte,
zeigt eine fortschreitende Entwickelung.

Zu mancherlei Betrachtungen regt dies einsame Kunst-
werk in der Industriewüste des Berliner Ostens an. Wäre
es denkbar, daß einem der täglich vorüberwandernden
Arbeiter ein Abglanz der Schönheit aufginge, ein Reflex
ihn träfe aus »der andern Welt«?

Dies ist Wünschen und Hoffen. Was sicher ist, ist
dies: in Berlin hat man sich dagegen gesträubt, bei der
Konkurrenz um das Virchow-Denkmal den preisgekrönten
Entwurf des Bildhauers Klimsch, eine allegorische Gruppe
mit dem Reliefbildnis des Gelehrten, zur Ausführung
gelangen zu lassen. Klimsch sah sich genötigt, Änderungen
vorzunehmen, die sein Denkmal der Schablone nähern.
Der Zeitungskampf, der sich damals erhob, war tief-
beschämend , ein Beweis dafür, wie wenig all das Ge-
rede von ästhetischer Kultur Frucht getragen hat. In
Spindlersfeld hat man, obschon Pietät ein Bild des nahen
Angehörigen zu fordern ein Recht gehabt hätte, dem
Künstler freie Hand gelassen und so ist ein Kunstwerk
entstanden, das in gleicherWeiseAuftraggeber und Künstler
zur Ehre gereicht. Vergeblich fragt man sich, warum dieses
Monument der Arbeit so gänzlich unbeachtet von einer Kritik
blieb, die bei offiziellen Denkmalsenthüllungen es stets so
eilig hat, zu zeigen, »wie man es nicht macht.« c.

PERSONALIEN

*,* Dr. Max J. Friedländer, der zweite Direktor des
Kaiser-Friedrich-Museums, ist als Nachfolger von Max Lehrs
zum Leiter des Berliner Kupferstichkabinetts ernannt worden.

Der Würzburger Archäologe Professor Paul Wolters ist
als Nachfolger Furtwänglers nach München berufen worden.

St. Petersburg. Der Konservator an der Kaiserlichen
Ermitage Armin Freiherr von Fölkersam ist zum
Kammerherrn des Allerhöchsten Hofes ernannt worden.

Dem Professor der Architektur Wirklichen Staatsrat
Alexander Pomeranzew ist der St. Wladimirorden dritter
Klasse verliehen worden.

Der bisherige stellvertretende Professor extraordinarius
für Geschichte und Theorie der Kunst an der Kaiserlichen
Universität Kiew E. Redin ist zum ordentlichen Professor
für das gleiche Katheder ernannt worden.

Adalbert Niemeyer in München, einer der Münchener
Führer in der modernen kunstgewerblichen Bewegung, ist

zum Professor an der Kunstgewerbeschule zu München
ernannt worden, an der er schon seit längerer Zeit als
Lehrer, vor allem im Fach des kunstgewerblichen Zeichnens
tätig war.

AUSSTELLUNGEN
Die Genossenschaft der bildenden Künstler
Wiens veranstaltet von Anfang März bis Ende Mai 1908
aus Anlaß des sechzigjährigen Regierungsjubiläums des
Kaisers Franz Joseph I. eine österreichische Jubiläums-
kunstausstellung, die eine Auswahl von hervorragenden
Werken der bildenden Kunst des Inlandes enthalten soll.

SAMMLUNGEN*

Die Liechtenstein-Galerie in Wien ist durch ein
schönes Werk des Giotto bereichert worden, das zugleich
das erste Werk dieses Meisters in Wiener Besitz ist. Es
handelt sich, wie die »N. Fr. Pr.« mitteilt, um das Mittel-
stück eines kleinen Altarbildes oder um das Glied einer
Se-rie gleich großer Darstellungen. Der geschnitzte ver-
goldete Rahmen, der nach oben dachartig abschließt,
bildet mit der Holzfläche ein Stück. Diese ist in drei
horizontale Streifen geteilt; oben sehen wir eine stimmungs-
volle Anbetung der heiligen drei Könige vor einer terrassen-
förmig ansteigenden Landschaft. Der mittlere und der
untere Bildstreifen haben Goldgrund; in der Mitte ist die
Kreuzigung mit zahlreichen Nebenfiguren, großem Pathos
und trotz der massiven Heiligenscheine lebhaftem Aus-
druck der zahlreichen Köpfe gemalt. Die an dem Kreuze
kniende Mutter und Johannes sind besonders liebevoll
durchgeführt. Das genaue Studium der einzelnen Figuren,
von denen eine die Fahne mit Wappen und Buchstaben
(Malerzeichen?) trägt, dürfte Kunstfreunden und Kennern
großen Genuß bereiten. Im unteren Streifen bemerkt man
sieben Heilige, Männer und Frauen, in Frontstellung. Der
berittene heilige Georg rechts in der Ecke bringt Leben
in diese Reihe. An dem dachförmigen Vorsprunge des
Rahmens ist der Heiland mit zwei adorierenden Engeln in
hübscher, ebenfalls wohlerhaltener Arbeit dargestellt.

GESELLSCHAFTEN

*„* In der Sitzung der Kunstgeschichtlichen Gesell-
schaft, Berlin, vom 10. Januar machte zunächst Herr Dr.
J. Roosval von der Universität Upsala Mitteilungen zur
Kunstgeschichte Gotlands im 13. und 14. Jahrhundert. Von
den ältesten hölzernen Stabkirchen Gotlands, die mit der
Einführung des Christentums (nach 1000) gebaut wurden,
sind nur Reste von Ornamenten im irisch-nordischen Flecht-
stil erhalten, zum größten Teil in schwedischen und dänischen
Museen. Von dem Steinbau des 12. Jahrhunderts (seifetwa
1100) zeugen nur kleinere Gebäude und Türme; die größeren
Kirchen sind alle im 13. Jahrhundert erweitert worden. Im

12. Jahrhundert und namentlich in der ersten Hälfte des

13. Jahrhunderts ist es vor allem Westfalen, das die got-
ländische Baukunst beeinflußt hat. Klar zeigen dies z. B.
die Portalformen (Kleeblattbögen mit eigentümlich aus-
geschnittenen Zackenfriesen) und die gerade schließenden
Chöre; auch die mächtigen Turmformen erinnern an West-
falen und hier ist es Roosval in einem Falle gelungen, eine
direkte Kopie nach dem Patrokliturm in Soest nachzu-
weisen (Kirche zu Stenkyrka). Soest spielte die Hauptrolle
im westfälischen Handel mit den Ostseeküsten und nach
Gotland; die jüngste Forschung hatte daher angenommen,
daß die vielfachen byzantinischen Anklänge in der got-
ländischen und Ostseekunst über Soest, den Mittelpunkt
des byzantinischen Einflusses in Norddeutschland, ge-
kommen seien (vgl. Schmitz, Die mittelalterliche Malerei
 
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