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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Neuerwerbungen der Berliner Nationalgalerie
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Literatur
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0145

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267

Literatur

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Reinigers große Flußlandschaft, die in dem engen
Kabinett noch nicht zur rechten Durchlagskraft ge-
langt und Haugs Aquarell »Der Sekundant« rücken
Stuttgart als Kunstzentrum in die richtige Beleuchtung,
während Landschaften von Willroider und Hengeler
gewisse Richtungen neuerer Münchener Kunst wieder-
geben. Die Berliner Malerei ist diesmal nur durch
ein ausgezeichnetes Reiterporträt Franz Krügers ver-
treten, das 18. Jahrhundert durch das aus der Samm-
lung von Königswarter stammende Selbstporträt von
R. A. Mengs.

Einige plastische Werke, die teilweise schon in
der Sammlung selbst Aufstellung gefunden haben,
reihen sich an. Weniger streng stilisiert als seine
Bronzen, erfreuen August Gauls »ruhende Schafe«,
ein schon bekanntes Werk aus dem Jahre 1901,
durch die prachtvolle Behandlung des Materials
(Kalkstein) und den ganz unaufdringlichen Naturalis-
mus der Darstellung. Die Büste des Bildhauers
Drippe von Hennann Joachim Pageis erscheint wie
eine Charakterstudie von seltener Prägnanz; Georg
Kolbes »Krieger mit Genius« ist nicht mehr ganz
»up to date«, weil dieser Bildhauer seitdem eigenere
Wege eingeschlagen hat. Ein »Träumer« in Bronze
hält die Erinnerung an den im vorigen Jahre ver-
storbenen Hudler fest. Eine flächig in Serpentin ge-
schnittene Angorakatze ist ein Werk von Moritz Otto
Müller in München. C.

LITERATUR

Gustavo Frizzoni, Le Gallerte deWAcademla Carrara in
Bergamo. Con ig4llIustrazioni e 1 Intagliotipia. Bergamo,
Istituto Italiano d'Arti Orafiche, 1907. 40.

Von berufenster Seite verfaßt, liegt uns der stattliche
Band mit 72 Seiten Text und reichem Abbildungsmaterial
vor, als fünfte Lieferung der Serie »Raccolte d'Arte«. Die
drei unter einem Dach vereinigten Sammlungen Carrara,
Lochis und Morelli sind, wie bekannt, hochherzige Schen-
kungen der genannten drei Sammler an ihre Vaterstadt.
Jede der Galerien wird ihrem besonderen Charakter nach
gewürdigt. Die Sammlung Carrara, welche die Bergamasken
mit aller nur wünschbaren Vollständigkeit repräsentiert;
die Galerie Lochis mit ihrem Reichtum an kleinen Kabinetts-
stücken, und schließlich die raffiniert zusammengestellte
Galerie Morelli, welche Proben aus fast allen italienischen
Schulen vereinigt. Historisch-kritische Erörterungen werden
allen hervorragenden Werken der drei Sammlungen gewidmet.

Previtalis im Kolorit sehr feine Conversazione mit den
Bildnissen der Stifter Paolo und Agnese Casotti wird 1523
angesetzt und somit der Irrtum Tassis und des offiziellen
Kataloges berichtigt, die 1532 angeben, während Previtali
bekanntlich schon 1528 starb. Lorenzo Lottos Verlobung der
hl. Katharina, schon vom Anonimo Morelliano erwähnt, der
das Werk also wenige Jahre nach seiner Entstehung gesehen
hat, enthält das Bildnis Niccolos di Bonghi, der es bestellte.
Die erst seit wenigen Jahren ausgestellte Serie von Hand-
zeichnungen wird, soweit mir bekannt, hier zum erstenmal
im Zusammenhang gewürdigt. Das Profilbild eines Jüng-
lings (Nr. 9) schreibt Frizzoni versuchsweise dem Andrea
Solari zu, das Porträt des Herzogs Filippo Maria Visconti
(Nr. 10) dem Bernardino dei Conti. Eine Kreuzigung mit
den Figuren der Heiligen Franz und Bernhardin wird als
Studie Moronis zu einem Altarbilde in der Pfarrkirche in
Albino identifiziert.

Gaudenzio Ferraris entzückende Madonna mit segnen-
dem Kinde (Nr. 17) gehörte ehedem zu einem Altar werk
in der Kirche S. Chiara in Mailand. Von den beiden
Heiligengestalten zur Seite der Madonna ist noch eine als
Halbfigur im Collegio d'Adda in Varallo erhalten, während
die krönenden Engel in den Besitz des Principe Borromeo
übergegangen sind. Der Künstler hat das Werk in vorge-
rücktem Alter geschaffen. Die Cena in Emmaus bestimmt
Frizzoni, wie andere Kritiker, auf Vincenzo Catena (Nr. 18).
Der Katalog schreibt das Bild noch immer der Schule Giov.
Bellinis zu. Von den späten Bergamasken wird Fra Vittore
Ghislandi (il Frate da Galgario 1655—1743) als trefflicher
Porträtmaler gewürdigt. Auf andere Bilder des Meisters
in den Sammlungen Pietro Ginoulhiac und Giov. Piccinelli
in Bergamo und im Museo Poldi Pezzoli in Mailand wird
hingewiesen. Das Selbstbildnis Ghislandis mit dem Datum
1732 ist eine erstaunliche Leistung des Siebenundsiebzig-
jährigen. Das früher fälschlich dem Holbein zugeschriebene
Jünglingsbildnis (Nr. 23) weist Frizzoni unter Hinweis auf
das Porträt des Jean Carondolet im Louvre und auf einige
Blätter des Breviars Grimani dem Mabuse zu. Mantegnas
herrliches Temperabild auf Leinwand, ein Geschenk des
Conte Marenzi, steht, wie auch Kristeller meint, als Jugend-
werk der Madonna Poldi-Pezzoli nahe. Die Inschrift: »Opus
factum per Bartholomeum Vivarinum« hat schon Morelli als
Bezeichnung der Produkte der Werkstätte Bartolommeos
vermutet. Demgemäß werden 7 Tafeln und die Madonna
der Galerie Lochis der Bottega Bart. Vivarinis gegeben.
Wir erfahren, daß Morones Meisterwerke, die Bildnisse des
Ehepaares Spini (Nr. 28—29), für den bescheidenen Preis
von 6000 Lire und das der Bergamasker Dichterin Isotta
Brembati Grumelli (Nr. 38) für 1300 Lire erworben wurden.
Francesco Carottos Strage degli Innocenti, nach Vasari für
die Compagnia della Madonna in S. Bernardino zu Verona
gemalt, stammt aus der reifsten Zeit des Meisters (Nr. 30).
Die schöne Geburt der Madonna aus der Sammlung
Frizzonis, firmiert und datiert 1527, wird gleichfalls abge-
bildet (Nr. 31). Ein Predellentäfelchen desselben Meisters
mit der Anbetung der Könige in der Sammlung Lochis
(Nr. 32), für die Brüderschaft des hl. Stephan im alten Dom
zu Verona gemalt, erwähnt schon Vasari. Francesco Rizzos
firmierte und 1504 datierte, strahlend helle Verkündigung
zeigt ihn als Nachfolger des Bellini (Nr. 33). Für Girolamo
da S. Croce nahm schon Morelli die drei Täfelchen mit
Heiligenfiguren in Anspruch, die Frizzoni ihm als Jugend-
werke zuweist (Nr. 34). Für den geringen Preis von
3300 Lire wurde Lottos Bildnis einer Gräfin Grumelli er-
worben, das einzige von einst zahlreichen Bildnissen, die
Lotto in Bergamo ausgeführt hat. Drei Tafem von Lotto
(Nr. 39—41) und fünf von Ambrogio Borgognone (Nr. 42
bis 44) wurden von der Kirche S. Bartolommeo in Bergamo
erworben. Die drei Tafeln Lottos gehörten als Predellen-
stücke zu dem Hauptaltar der jetzt zerstörten Kirche
S. Stefano al Fortino; in derselben Kirche befanden sich
auch die Tafeln Borgognones. Das Mittelstück, wahrschein-
lich eine Madonna, ist verschollen. Cima da Conegliano
gilt als Autor der Madonna mit Kind und hl. Johannes
(Nr. 45). Frizzoni schlägt Martino Piazza aus Lodi vor.

Die wichtigste Erwerbung, die die Verwaltung der Galerie
in den letzten Jahren machte, ist die der Sammlung Baglioni.
Das Hauptstück derselben ist ein Spiel Tarockkarten aus der
ersten Hälfte des Quattrocento, wahrscheinlich für die Visconti
in Mailand ausgeführt. Aus der Sammlung Baglioni stammen
ferner drei Heiligenfiguren von Ambrogio Borgognone,
von denen die größte zusammen mit zwei Heiligen aus der
Sammlung Morelli einTriptychon bildete, und zwei Täfelchen
mit Darstellungen derGeißelung und Kreuzigung Christi, von
Defendente de' Ferrari. (Der Katalog gibt irrtümlich an:
 
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