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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Hevesi, Ludwig: Eine Goya-Ausstellung in Wien
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0183

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343

Nekrologe

344

dem Vorhandensein zweier anderer solcher Probeexemplare
hervor, die Hofmann kennt und die auf gleichem Papier
mit gleicher Farbe gedruckt sind, also zum Verkaufen oder
Verschenken bestimmt waren. Ooya selbst hat die De-
sastres nicht herausgegeben, geschäftlich unbekümmert,
wie er war, so daß sein Sohn, ja Enkel erst, vieles ans
Licht gab. Überdies war 1814 die Inquisition wieder ein-
geführt worden, vor der sich ein Satiriker zu hüten hatte.
Goya hatte Erfahrung darin, klagt er doch einmal, daß ihm
schon die Caprichos Scherereien beim Heiligen Amt ein-
getragen haben (»mi acusaran äla Santa«). Valerian v.Loga,
der verdienstvolle Ooyamonograph, der seither auch »Goyas
seltene Radierungen und Lithographien« (1907) heraus-
gegeben hat, rühmte seinerzeit das Exemplar der Caprichos
im Besitze des Mrs. Jay in Frankfurt a. M., das nach ihm
erste Ausgabe, nach Hofmann früherer Einzelabdruck ist
(1895 um 300 Francs in der Versteigerung Destailleurs er-
worben, mit Bücherzeichen von Paul de St.Victor); seit-
dem er das Hofmannsche Exemplar gesehen, ist er anderer
Ansicht. Auch die Caprichos und Proverbios sind in der
ersten Ausgabe von Dr. Hofmann beigestellt, die Tauro-
maquia und eine Reihe seltener Einzelblätter, sowie die
Lithographien der Toros de Bordeos aus der Sammlung
Gottfried Eisler. Dazu kommen noch 38 entzückende
Handzeichnungen, teils Kreide, teils Feder und Tusche
(darunter sogar eine Eislaufszene) aus der Sammlung Don
Aureliano Beruetes in Madrid. .

Die Ölbilder Goyas stammen aus den verschiedensten
Phasen seiner Malkunst. Die stehende ganze Figur des
Don Tadeo Bravo de Rivero (»por su am. Goya 1806«)
zeigt Gerardsches Wesen, während die graudüstere Land-
schaft und ein schwarzweiß gemischter Hund noch an
Velazquez erinnern. Dabei glüht ein echt Goyasches rotes
Auge aus der Schattenseite des Hundekopfes. Einflüssen
von außen gab sich Goya gerne hin; die Spanier, auch
Sentenach, geben es selbst zu, insbesondere war er sehr
»afrancesado«. Man sieht ja die Bekanntschaft mit Boucher,
Watteau, Greuze, den englischen Farbstichen, natürlich
auch mit Tiepolo seinen Werken deutlich an. Ich möchte
sogar darauf hinweisen, daß seine »nackte Maja« offenbar
von der ruhenden Ariadne in Tizians großem Bacchanal
des Prado angeregt ist. Die Gerardsche Art, die Tages-
größen zu konterfeien, war für ihn, der jeden neuen Mal-
trick seiner berühmten Zeitgenossen, alle »modas ex-
tranjeras« so -scharf im Auge behielt, gar nicht zu ver-
meiden. Dabei bleibt er doch der Eigene, der er ist. Ins-
besondere fällt es auf, daß die solide Schulgrundlage in
den Köpfen so vorhält. Er arbeitet sie durchaus plastisch
heraus und glättet sie sorgfältig, bis nach der Empirezeit,
wo schon französische Romantik eindringt. Das erwähnte
schwarze Offiziersbildnis könnte man neben einen Geri-
caultschen Kürassier hängen. Und dabei geht auch wieder
ein Zug nationaler Derbheit, oder provinzialer Frische,
durch sein zeitgemäßes Bildnismalen. Selbst durch das
ganz prächtige Sitzbildnis der Cean Bermudez, deren
ganzes Froufrou von Rokoko mit einer Virtuosität gegeben
ist, wie sie die Spanier etwa am >tocado« (Kopfputz)
von Goyas Nichte,der Feliciana, preisen. Und zu jeder Zeit
ist er ungewöhnlich. Selbst in der Empire-Trockenheit
eines in seiner reservierten Stimmung hochfeinen Offiziers-
bildnisses (Don Manuel de la Peüa, 1799, aus dem Besitz
des Prince de Wagram), mit Gebäuden und exerzierenden
Soldaten im Hintergrunde, wo man an Boillysche Szenen
denken könnte. Ein Meisterstück ruhiger Kraft und effekt-
meidender Wirksamkeit ist jenes Brustbild des Stierkämpfers
Romero. Der braune Teint sehr tonig von eisengrauer
Luft losgehoben, der Silberstoff der Weste von leisen Re-
flexen des roten Jackenfutters umspielt. Dann wieder

mehr dekorativ spielend ein weißblühendes Bildnis seiner
oftgemalten Königin Maria Louise, dieser Häßlichkeit, die
unter seiner Hand eine Schönheit wird, ohne etwas von
ihrem Hexentypus einzubüßen. Die Manola in weißer
Spitzenmantilla, mit den vier schwarzen Häschern, deren
einer ihr mit der Blendlaterne ins Gesicht leuchtet, ist ein
mit Ausschluß des Publikums und seines Geschmacks ge-
maltes Capricho. Abdruck einer unheimlichen Palette. Als
hätte sich in seiner vorahnenden Phantasie eine Szene bei
Blitzlicht auf den Film niedergeschlagen. Das kommt aus
derselben Quelle, wie die malerischen Schauerlichkeiten
der fünfzehn Ölfresken, mit denen er in tragisch durch-
wühlten Stimmungen seine »Quinta del Sordo« (Landhaus
des Tauben) am Manzanares ausgemalt hat. Auch der
alte, vom Leben schwer bedrängte Rembrandt ist schließ-
lich an einen solchen Punkt der Technik gelangt. Man
sehe das unvergleichliche Familienbild in Braunschweig.
Nur kam er von Glanz und Wonnen her, Goya aber von
den Schlachtfeldern um Zaragoza und aus dem Pfuhl von
Tyrannei, Laster und Aberglauben. Der Hofmaler als Rebell.

NEKROLOGE
*#* Mit Geheimrat Richard von Kaufmann, Pro-
fessor der Nationalökonomie an der Technischen Hoch-
schule in Charlottenburg, ist einer der bekanntesten deut-
schen Kunstsammler gestorben. In seiner mit feinem
Geschmack ausgestatteten Villa in der Maassenstraße in
Berlin hatte er eine gewählte Galerie besonders frühnieder-
ländischer und altdeutscher Bilder mit älteren Holzskulp-
turen und zahlreichen anderen Kunstwerken vereinigt; ein
von Max J. Friedländer im Jahre 1901 ediertes Tafelwerk der
wichtigsten Bilder wurde durch die Fülle neuer Benennungen
auch für die Wissenschaft sehr fruchtbar. Nachdem durch
einen Brand eine Reihe malerischer Schöpfungen, darunter
Memlings Triptychon der Beweinung Christi, zerstört
worden war, gelang es Kaufmanns Sammeleifer, die Be-
deutung seiner Galerie durch kluge Ankäufe noch zu
heben. Unter den Erwerbungen der letzten Jahre seien
genannt ein Ecce Homo von Hieronymus Bosch, das
Schlaraffenland von Pieter Brueghel d. Ä., schließlich die
Taufe Christi vom Kölner Meister des Thomasaltars. Durch
Ausgrabungen in Kleinasien und Ägypten machte R.
von Kaufmann sich auch um die deutsche Orientforschung
verdient. Er war lange leidend und hat nur ein Alter von
58 Jahren erreicht. Leider wird seine Sammlung, die durch
den herrlichen Aphrodite-Kopf auch bei den Archäologen
in hohem Ansehen steht, kaum in einer Hand vereinigt
bleiben.

Julius Lessing, der Begründer und Direktor des
Berliner Kunstgewerbe-Museums, hat sich seines Ruhe-
standes nicht lange erfreuen können, ein schweres chro-
nisches Leiden raffte ihn am 14. März im 65. Lebensjahre
dahin. Wir werden trachten, der Persönlichkeit des aus-
gezeichneten Gelehrten durch einen größeren Aufsatz aus
besonders berufener Feder gerecht zu werden, für heute
sollen nur die Daten seines Lebens zusammengestellt
werden. Professor Julius Lessing hat sein Amt am Kunst-
gewerbe-Museum 35 Jahre hindurch bekleidet. Am 20.
September 1843 in Stettin geboren, studierte er in Berlin
und Bonn klassische Philologie und Archäologie und promo-
vierte 1866 in Bonn. Nach längeren Reisen war er seit
1870 in Berlin als Lehrer für Geschichte des Kunstgewerbes
an der Königl. Bau- und Gewerbeakademie tätig. 1872
leitete er die Ausstellung älterer kunstgewerblicher Gegen-
stände im Zeughaus. In demselben Jahre wurde er Direktor
der Sammlung des Kunstgewerbe-Museums, das aus einer
kleinen privaten Sammlung durch seine Tätigkeit damals
ins Leben gerufen war.
 
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