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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Wolf, August: Neues aus Venedig, [2]
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Prähistorisches aus Sardinien
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0215

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Prähistorisches aus Sardinien

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Gewände und rotwallenden Lockenhaaren, in der linken
Hand den Lilienstengel haltend, die Rechte sprechend leicht
erhoben. — Die vortreffliche Erhaltung des schönen Ge-
mäldes, die Klarheit und Durchsichtigkeit der tiefen fein-
grauen Schatten, das Ehrlich-Kräftige in Penacchis Stil tritt
nirgends schöner zutage als in diesem Gemälde. — In dem
kleinen Saale des Bassano ist die störende Zwischenwand
entfernt worden, auf welcher das unangenehme Bild des
Cignaroli (1706—1772) angebracht war. Es wurde dieses
rührselige Gemälde in den Korridor verwiesen. Es stellt
den Tod der Rahel dar nach der Geburt ihres Kindes und
bildet an seiner hervorragenden Stelle das Entzücken aller
empfindsamen Seelen, obgleich das rosa Gewand der schmerz-
voll Sterbenden, das eher einer Venus auf dem Ruhebett
schmachtend zukommt, einen schreienden Gegensatz zu
dem traurigen Vorgang bildet. Das genannte Zimmer des
Bassano hat eine Bereicherung erfahren durch ein kleines
Bild des Jacopo Bassano, den armen Lazarus darstellend,
von Herrn Guggenheim der Galerie geschenkt. Das Pracht-
stück des Raumes ist jedoch das vor kurzem erworbene
Presepio. So widerwärtig auch hier die Madonna des
Bassano ist, so prachtvoll, kraftstrotzend ist das feurige,
wahrhaft strahlende Kolorit des ganzen-Bildes, aus Privat-
besitz in Rom erworben. — Ein weiterer Erwerb ist ge-
eignet, den Kennern ein Rätsel aufzugeben. Es handelt
sich um ein kleines, soeben der Galerie einverleibtes Ge-
mälde: eine Geburt Christi:, ca. 1,20m hoch, 0,85m breit.
Wir sehen in dunkelgehaltenem Räume eine Ruine, ohne
Blick ins Freie, rechts im Vordergrunde Maria ihr Neu-
geborenes anbeten, während eine ganze Schar geflügelter
Engel, zu zwei und zwei von oben kommend, in genauer
Diagonale herabstürmen. Zwei derselben, im Gegensatze
zu den übrigen in allen Schmetterlingsfarben Schillernden,
weiß gekleidet, haben sich bereits kniend vor dem Kinde
anbetend niedergelassen. Links im Bilde kniet der Stifter,
ein mit reichstem Gewände angetaner Mann, bartlos, in roter
Mütze. Der hl. Joseph weist ihn mit leidenschaftlicher Ge-
bärde auf das leuchtend am Boden liegende Kind hin.
Mit beiden ausgestreckten Armen scheint er den Knienden
ermutigen zu wollen, näher zu kommen. Ich kenne sonst
nirgends einen solchen von Feuereifer entbrannten Joseph. —
Die bunte Farbe des Ganzen, das ziegelrote Gewand der
schlecht gezeichneten Madonna, der scheinbar überall durch-
schimmernde dunkelrote Grund der Leinwand lassen es
im ersten Augenblick geradezu lächerlich erscheinen, wie
man dieses sonderbare Bild dem Lorenzo Lotto zuzuschreiben
den Mut haben könne. Doch zeigt sich bald, daß diese
Benennung doch nicht so ganz aberwitzig sein könne. Man
neigt zu der Ansicht, daß man eine barocke Kopie nach
einem Bilde des so hochinteressanten, aber einem Proteus
gleichen L. Lotto vor sich habe. — Man erinnert sich dann
jener Stelle des Vasari, wo er ein Gemälde desselben be-
schreibt, welches dem unsrigen genau entspricht, und wo
als das auffallendste das vom Christuskind ausstrahlende
und alles erhellende Licht genannt wird. Den im Vorder-
grunde Knienden bezeichnet er als Marco Loredano. —
Nach dem »anonimo des Morelli« befand sich zu dessen
Zeit bei Domenico Cornello in Bergamo ein Bild, welches
nach der Beschreibung das ebengenannte sein dürfte und
von welchem Vasari im Hause des Florentiners Tomaso da
Empoli spricht. — Über das Schicksal des Bildes ist nichts
bekannt — das eben angekaufte Bild wurde in Mailand
erworben. — Im Vordergrund des Gemäldes ist der Fuß-
boden eingestürzt. Eine Deckplatte in Renaissanceform
ragt aus der Öffnung hervor. Auf ihr befinden sich, leider
unleserliche, Schriftzüge. Wenn man bedenkt, wie barock
oft L. Lotto erscheint, wie er vor Correggio schon correg-
giesk ist, wenn man gewisse Feinheiten des Helldunkels

in unserem Bilde in Betracht zieht, so wie die vortreffliche
Ausführung einzelner Dinge, wie z. B. des Pelzkragens am
Gewände des Stifters, dessen vornehme Haltung in Ver-
bindung mit der ganzen wahrhaft verblüffenden Originalität
der Auffassung des Ganzen, so könnte trotz allem die
Taufe auf Lorenzo Lotto gerechtfertigt sein. In diesem
Falle hätte die Galeriedirektion einen guten Fang gemacht. —
Sie liegt noch immer in den Händen des Dr. Fogolari,
welcher nach Cantalamessas Berufung nach Rom die Stelle
provisorisch, aber mit Glück versieht.

Die Restaurationsarbeiten in Venedigs monumentalen
Gebäuden werden ohne Unterbrechung fortgesetzt und neue
in Angriff genommen; so in jüngster Zeit diejenige der
kleineren Kuppel der Salutekirche, welche gegenwärtig ganz
eingerüstet ist. — Der Wiederaufbau des Glockenturmes
von S. Marco nimmt erfreulichen Fortgang. Derselbe über-
ragt nun um einige Meter das Bibliotheksgebäude. Der
Papst beabsichtigt die Glocken und den krönenden Engel
zu schenken. Er scheint nicht zu wissen, daß Munaretti,
unser vortrefflicher Erzgießer, mit Herstellung der verun-
glückten Herabgestürzten seit lange beschäftigt ist. — Die
Arbeiten an den alten Prokurazien sind so gut wie beendet.
Die nördliche Ecke der Markuskirche, seit lange vollkommen
durch Gerüste verhüllt, ist neu, provisorisch gesichert, frei-
gelegt worden und möglichst sichtbar gemacht. — An den
beiden großen Kirchen S. Giov. e Paolo und Frari wird aufs
fleißigste gearbeitet. Die Jesuitenkirche, deren Decken-
wölbungsschmuck herabzustürzen drohte, ist dem Kultus
wieder übergeben.

Zu erwähnen bleibt noch, daß die Genossenschaft der
Bauhandwerker in dem ihr gehörigen prächtigen Bruder-
schaftslokale der »Scuola di S. Giov. Evangelista« eine
Ausstellung alter und neuer christlicher Kunst vorbereitet,
welche Ausstellung vom Monat Juni bis November dauern
wird und möglichenfalls interessant zu werden verspricht.

AUOUST WOLF.

prähistorisches aus sardinien.
Die Resultate einer Forschungreise nach Sardinien, um
die »Nuraghi* zu untersuchen, wurden in der letzten Sitzung
der British School at Rome von Dr. Duncan Mackenzie vor-
getragen. Der Die Hünengräber in ihrer Beziehung zu den
sardinischen Nuraghi* titulierte Vortrag sagte gemäß dem
Athenaeum vom 7. März ungefähr folgendes: Die Nuraghi,
von denen sich ungefähr 5000, viele noch in vortrefflichster
Erhaltung, auf der Insel nachweisen lassen, sind massive,
runde, turmartige Bauten im Durchmesser von ungefähr
q Meter an der Basis und gleicher Höhe. Sie sind aus
rohen, unbehauenen Steinen zusammengesetzt und laufen
daher noch nach oben stark zu. Das Innere enthält min-
destens eine Rundkammer, meistens deren zwei, oftmals
drei, die durch die allmähliche Neigung der Wände ihre
Bedachung haben; sind mehr Kammern als eine vorhanden,
so liegt eine über der anderen und die oberen werden durch
im Mauerwerk angelegte Wendeltreppen erreicht. Oft werden
solchem Bau noch Hilfsräume und Außenbefestigungen an-
gefügt, doch ist der Innenbau stets von der beschriebenen
Art. Man hat die Bestimmung der »Nuraghi« oft und ver-
schiedentlich gedeutet; sie scheinen jedoch nichts anderes
als befestigte Wohnungen gewesen zu sein. Unter allen
Umständen steht fest, daß sie in die Prähistorische Zeit
gehören. Den Fundgegenständen nach gleichzeitig mit
den Nuraghi sind die sogenannten Riesen- oder Hünen-
gräber Sardiniens. Diese bestehen aus einer einzigen
Kammer, die von 2 bis 5 und 6 Meter Länge variiert und
eine Höhe von ungefähr 1 Meter aufweist. In den meisten,
ja wahrscheinlich in allen Fällen war vor dem sogenannten
Hünengrab eine stehende Platte angebracht, die eine kleine
 
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