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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Schumann, Paul: Die Dresdener Kunstausstellung 1908
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0262

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Die Dresdner Kunstausstellung igo8

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DIE DRESDNER KUNSTAUSSTELLUNG 1908
Die Dresdner Kunstausstellungen haben sich seit
dem Jahre 1897 eine besondere Stellung im deutschen
Kunstleben zu erringen gewußt. Starke Anregungen
sind von ihr ausgegangen durch das, was und viel-
leicht noch stärkere durch die Art wie ausgestellt
wurde. Wir erinnern nur daran, daß in Dresden
zuerst wieder das Kunstgewerbe, neue Innenraumkunst
in Verbindung mit Malerei und Plastik gezeigt wurde,
wir erinnern an die große Heerschau der gesamten
modernen belgischen Plastik, an die internationalen
Bildnissäle, das erste geschlossene Auftreten der Worps-
weder, an die Sonderausstellungen von Klinger und
Hildebrand, Constantin Meunier, Rodin und Jean
Carries, an die Cranach-Ausstellung und die Meißner
Porzellan- und die Empire-Ausstellung, an die erste
retrospektive Ausstellung der Kunst des 19. Jahr-
hunderts — die Vorläuferin der großen Berliner Aus-
stellung — wir erinnern endlich an die bedeutsame
Deutsche Städte-Ausstellung und die dritte deutsche
Kunstgewerbe-Ausstellung von 1906. Das sind wahr-
lich Ruhmestitel genug, ebenso bedeutsam aber waren
die Anregungen für Ausstellungskunst, die von den
Dresdner Ausstellungen ausgingen. In Dresden hat
man zuerst mit dem einheitlichen Galerieton der Wände
gebrochen, hat man aufgehört, die Wände mit Bildern
in zwei bis drei Reihen hoch zu bepflastern, hat man
der Farbenwirkung in den Sälen zu ihrem Rechte
verholten, hat man Raumkunst angestrebt, um Ge-
mälde und Bildwerke wirksam zur Geltung zu bringen.

Auch in diesem Jahre ist die Dresdner Ausstellung
wieder mit glänzendem Geschick zusammengestellt,
die große Halle und die sonstigen Räume des Aus-
stellungspalastes treten uns in ganz neuer Gestalt ent-
gegen, man erhält einen weiten Überblick über den
Stand der deutschen Kunst und eine Reihe ihrer her-
vorragenden Vertreter. In der Anordnung der Räume
und der Kunstwerke herrscht eine so reizvolle Mannig-
faltigkeit, daß nirgends für den Beschauer eine Er-
müdung eintritt. Bei den Bildern wurde das namentlich
erreicht durch ungefähr fünfzehn Sonderausstellungen,
wozu die einzelnen Künstler besondere Räume er-
hielten, die zum Teil ihrer Eigenart gemäß eigens
ausgestattet wurden. Die Große Halle, die als. offener
Hof mit Kreuzgang behandelt wurde, der altmeister-
lich dunkelgestimmte Raum für Friedrich August von
Kaulbach, das helle blumengeschmückte Zimmer nebst
Vorzimmer, worin Kühl seine neuen Werke vorführt,
der prächtige Raum Eugen Brachts mit alten Möbeln,
dann die pikante Raumkunst des Wiener Hagenbundes,
die geschmackvollen Räume, in denen Karl Groß eine
Auswahl ausgezeichneter kunstgewerblicher Arbeiten
vorführt, dann die Räume, in denen die Sonderaus-
stellung Alt-Japan vorgeführt wird, all das gibt im
Verein mit anmutiger Verteilung plastischer Werke in
den Bildersälen und mit einigen sonstigen Neuerungen
der Ausstellungskunst ein überaus erfreuliches Gesamt-
bild. Dieses Äußere der Ausstellung hat diesmal im
Verein mit Gotthardt Kühl der Dresdner Stadtbaurat
Hans Erl wein geschaffen; abgesehen von einigen Sälen,
die etwas dunkel geraten sind, ist es ihm ausgezeichnet

gelungen, Räume zu gestalten, die an sich architek-
tonisch in mannigfaltiger Weise interessant wirken und
andererseits die ausgestellten Kunstwerke trefflich zur
Geltung bringen.

Im Umfange hält die Dresdner Ausstellung die
richtige Mitte zwischen der kleinen Berliner Sezessions-
ausstellung und den zu großen Berliner und Münchener
Gemäldeansammlungen, die stets so ermüdend wirken,
und wenn ihr auch eigentliche Schlager fehlen, so
bietet sie doch als Ganzes eine Fülle echt künstle-
rischer Anregungen, so daß man sich ihr mit Genuß
und Gewinn hingeben kann. Ein paar Bilder von
Hodler und Beckmann haben den königlichen Protektor
der Ausstellung zu einem viel erörterten harten Urteil
über diese veranlaßt, wozu nur zu bemerken ist, daß
der König keineswegs die Äußerung getan hat, er
müsse sich's überlegen, ob er künftig das Protektorat
wieder übernehmen könne. Im übrigen hat die Hänge-
kommission diesem Urteil insofern recht gegeben,
als sie das ganz verfehlt in Augenhöhe aufgehängte
Hodlersche Friesbild »Die Liebe« in die angemessene
Höhe versetzt hat, wo die Perspektive richtiger wirkt
und man die abschreckende Häßlichkeit der drei
nackten Paare nicht mehr aus nächster Nähe zu ge-
nießen braucht. Das Bild »Drama« aber von dem
Berliner Beckmann — eine Kreuzigung Christi mit
lauter nackten Zuschauern — ist eine so abschreckende
Geschmacklosigkeit, daß man nur wünschen kann,
es wäre samt allen übrigen Bildern in dem Sale, wo
es hängt, der Ausstellung fern geblieben. Dieser Saal
birgt zwei Dutzend mehr oder minder verunglückte
Nachahmungen der Kunst van Goghs. Sind diese
Nachahmungen etwa besser als andere Nachahmungen,
weil sie der impressionistischen Richtung angehören?
Oder sollen diese lächerlichen Gebilde sezessionistischer
Kunst nur als Folie für Max Liebermanns reife Kunst
dienen? Dieser hat allerdings gleich nebenan eine
so ausgezeichnete Auswahl seiner Gemälde, daß man
sie nur mit freudiger Bewunderung betrachten kann.

Neben jenen Neuimpressionisten, denen van Gogh
den Sinn verwirrt hat, wirkt Liebermann gleich einem
Klassiker. Daneben wirken Wilhelm Trübners große
Reiterbildnisse, deren wohl ein halbes Dutzend vor-
handen sind, merkwürdig hart und uninteressant.
Dagegen behauptet sich die ernste, ehrliche Kunst
des Grafen Leopold von Kalchreuth, besonders seine
schlichten, eindringlichen Bildnisse, in voller Kraft.
Auch der Berliner Slevogt, obwohl ganz anders ge-
artet, wirkt interessant und bedeutend besonders durch
seine Bildnisse — namentlich das eines Herrn im
Autopelz; das in Dresden schon bekannte große Ge-
mälde »Ritter mit Frauen« brauchte man nicht nochmals,
wenigstens nicht an so exponierter Stelle zu zeigen.
Ungetrübten Genuß geben dagegen die Sonderaus-
stellungen von Ludwig von Hof mann, Robert Sterl,
Carl Bantzer, Wilhelm Ritter, Emanuel Hegenbarth
und Georg Wrba. Ludwig von riofmann hat zwei
Dutzend seiner poesiedurchtränkten Pastelle ausgestellt,
darunter die Entwürfe zu den Friesen im Foyer des
Weimarer Hoftheaters und eine Anzahl köstlicher Land-
schaften aus Unteritalien und Griechenland. Gotthardt
 
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