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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Wulff, Oskar: Die Kunstgeschichte auf dem internationalen Kongress für historische Wissenschaften (Berlin 1908)
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0304

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585

Wettbewerbe

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nicht mehr unmittelbar verstehen, wieder völlig lebendig
gemacht. Wie Runges Wollen ganz aus der Geistes-
gemeinschaft mit einem Tieck, Novalis, Steffens und den
übrigen Romantikern herauswächst, und damit der
innere Zusammenhang künstlerischen Schaffens mit
der gesamten Denkrichtung der Zeit, wurde hier mit
seltener Fähigkeit der Seelendurchdringung klar ge-
legt. Die Bedeutung der geistigen Persönlichkeit
Runges, der großartigen, zielbewußten Energie seines
Strebens und die besondere Veranlagung der Psyche
des Malers entschleierte sich dem liebevoll jede
Lebensäußerung beobachtenden Forscherblick. Wenn
wir auf die frühesten, noch den Geist der Plafond-
dekoration des Rokoko atmenden Entwürfe schwebender
Engelknaben im Wolkenduft zurückblicken, erkennen
wir, wie in wenigen Jahren sich innerhalb der In-
dividualität der Umschwung zur neuen Auffassung im
Sinne des strengen Formgefühls der Antike voll-
zogen hat. Die mystische Idee der Allegorie der
»Tageszeiten« wird früh zum beherrschenden Haupt-
gedanken des Künstlers. Unter der Anregung eines
Titelkupfers der Theosophie Jakob Böhmes nimmt
er das Motiv der Lichtlilie auf. Sein zartes, jeden
lebendigen Formwert nachfühlendes Naturempfinden,
das in den von seiner Hand geschnittenen Blumen-
silhouetten den nächsten Ausdruck sucht, führt zu
den Vorstellungen von den Blumengeistern hin.
Und während sich die Kompositionen in fast geome-
trisch durchstilisierten Linienharmonieen allmählich
entwickeln, erobert die ebenso mächtige malerische
Anschauungsweise in den gleichzeitigen Porträts des
Künstlers mit der Geliebten und dem treuen Bruder
Daniel (1804), der Hülsenbeckschen Kinder und seiner
Eltern (1806), jedes Werk nur wie einen neuen
Schritt zum Ziele vollendend, die freiere Herrschaft
über die Bildfläche und erreicht zuletzt jene innige Ver-
schmelzung klarster Formenanschauung mit den von
Runge auch theoretisch ergründeten Lichtwerten der
Farbe, die wir in dem letzten Entwurf zum »Morgen«
(t 808) bewundern, — dem inmitten großblättriger Sumpf-
pflanzen vor fernen Baumgruppen einer echten Elb-
landschaft daliegenden und zum Licht, von dem es
überstrahlt wird, aufschauenden Kinde.

Diese nach allen Seiten durchdachte, den Inhalt
einer Künstlerseele voll ausschöpfende Betrachtung
war ein schöner, zur Vertiefung kunstwissenschaft-
licher Analyse spornender Abschluß der Arbeiten der
Sektion. Daß sich die letzteren ganz im Banne der
Kunstgeschichte gehalten haben, war im Rahmen eines
historischen Kongresses kaum anders zu erwarten.
Mit um so größerem Bedauern hatte man schon zeitig
auf den in Aussicht gestellten allgemeinen Vortrag
F. Wickhoffs über »die Einteilung der Kunstgeschichte
in Hauptperioden« verzichten müssen. Für die neuere
ästhetisch - psychologische Richtung der Kunstwissen-
schaft behält eine solche freilich nur noch die Be-
deutung des äußeren Schemas, da es bis zu einer
Periodisierung der Kunstentwickelung im Sinne der
auf dem Kongreß von K. Lamprecht entwickelten
universellen Geschichtsauffassung noch gute Weile
hat. Die »genetische Reihe« ist zunächst auch für

die Kunstgeschichte die gegebene Kategorie zur wissen-
schaftlichen Systematisierung der geschichtlichen Pro-
zesse. Es bleibt zu wünschen, daß auf dem nächst-
jährigen internationalen Kunsthistorikerkongreß Prin-
zipienfragen und »Grundbegriffe der Kunstwissen-
schaft« einen breiteren Raum in der Erörterung ein-
nehmen möchten, wenn auch, wie H. Wölfflin in
seinen Schlußworten dankend anerkannte, die ver-
schiedenartige Behandlungsweise der Themata in Berlin
zu einem fruchtbaren Austausch methodischer Er-
kenntnisse geführt hat. Doch dieses kritische Nach-
wort sollte nur Rechenschaft darüber geben, wie die
kunstgeschichtliche Sektion des historischen Kongresses
ihrer Aufgabe gerecht geworden ist. O. WULFF.

WETTBEWERBE
Ein Riesenwettbewerb steht für die nächsten Wochen
bevor, es ist das Preisausschreiben »Groß-Berlin«, auf das
wir schon früher hinwiesen. Nachdem die beteiligten Ge-
meinden die Kosten in Höhe von 165000 Mark gezeichnet
haben und die Vorarbeiten unter Leitung des Regierungs-
baumeisters Emanuel Heymann und des Geh. Baurats
Otto March vom Architekten-Ausschuß »Groß-Berlin« ihrer
Vollendung entgegengehen, werden die Einzelheiten des
Wettbewerbs voraussichtlich im Oktober bekannt gemacht
werden. Die Jury besteht aus 15 Mitgliedern unter Vor-
sitz des Berliner Oberbürgermeisters Kirschner.

Ein Bebauungswettbewerb der Stadt Eisenach,
der das etwa 42 Hektar große Johannistal umfaßt, wird
von der Stadt bis zum 1. Dezember dieses Jahres aus-
geschrieben. Drei Preise von 2500, 1200 und 600 Mark, An-
kauf zweier Entwürfe zu je 250 Mark. Daß die geplante
Erweiterung des Stadtbildes nach künstlerischen Gesichts-
punkten erfolgen wird, dafür bürgen die Namen der Preis-
richter: Prof. Goecke-Berlin, Prof. Schultze-Naumburg und
Gartenbaudirektor Bertram-Dresden.

Künstlerprotest. Eine Anzahl Dresdener und ein
Leipziger Künstler haben einen Protest gegen die Ent-
scheidung in den Wettbewerben für die Denkmäler des
Königs Georg und Schillers in Dresden veröffentlicht. Der
erste Preis und die Ausführung wurde im ersten Falle dem
Bildhauer Prof. Wrba in Verbindung mit dem Stadtbaurat
Erlwein zugesprochen, im zweiten Falle hat der Denkmal-
ausschuß den Entwurf des Bildhauers Döhler und des
Architekten Hirschmann gewählt. Gegen die formelle
Korrektheit des Urteils der Preisrichter und der Denkmal-
ausschüsse wissen die Protestierenden nichts vorzubringen.
Was sie ausführen, sind nur Geschmacksgründe. Ja Wrbas
Entwurf bezeichnen sie ehrlicherweise sogar als das Werk
eines fertigen Künstlers. Das dürfte wohl genügen, um
den Wahrspruch des Preisgerichts und des Denkmalaus-
schusses völlig zu rechtfertigen. Anders beim Schiller-
denkmal: »Die Schiller-Skizze charakterisiert sich auf den
ersten Blick als die Arbeit eines Anfängers«. Das ist gewiß
richtig, in dem feierlichen, gebundenen Stil aber, den der
gewählte Entwurf zeigt, kann sicherlich nur ein fertiger
Künstler etwas Bedeutendes und Einwandfreies schaffen.
Deshalb hat auch der Denkmalausschuß beschlossen, für
die Ausführung des Entwurfs eine Überwachungskommission
einzusetzen. Die Protestierenden haben aber sicherlich
wiederum recht, wenn sie sagen, daß diese die Möglichkeit
einer künstlerischen Schöpfung von vornherein ausschlösse.
Das mißglückte Dresdener Ludwig Richter-Denkmal, das
ebenfalls unter der Aufsicht einer solchen Überwachungs-
kommission entstand, zeigt deutlich, wohin ein so unkünst-
lerisches Verfahren führt. Wir sind also einig mit den
 
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