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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XX. Jahrgang 1908/1909 Nr. 2. 16. Oktober.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

LITE RAT URNUMMER

Alois Riegl, Die Entstehung der Barockkunst in Rom.
Akademische Vorlesungen. Herausgegeben von Arthur
Burda und Max Dvorak. Wien 1908. Anton Schroll & Cie.
Wir, die wir nicht das Glück hatten, die geistvollen,
von allen Seiten als besonders interessant geschilderten
Vorlesungen des zu früh verstorbenen Riegl zu hören,
danken es den Herausgebern besonders, daß sie hier die
Vorlesungen über die italienische Barockkunst nach des
Lehrers eigenem Hefte publizieren. Das Thema hat, wie in
der Einleitung über Literatur ausführlich berichtet wird,
eine ganze Reihe von Kunsthistorikern beschäftigt. Aber
während die älteren, an der Spitze Burckhardt, sich dem
Barockstil gegenüber zurückhaltend, wenn nicht negativ
verhalten haben, suchen die jüngeren wie Wölfflin und
eben auch Riegl einzulenken, und das Wesen, die barocken
Eigenarten des Stiles zu begreifen, aus der Entwickelung
heraus zu erklären. Während nun die Renaissancenatur
Wölfflins mehr das Andersartige des Barocks gegenüber
der Renaissanceharmonie herausgreift und denselben als
Verfall auffaßt — Massigkeit und Bewegung sind die
Schlagworte seiner klassischen Sprache — greift Riegl die
Notwendigkeit des Barockstiles und seine Überleitung zur
Moderne heraus. Nachdem er die Quellen Vasari, Gio-
vanni Baglione, Giovan Pietro Bellori, des letzteren
Theorie von der idea und der Malerei als Darstellung der
umana agione, G. B. Passeri, Baldinucci, den Biographen
Berninis, der ja leider selbst im Buche nicht mehr be-
handelt, sondern für eine lokale Handlung reserviert ist,
besprochen, geht er zu der Entstehungsgeschichte des
Barockstiles über. Michelangelo und Correggio sind ihm in
gleicher Weise die Urheber des Barocks. Die Ausgleichs-
tendenz der Renaissance, die in Raffael ihren Höhepunkt
hatte, wird in ihnen überwunden. Menschlich siegt in
ihnen die Empfindung über den starken Willen, künst-
lerisch die optische Gesamtwirkung, die Aufnahme des
malerischen Tiefraumes über die taktische Gliederung,
plastische Klarheit. »Die Empfindung emanzipiert sich,
tritt in Kampf mit dem Willen.« Zu gleicher Zeit zeigt
sich die Emanzipation des Tiefraumes. »Tiefraum und
Empfindung sind Parallelerscheinungen, gewissermaßen
zwei verschiedene Seiten ein und desselben Wesens, eine
Psyche und Physis.« Der Barockstil bedeutet den ersten
Schritt zum modernen Subjektivismus. Das konstatiert er
bei Correggio ebenso wie bei Michelangelo. Auf Seite 55
wäre mit dem Übergang zu Michelangelos architektonischen
Leistungen im Profanbau wohl am besten ein neuer Ab-
schnitt gemacht worden. Geht da doch der Autor bis auf
das antike Profanhaus zurück. Hof und Fassade er-
scheinen ihm die Grundelemente des Profanhauses, von

denen nur das erstere in der Antike entwickelt ist, während
gerade in der Entwickelung der Fassade die Bedeutung
des Barockstiles liegt, etwas was Michelangelo an den
kapitolinischen Bauten klar zeigt. Der Kirchenbau zeigt
ähnliche Entwickelung. Bramante-Raffael und auch da die
Höhepunkte des Renaissanceausgleiches mit der flächen-
mäßigen Koordination, während Michelangelo die ent-
schlossene räumliche Subordination, den Massengedanken
und den der optischen Einheit bringt. »Der Barockstil ist
erst Raumstil, nicht die Renaissance.« »Die Langhaus-
kirche der Gegenreformation ist keine Basilika mehr,
sondern ein einziger gewaltiger Saal, begleitet von seitlichen
Kapellen.« Und auch dafür hat Michelangelo in S. Maria
degli Angeli das Beispiel gegeben.

Dann geht Riegl zu einer ausführlichen Entwickelung
der Baukunst in der Gegenreformation über, nach Bra-
mante zwei Strömungen unterscheidend: 1) die spezifisch
römisch-barocke des Michelangelo und 2) die Spätrenais-
sance, die hauptsächlich in Oberitalien mit Andrea Palladio
als Hauptvertreter blüht. Aus ersterer entwickelt sich der
Barockstil, 1550—90 zunächst nur in der Architektur tätig,
dann 1590—1630 eine Lockerung zeigend und unter Ber-
ninis Führung schließlich zur Malerei übergehend. Er
unterscheidet drei Generationen in der Entwickelung der
Architektur: die erste bis 1570 zunächst vom tiefsten Re-
spekt vor der Antike erfüllt, dann jedoch unter Michel-
angelos Einfluß geratend mit Vignola, einem Bolognesen als
Hauptvertreter, die zweite bis 1590 streng römisch durch
Giacomo della Porta repräsentiert, die dritte unter Zu-
strömung von Lombarden eine Auflockerung zeigend mit
Domenico Fontana und Carlo Maderna als Hauptvertretern.
Die Hauptleistungen liegen zunächst in der Entwickelung
des inneren Kirchenraumes als etwas Ganzem mit erhöhter
Steigerung des Raumeindruckes. Mit Porta gelangt dann
die Fassade zur Entwickelung mit Verstärkung der Aus-
denksmittel zu schwerer Massigkeit und gesteigerter Be-
wegung der Teile. In Maderna-Berninis St. Peter-Fassade
steigert sich die Subordination der Teile zum Äußersten:
die Fassade ist in eine feste Beziehung zur Umgebung
gebracht und eingeordnet in ein malerisches Gesamtbild.

Dann geht Riegl weniger glänzend zur Skulptur und
Malerei über. Beide sind zunächst in der antimateria-
listischen Zeit der Gegenreformation anfechtbar, bis sie
von Oberitalien her allmählich eine Neubelebung erhalten.
Auf die Entwickelung der Plastik in das eigentliche Barock
hinein wird nicht weiter eingegangen, da Bernini, dem
Hauptmeister, eine gesonderte Behandlung vorbehalten ist.
Die Malerei, ihre Entwickelung aus dem Manierismus zum
Eklektizismus der Caracci und Naturalismus der Cara-
 
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