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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Das Ende der Nationalgalerie-Krisis
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0057

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XX. Jahrgang 1908/1909 Nr. 7. 27. November.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur -Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der -Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

DAS ENDE DER NATIONALGALERIE-KRISIS
In ihrer Abendausgabe vom 19. November ließ
die offiziöse »Norddeutsche Allgem. Zeitung« die auf-
horchende deutsche Kunstwelt wissen: Die Nachricht,
daß der Direktor der Nationalgalerie Geheimer Re-
gierungsrat Dr. von Tschudi aus seiner Stellung scheide,
»sei falsch«; Herr von Tschudi werde vielmehr nach
Ablauf seines Urlaubs »auf seinen Posten zurück-
kehren«. Die erfreuliche Kunde ist allenthalben mit
lebhafter Genugtuung aufgenommen worden; denn
zweifellos bedeutet sie nichts Geringeres als die end-
gültige günstige Lösung der seit dreiviertel Jahren
schwebenden Krisis, die in ganz Deutschland wie im
Auslande, und weit über die Grenzen der engeren
Kunstwelt hinaus, peinliches Aufsehen erregt hat. Die
Tatsache, daß dieser glückliche Abschluß des Kon-
flikts unmittelbar nach der historischen Unterredung
zwischen Kaiser Wilhelm II. und dem Reichskanzler
Fürsten Bülow am 17. November bekannt gegeben
wurde, gibt ihm eine besondere Bedeutung. Gewiß
darf nicht übersehen werden, daß man sich seit dem
Beginn der Schwierigkeiten im März dieses Jahres
an den amtlichen Stellen nach Kräften bemüht hat,
die Kluft zu überbrücken und eine Basis für die
Rückkehr Tschudis in sein Amt zu schaffen, und
man wird der staatlichen Kunstverwaltung für die
stille Energie, mit der sie die endliche Erreichung
dieses Ziels anstrebte, aufrichtigen Dank wissen. Aber
es steht doch auch fest, daß bis vor wenigen Wochen
die Hoffnungen auf Erfolg sehr geringe waren, ja
schließlich völlig aufgegeben wurden, daß wiederholte
Äußerungen von maßgebender Stelle keinen Zweifel
mehr an Tschudis Kaltstellung gestatteten, und daß
bereits ein ganz bestimmter Nachfolger in Aussicht
genommen war. Wenn sich nun gerade jetzt in der
bedeutungsvollen Angelegenheit plötzlich doch die
Wendung vollzog, die man ersehnte, ohne noch an
ihre Möglichkeit zu glauben, so liegt die Auffassung
nahe, daß sie in einem gewissen Zusammenhang mit
den Ereignissen in der inneren Politik des Reiches
steht, die seit Wochen die Öffentlichkeit beschäftigt
und erregt haben. Nur ganz nebenbei und ohne
besondere Betonung sind bei der Erörterung dieser
Ereignisse in der Presse und im Parlament auch die
Kunstangelegenheiten gestreift worden, obschon sie
hei den Fragen, die hier zur Debatte standen, an

bescheidenerem Platze eine doch nicht unwichtige
Rolle hätten beanspruchen dürfen. Darüber indessen
wird nur eine Stimme sein, daß man bei den Hoff-
nungen, die der 17. November erweckte, nicht zu-
letzt auch an die Kunst gedacht hat, die gewiß zu-
nächst zurückzustehen hat, wenn es sich um Lebens-
interessen des Staatsorganismus handelt, deren Be-
deutung für die kulturelle Entwicklung des Volkes
aber, sobald der Blick sich wieder den Einzelheiten
des nationalen Lebens zuwendet, doch wohl nicht
leicht überschätzt werden kann. Auch die deutsche
Kunstwelt hätte eine zwanzigjährige Rechnung zu
präsentieren, und wenn jetzt die ernstliche Forderung
ausgesprochen wird, daß Eingriffe in die Staats-
verwaltung auf Grund persönlicher Neigungen . und
Abneigungen künftig unterbleiben möchten, so wird
man diese Wünsche nachdrücklich auch auf das
Kunstressort beziehen. Vielleicht darf man den jetzigen
Ausgang der Affäre Tschudi als ein erstes Zeichen
kommender freundlicherer Zeiten betrachten, als eine
erste Kundgebung des redlichen Willens, den dauern-
den Konflikten ein Ende zu machen, die das deutsche
Kunstleben seit Jahr und Tag mit Mißtrauen und
Unbehagen erfüllt haben. Niemand wird sich nun
gleich einem allzu vertrauensseligen Optimismus hin-
geben und die Hände befriedigt in den Schoß legen.
Das könnte nur zu neuen schweren Enttäuschungen
führen. Wie in der großen Politik wird auch auf
diesem Spezialgebiet helläugige Wachsamkeit die erste
Voraussetzung nachhaltiger Erfolge sein. Aber es sei
auch nicht verkannt, daß endlich einmal den Wünschen
der Allgemeinheit Rechnung getragen wurde, und daß
darum hier ein männliches Wort des Dankes wohl am
Platze ist. Inwiefern dieser Entschluß der ent-
scheidenden Stelle weitere Konsequenzen mit sich
bringen wird, muß die Zukunft lehren. Vorläufig
begrüßen wir es mit Befriedigung, daß die Leitung
des modernen Berliner Museums den bewährten
Händen anvertraut bleibt, die in einer Arbeit von
zwölf Jahren dieses Staatsinstitut zu hoher, vom Inland
und Ausland bewunderter Blüte gebracht haben.

PERSONALIEN
Dem trefflichen Leipziger Graphiker Bruno Heroux
und dem ebenfalls in Leipzig wirkenden, durch seine deko-
rativen Stickereien bekannten Maler Fritz Rentsch ist der
Professortitel verliehen worden.
 
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