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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Florentiner Brief, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0089

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XX. Jahrgang 1908/1909 Nr. 11. 1. Januar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

FLORENTINER BRIEF

Die letzten Monate haben im großen und ganzen
den Florentiner Sammlungen geringe Veränderungen
und kaum nennenswerte Vermehrungen gebracht; doch
bemerkt, wer in ihnen zu Hause ist, an einzelnen
Kleinigkeiten, daß die Leitenden nicht müßig gewesen
sind, zu verbessern.

In den Uffizien war man bestrebt, der alten »Maler-
sammlung« neue Selbstbildnisse zuzuführen. Darunter
ist Romanino durch ein ganz spätes Porträt nicht
glücklich vertreten, wenn anders es wirklich von ihm
selbst herrührt (was auf einen tiefen Fall des in seinen
guten Jahren glänzenden Malers schließen lassen würde).
Das Bild, das Frizzoni in die Literatur eingeführt hat
(s. Bollettino d'Arte 1908, Heft VI, S. 216), ist
jedenfalls durch gleichzeitige Aufschrift als Abbild
seiner Züge gesichert. Es folgen der Zeit nach ein
brillanter Neapolitaner Francesco de Mura und der
brave Kupetzky. Dann hält eine ganze Schar von
Künstlern des neunzehnten Jahrhunderts mit ihren
Selbstporträts Einzug in die Uffizien: Italiener, Eng-
länder, Deutsche (Stuck), Schweden usw., unter denen
Holman Hunt durch vordringliche Buntheit und
Bompiani durch geschmackvolle Farben und be-
scheidenes Format auffallen. Aber blickt man in
dieser Versammlung umher und denkt an die bereits
vorhandenen Bildnisse, etwa Parmegianino, Rubens,
Velazquez, Rembrandt als Repräsentanten, so fragt
man sich nicht ohne leises Grauen: soll das die Ver-
tretung der Malerei unseres Jahrhunderts sein? —

Für die Sammlung der Zeichnungen wurde ein
Blatt von Tizian, den Herzog Francesco Maria von
Urbino in ganzer Figur darstellend, erworben. Es
ist durch die Reproduktion der Sammlung Morellis,
dem es gehört hat, längst wohlbekannt.

Die Zurückstellung dreier Bilder von Bronzino
an den Signoriepalast machte eine teilweise Neu-
ordnung des Baroccio-Saales notwendig. Man hat hier
in die Mitte der einen Hauptwand die unerfreuliche
Caritas von Francesco Salviati gebracht, welche die
Panciatichibildnisse von Bronzino (aus der Tribuna)
flankieren, an die sich dann andere Porträts desselben
anschließen, unterbrochen von der Madonna des Pon-
tormo. So hat man diese Gruppe hier geschlossen bei
einander. Aber der Tribuna tat man keinen Ge-
fallen, indem man zwei der repräsentativsten Porträts

von dort entfernte. Nun mußte auch hier geschoben
und umgehängt werden, und das ist nur an einer
Wand gut ausgefallen. Hier hängt unter Tizians Venus
Julius II., eingefaßt von dem Bildnis des Ev. Scappi
von Francia und der Elisabetta Gonzaga. Unerfreulich
wirkt die korrespondierende Wand drüben, wo Dürers
Anbetung und van Dycks Bildnis Montforts das Porträt
von Perugino in die Mitte nehmen, über dem noch
der kleine Luini eingeklemmt ist. —

In der Akademie hat man eine Umstellung vor-
genommen , die ich für besonders glücklich halte,
indem man als Gegenstück zur großen Anbetung
der Könige von Gentile da Fabriano Ghirlandajos
Altarbild der Sassettikapelle bestimmte, dessen ge-
dämpfte Farben die wunderbare Harmonie jenes anderen
Werkes nicht stören. Die durch vollständige Über-
malung unerträglich gewordene Kreuzabnahme Fra
Angelicos ist von diesem Platz entfernt und dorthin
gebracht worden, wo früher der Ghirlandajo stand.
Dann hat man im Saal des Drei - Erzengel - Bildes in
angemessene Höhe das Santa Croce-Altarbild von
Filippo Lippi gebracht, und darunter die dazugehörige
Predelle von Pesellino aufgestellt, durch Kopien der
beiden in Paris verbliebenen Täfelchen vervollständigt.
An Stelle des frühen Fra Bartolommeo in diesem selben
Saal ist der große Credi getreten; jener in den Nachbar-
raum an den Platz von Peruginos »Christus im Ölberg«
gekommen, der über seinem Gegenstück Platz gefunden
hat. Endlich hat man den eindrucksvollen Kruzifixus
Signorellis von seiner Höhe herabgenommen und ini
Saal des »Frühlings« in normaler Weise aufgestellt.

Die »Sekundär-Galerie« in San Marco bereicherte
sich durch ein nicht unerfreuliches florentinisches Altar-
bild — Kruzifixus mit vier Heiligen und Stifter — vom
Ausgange des 15. Jahrhunderts, bei dem alle künst-
lerischen Richtungen der Arnostadt Pate gestanden
haben, aus Camoggiano im Mugello stammend. Es
ist im Raum des Abendmahls von Ghirlandajo unter-
gebracht. Die gleiche Provenienz hat ein ärmlicher
Taufbrunnen, sechseckig, weiß glasiert, mit Szenen aus
dem Leben des Täufers (die Taufe Christi fehlt). Das
Hauptstück aber, das zu dieser Sammlung hinzukam,
ist »La Piagnona«, die alte Glocke von San Marco,
gestiftet von Cosimo de' Medici, ausgezeichnet durch
einen Fries tanzender Putten und zwei Medaillons.
Prachtvoll patiniert, stehen diese lebensvollen figür-
 
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