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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Münsterberg, Oskar: Ausstellung chinesischer Gemälde in der Königl. Akademie der Künste zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0107

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igj Ausstellung chinesischer Gemälde in Berlin ig8

hinzugefügt (Saal III, Nr. 74, 78, 93, 95 und
Saal I, Nr. 13 usw.).

Die Bilder zerfallen gleichsam in mehrere Teile,
die auseinander geschnitten einzelne Bilder darstellen
können. Dagegen in dem Zusammentönen der bunten
Farben bilden sie ein so einheitliches, fein abge-
stimmtes Mosaik, daß wir schon in die mittelalter-
liche Zeit unserer Kunst zurückgehen müssen, um
ähnliches zu finden. Der bunte Fasan auf dem
lapislazulifarbigen Felsen zwischen weißen, rosa und
roten Magnolien, Päonien und Kamelien (Saal VIII,
Nr. 202) bildet einen derartig schönen Farbenakkord.

In bezug auf Linienführung, Größe der Kompo-
sition und Beobachtung der Bewegung dürfte der
mächtige Adler (leider ist die Luft über ihm weg-
geschnitten, so daß er zu sehr oben am Rande klebt)
mit dem unter ihm kletternden Bären ein Meisterwerk
von großer Kraft sein (Saal V, Nr. 131).

Die Landschaften sind an dem hohen Aufbau über-
einanderals BilderderMing- und Mandschuzeit(seit 1644)
erkenntlich. Es sind stets mehrere Bilder zusammen-
gefügt, die meist im alten Kunstgriff der Wolken-
schichten miteinander verbunden sind. Sehr hübsch
ist die Miniaturzeichnung auf einem Prozessionsbilde
(Saal VIII, Nr. 208), aber noch feiner die mit Tem-
peln belebte Felslandschaft (Saal VIII, Nr. 210).

Dem Stile der letzten Jahrhunderte entsprechend
sind am zahlreichsten und besten die Genrebilder
vertreten. Wie prächtig ist z. B. die Linienführung
des Liebespaares unter Weiden. Wie stolz zurück-
gelehnt schreitet der Mann dahin, während die Frau
ihre Hingebung durch eine leicht vornübergeneigte,
gleichsam demütige Haltung bekundet. Dem weichen
Flusse der Gewandlinien steht ein gerader Fußboden
gegenüber, während von oben die Baumzweige herab-
hängen.

An einem Frauenporträt (Saal VIII, Nr. 190) rieselt
ein zweiteiliger, leicht übermalter Shawl wie fließendes
Wasser am Kleide herab, während die Götterfiguren
in alter Tradition (wie bei uns auf romanischen Mo-
saiken) durch flatternde Bänder (Saal III, Nr. 88 u. 76)
als Himmelsbewohner bezeichnet sind.

Den Höhepunkt der ganzen Ausstellung bildet
für mich eine Genreszene am Fluß (Saal V, Nr. 143).
Die Frauengestalten besonders mit den zarten Ge-
wändern sind in so ausdrucksvoller, eleganter Linien-
führung gezeichnet, daß unter Weglassung der Köpfe
und Hände, allein aus dem Wurf der lose hängenden
Kleider, Charakter und Bewegung jeder einzelnen
Person genau erkannt werden kann. Jede Figur steht
einzeln wie bei den frühen Italienern und dennoch
sind sie in Farbe, Linie und Inhalt zusammengehörig.
Offenbar war das Bild größer, so daß wir nur einen
Ausschnitt vor uns haben, an dem die Abrundung
der Gesamtkomposition nicht zu erkennen ist. Aber
selbst dieses Torso ist ein Meisterwerk der Mingzeit,
wie ich es bisher weder in Europa noch Amerika
kennen gelernt hatte.

Bei diesem Bilde möchte ich noch einige weitere
Punkte erörtern, die zur Beurteilung von Chinabildern
wichtig sind.

In dem Katalog sind die Bilder häufig datiert.
Bei den Bildern nach 1700 scheint mir das Datum
häufig zu stimmen, soweit überhaupt eine Nachprüfung
nach unserer heutigen Kenntnis der Stile möglich ist.
Es ist diese Richtigkeit auch durchaus wahrscheinlich,
da naturgemäß Bilder aus den Friedenszeiten der
letzten Jahrhunderte zahlreich und zu erschwingbaren
Preisen am Markte sind. Dagegen sind die älteren
Datierungen durchaus zweifelhaft.

Signaturen besagen gar nichts, da sie häufig so-
wohl von modernen Händlern als auch schon vor
Jahrhunderten — nach dem klagenden Zeugnis chine-
sischer Schriftsteller — gefälscht worden sind. Das
oben erwähnte Genrebild (Saal V, No. 143) ist der
Yuan-Epoche (1360—1368) zugeschrieben, während
die auf ihm gemalte Blau-Weiß-Porzellanvase die Ent-
stehung vor dem Anfang des 15. Jahrhunderts der
Erfindung der durchsichtigen Glasur ausschließt. Die
Benutzung der Trinkgeschirre ausLungchüan (Seladon)
Steingut und daneben die Darstellung der einzelnen
Blumenvase aus weiß-blau Porzellan scheint die Ent-
stehung der Malerei in jener Zeit vermuten zu lassen,
als das Porzellan neu erfunden, aber noch nicht all-
gemeine Anwendung neben dem glasierten Steingut
zum täglichen Gebrauch gefunden hatte, also viel-
leicht in der Mitte des 15. Jahrhunderts.

Noch schwieriger ist die Frage, ob das Bild ein
Original, eine Kopie, eine Repetition oder ein Stil-
bild ist. Leicht ist es, genau wie bei der europäischen
Kunst, am kleinlichen, zitternden Strich und kleinlichen
Absätzen, an der Vernachlässigung des An- und Ab-
schwellens der Linien und der Unsicherheit der Zeich-
nung besonders bei den Gesichtern die schlechte
Kopie zu erkennen. Schwerer, fast unmöglich da-
gegen, wenn gute Künstler derartige Wiederholungen
und Kopien ausgeführt haben. Dieses ist aber in
China durchaus üblich und wurde von guten Künstlern
mit besonderem Stolz betrieben. Bei dem Mangel aller
Vervielfältigungsverfahren waren gerade wie in Italien
viele hundert Künstler aller Grade Jahrhunderte lang
tätig, um berühmte Bilder für die Sammlungen von
Liebhabern zu kopieren.

Andererseits wurden Bilder massenweise hergestellt
z. B. der Kaiser Huitsung im 11. Jahrhundert hatte
eine ganze Akademie eingerichtet, in der ausschließ-
lich Bilder mit weißen Falken hergestellt sein sollen,
die ähnlich wie heute Orden an Beamte verliehen
wurden.

Ich glaube daher, daß es vorläufig besser ist, vom
Stil eines Bildes zu sprechen, als Namen und Daten
anzugeben, mit denen wir außerdem wenig anfangen
können.

Schließlich ist der Zustand der Bilder ein delikater
Punkt. Gut erhaltene chinesische Bilder, die älter als
1650 sind, dürften für Europäer zu erschwinglichen
Preisen überhaupt nicht am Markte sein. Es ist
bei den zarten Wasserfarben, dem empfindlichen
Seidenstoff und der Sitte des Aufrollens eine Not-
wendigkeit, daß die Farbe abblättert und verblaßt.
Andererseits entsteht eine Patina, die ich auf neuen,
meist grellen Bildern entbehre. Daher sind sämt-
 
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