Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

DOI Artikel:
Schleinitz, Otto von: Londoner Brief
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0129

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XX. Jahrgang 1908/1909 Nr. 16. 19. Februar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende. Kunst« und zum »Kunstgewei bebiait« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

LONDONER BRIEF
Drei große Monumentalbauten Londons: Das im
Volksmunde noch immer »South Kensirigton Museum«,
statt offiziell »Victoria und Albert Museum« genannte
Gebäude, dann die katholische Kathedrale in West-
minster und endlich das »Oratorium«, die Kirche
der betreffenden Ordensgemeinschaft, gehen der Voll-
endung ihres inneren Ausbaues entgegen. Ebenso
wie kürzlich in Deutschland die geplante Neubesetzung
der Direktorstelle der Nationalgalerie allgemein das
größte Befremden hervorrief, fast in gleicher Weise
geschah es in England. Ich bin erstaunt gewesen,
in wie verhältnismäßig weit verbreiteten Kreisen hier-
selbst unser Berliner Museum als Musterinstitut an-
gesehen wurde. Das Verbleiben des bisherigen
Leiters desselben hat sicherlich in Deutschland
die gleiche einmütige Befriedigung von Publikum
und Sachverständigen erzeugt, wie in London die
Wahl Mr. Cecil Smiths zum leitenden Direktor des
South Kensington-Museums. Der Genannte ist in
der Museumsverwaltung groß geworden und bekleidete
zuletzt im British Museum den Posten als Direktor
der antiken graeco-römischen Abteilung. Die ihm
unterstehenden acht Departements erhalten als Vor-
steher je einen ersten Spezialsachverständigen. Die
Klassifikation nach Ländern und Perioden ist auf-
gegeben und nachstehende Einteilung angenommen
worden: 1. Architektur und Skulptur; 2. Metallarbeiten;
3. Holzmöbel und Lederarbeiten; 4. Textilbranche;
5. Keramiken, Email und Glas; 6. Malerei; 7. Die
Bibliothek; 8. Kupferstiche, Illustrationen und Ent-
würfe.

Vom praktischen Standpunkt aus ist das Museum
fertig und die Aufstellung der Objekte wird in kürzester
Frist beginnen, so daß eine der schönsten, größten
und bedeutendsten Sammlungen der Welt nunmehr
ein würdiges Unterkommen findet. Selbst diejenigen,
die mit dem Inhalt der Kollektionen vollständig ver-
traut zu sein glauben, werden nach der Aufstellung
dennoch hinsichtlich der wahren Bedeutung derselben
überrascht bleiben. Das Institut, das vor 50 Jahren
von dem Prinzen Albert zu dem Zweck gegründet
worden war, um dem Kunsthandwerker in seiner
Ausbildung behilflich zu sein und um den Geschmack
des Publikums zu heben, erreichte aus mangelhaften
Organisationseinrichtungen das ins Auge gefaßte Ziel

nur sehr unvollkommen. Das Chaotische und Un-
zusammenhängende herrschte hier vor und besonders
schädlich wirkte der Umstand, daß nicht nur keine
verbindende Fühlung und Koordination mit den
übrigen Museen des Landes angestrebt wurde, sondern
im Gegenteil das South Kensington - Museum den
letzteren Konkurrenz bereitete. Mr. Cecil Smith wird
in nicht hoch genug anzuerkennender Weise das In-
stitut von allen Sammlungen befreien, die eigentlich
hier nicht hergehören, so Bilder, Miniaturen, Skizzen,
Antiquitäten und dergleichen mehr. Letztere sollen
bezüglich dem British Museum, der National Gallery
und der Täte Gallery überwiesen werden. In sehr
lobenswerter Absicht waren dem Museum eine Reihe
von Vermächtnissen zugegangen, die einerseits gar
keine Beziehungen zu dem Charakter des Instituts
besaßen, andererseits ihrer Minderwertigkeit wegen,
vom Kunststandpunkt aus betrachtet, hätten abgelehnt
werden müssen.

Sir Aston Webb, der Erbauer des Museums, hat
den Behörden zuliebe, um nämlich einige Quadrat-
meter mehr Raum zu gewinnen, seinerzeit leider
darin eingewilligt, die Symmetrie der Bauflucht zu
opfern und statt einer geraden Frontlinie eine das
Auge schwer verletzende winklige geschaffen. Zu
ebener Erde, in der Zentralwest- und Südwestgalerie
finden die Stein- und Marmorwerke Unterkunft. In
der Ost- und Westgalerie Original-Architekturwerke.
Die erste Etage ist hauptsächlich für die Aufbewahrung
der Erzeugnisse aus der Textilbranche ausersehen,
während die zweite Etage in einer Länge von 1000 Fuß
zur Unterbringung der keramischen Gegenstände dienen
soll. Außer mehreren Seitenflügeln und Lichthöfen
enthält das Museum auch eine große Rotunde für
Leihausstellungen. Endlich ist noch hervorzuheben,
daß das bisher mit dem Museum in Verbindung
stehende Kunstschulwesen von diesem gänzlich ab-
getrennt wird. —

Wenn auch nicht so durchgreifende Veränderungen
wie soeben geschildert, so doch immerhin von Belang,
vollziehen sich in der prachtvollen Wallace Collection.
Hauptsächlich handelt es sich um Neubenennungen
von Bildern, revidierten Katalog und Umhängungen.
Es scheint, als ob die niederländische Schule im
engsten Anschluß an Dr. Hofstede de Groots »Cata-
logue Raisonne« geordnet wurde, allein die wichtigsten
 
Annotationen