Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

DOI Artikel:
Schleinitz, Otto von: Londoner Brief
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0131

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
245

Nekrologe

246

den Versuch gemacht, sich durch den Verkauf von
Aktstudien, gezeichneten einzelnen Körperteilen, Armen,
Rumpf oder Beinen, das Interesse des Publikums zu
gewinnen, oder dergleichen noch mehr wie bisher
zur Modesache zu erheben. Sie vergaßen die Tat-
sache, daß die großen alten Meister in dieser Hinsicht
zu Lebzeiten nicht für Connoisseurs und Sammler
tätig waren, sondern einzig und allein den Zweck im
Auge hatten, eine wirkliche Unterlage für ein bestimmtes
und auch auszuführendes Gemälde zu schaffen. Millais,
Watts, Burne-Jones und von modernen Künstlern
unter anderen Sargent, haben niemals eine Studie
oder Skizze veräußert.

Eine vollkommen berechtigte Ausstellung von
Handzeichnungen war dagegen die von Miß Dorothea
Landan in der neu hergerichteten Baillie Gallery,
Bruton Street 13. In selbständiger Manier, aber im
Anklang an die besten Meister der Renaissance, hat
dieselbe eine erhebliche Anzahl in bezug auf Aus-
führung, Ähnlichkeit und innerer Wahrhaftigkeit wohl-
gelungener Porträts von bekannten Persönlichkeiten
geschaffen. Von letzteren nenne ich: Professor A. Le-
gros, Professor Lanteri, den Bildhauer, den Grafen
von Carlisle, Mitglied des Verwaltungsrats im British
Museum, Sir Walter Colvin, Lady Richmond, die
Gattin des Malers, Hall Caine, K. M. Hahn, Dr.
Rendel, W. M. Haffkine, Miß Josephine Streatfield,
den verstorbenen Maler W. Callow, E. R. Hughes,
unter dem die Künstlerin einige Zeit studierte, Miß
C. Schönfeld und Maurice Dreyfous. Außerdem waren
einige ausgezeichnete Lithographien zur Stelle. Binnen
kurzem wird die Künstlerin in Berlin ausstellen, so
daß auch dort die Gelegenheit geboten sein wird, sich
mit einem aufstrebenden Talent bekannt zu machen.

Wenn wir die Treppe hinaufsteigen zu dem schönen
Saal im Pall Mall, woselbst die »Royal Water Colour
Society« ihre Jahresausstellung abhält, so wissen wir
in der Hauptsache ziemlich genau, was wir zu er-
warten haben. Wir werden zwar niemals gerade
enttäuscht, aber auch nicht sonderlich überrascht werden.
Thema und Ausführung wiederholen sich nicht nur
wie in früheren Jahren, sondern es bleibt die Kunst,
wie sie schon Ruskin vor 30 Jahren beschrieb. Von
dem soeben genannten und kürzlich 96 Jahre alt
verstorbenen Maler Callow waren einige recht gute
Landschaften vorhanden, ebenso war der Präsident der
Gesellschaft Sir Ernest Waterlow, E. R. Hughes mit
einem sehr hübschen Bilde »The Lady of Belmont«,
ein Sujet aus dem »Kaufmann von Venedig« dar-
stellend, und Sargent bemerkenswert vertreten. Die
Aquarellmalerei spielt in England eine weit größere
Rolle wie bei uns, und zwar deshalb, weil sie seit
der Mitte des vorigen Jahrhunderts sich von der Öl-
malerei vollständig unabhängig gemacht hat, anderer-
seits Meister wie Cozens, Girtin, Sandby, Peter de
Wint, David Cox, Cotman, Constable und vor allem
Turner sich dieses nassen Farbenelements mit Vorteil
bedienten.

So fanden wir z. B. in der New Gallery, wo-
selbst die »Society of Portrait Painters« ausstellt, sehr
anziehende von Rossetti hergestellte Aquarellporträts

des Dichters Robert Browning und des Poeten Swin-
burne. Im übrigen aber dominierte Sargent hier mit
dem Porträt eines jungen Mädchens. Eine Ausstellung
von 140 Porträts bleibt unter allen Umständen etwas
monoton. Abwechslung und Leben wurde allerdings
durch Furses Bildnis von Chamberlain, ein interessantes
Selbstporträt von Blanche, Laverys Bildnis von Mrs.
von Meister und durch Shannons leichtes und graziöses
Bild von Mrs. Lawrence Binyon hervorgerufen. Ein
Maler wie Roberts, der es versteht, so angenehme
und sympathische Damenporträts wie die der Herzogin
von Wtstminster, Mrs. Corwallis West und der Gräfin
von Warwick herzustellen, ist sicher, daß es ihm an
ferneren Aufträgen nicht fehlen wird. Die letztge-
nannte Dame ist in gewissem Sinne eine Nachfolgerin
von William Morris: Sie predigt im Zobelpelz vom
Automobil aus Sozialismus. Von Privatausstellungen
will ich wenigstens die des Professors Rudolph Hell-
wag nicht unerwähnt lassen, der einerseits Landschaften
im Stil der alten Meister wie Crome und Turner
anfertigt, andererseits in ganz selbständiger Manier
sehr gelungene englische Küstenszenerien darstellt.

Unter den neu erschienenen Katalogen hebe ich
den von Mr. Sidney Cockerell verfaßten hervor, der
über die im »Burlington Fine Arts Club« (die ex-
klusivste Kunstvereinigung Englands) stattgehabte Aus-
stellung illuminierter Manuskripte handelt und wegen
seines hohen wissenschaftlichen Inhalts dauernden
Wert behalten wird. Der Autor ist der ehemalige
Direktor der »Keimscott Press«, der Freund und Be-
rater von W. Morris. Der andere Katalog ist der
vom British Museum herausgegebene über die
dortige Kupferstichsammlung. In letzter Zeit hat
das Institut durch Schenkung, so namentlich durch
den anglisierten Deutschen Sir John Brunner, eine
Kollektion seltener keramischer Gefäße aus der »Hall-
statt-Periode« erhalten. Ebenso wird das Museum
binnen kurzem in den Besitz der berühmten »Green-
well-Bronzen« gelangen. Diese Sammlung von Gerät-
schaften aus der frühesten Bronzeepoche ist vielleicht
die wertvollste und vollständigste, die es überhaupt
gibt. O. v. SCHLEINITZ.

NEKROLOGE

X Am 20. Januar starb in Berlin im jugendlichen Alter
von 26 Jahren der Kunstschriftsteller Konrad Müller-
Kaboth an einer Blutvergiftung. Er galt als eine Hoffnung
des kunstkritischen Nachwuchses, und mit Trauer werden
die deutschen Kunstfreunde die Kunde von dem jähen
Tode aufnehmen, der hier einem blühenden jungen Leben
so früh ein Ende machte. Müller-Kaboth war von Düssel-
dorf, wo er kurze Zeit Dramaturg am Schauspielhause ge-
wesen war, vor etwa drei Jahren nach Berlin gekommen
und war hier damals bei den Vorbereitungen der Jahr-
hundertausstellung als Sekretär tätig. Er hat dann, von
Meier-Qräfe und Karl Scheffler gefördert, eine sehr frucht-
bare Tätigkeit entfaltet. Seine Aufsätze in Hardens »Zu-
kunft«, in der »Neuen Rundschau«, in »Kunst und Künstler«
und an anderen Stellen lenkten bald die Aufmerksamkeit
auf sein großes Talent, ästhetische Dinge mit feinem Ge-
fühl, mit Urteil und Geschmack zu behandeln.

Der Maler und Radierer Joseph Knight starb am
2. Januar in Bryn Glas bei Conway in Wales. Er war am
 
Annotationen