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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Aus dem alten und dem neuen Düsseldorf
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0145

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XX. Jahrgang 1908/1909 Nr. 18. 5. März.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Qewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

AUS DEM ALTEN UND NEUEN DÜSSELDORF
»Alt-Düsseldorf im Bild, eine Sammlung von nieder-
rheinischer Heimatkunst«*) nennt sich ein so schlicht
wie geschmackvoll ausgestatteter Band, den Josef Klee-
sattel, ein Sohn des bekannten Düsseldorfer Architekten,
herausgegeben hat. In mehr als hundert Abbildungen
führt er uns vor, was er auf Spaziergängen durch
die Altstadt mit Hilfe des photographischen Apparats
für Mit- und Nachwelt erbeutet hat. Es ist über-
raschend viel. Kleesattel hat sich nicht an malerischen
Fassaden und Höfen genügen lassen, nicht an Einzel-
aufnahmen von künstlerisch wertvollen Türen, Balkon-
gittern usw. — in manchem von außen unscheinbaren
Hause fand er Treppenanlagen, Stuckdecken, Saal-
dekorationen von teils intimer, teils festlicher Schön-
heit. Sein Entdeckungseifer reißt den Leser mit.
Wie vielen Düsseldorfern mag die Sammlung erst die
Augen für diese Art bester »Heimatkunst« geöffnet
haben? Wir am Rhein haben eine eigentümliche
Respektlosigkeit vor den Schöpfungen profaner Bau-
kunst, die nach der Renaissance entstanden sind. Daß
die Bauwerke noch »um 1800« künstlerisch eigen-
artige und im Niveau den heutigen unbedingt über-
legene Schöpfungen sind, zu dieser Anschauung haben
sich trotz allen Anstrengungen unserer tätigen Denk-
malpflege erst die wenigsten durchgerungen. Neben
dem Rokoko verdankt gerade dem Klassizismus
Düsseldorf einige der wertvollsten Bauten. Man sehe
den ganz prachtvollen strenggegliederten Mittelbau
des Präsidialgebäudes in der Mühlenstraße (Tafel 34)
und wird es nicht begreifen können, daß diesem
still-vornehmen Musterbeispiel einer sachlichen Bau-
weise die Spitzhacke droht! Sehr geschickt sind die
Aufnahmen des Schlosses Jägerhof und der berühmten
Holzschnitzereien im Giebelfeld seines Marstalls; Klee-
sattel gibt die Ansicht des Schlosses vom Garten aus
ohne die äußeren Flügelbauten, Zutaten des 19. Jahr-
hunderts. Die gar nicht prunkvolle, aber in ihren Ab-
messungen und der Dekoration so vielsagende Schön-
heit des Mittelrisalits kommt erst so recht zur Geltung.
Da nach den neuesten Nachrichten die Stadt Düssel-
dorf die Absicht hat, den Jägerhof käuflich zu erwerben,
darf die diesem Bau drohende Gefahr als beseitigt
angesehen werden. Obschon es Kleesattel, der selbst

1) Düsseldorf, Schmitz und Olbertz, 1909. Mit einer
Einleitung von 12 Seiten.

Architekt ist, glückte, manchen »altvergrabenen Schatz«
aufzufinden, soll hier nicht von der kunsthistorischen
Bedeutung seines Bilderbuches —• ein solches ist es im
besten Sinne — die Rede sein. »Kunsterziehung«,
dieser viel mißbrauchte Begriff, kann gar nicht besser
inauguriert werden, als indem man von heimischer,
und nicht nur von kirchlicher, Architektur ausgeht!
Bücher, wie das Kleesattelsche, können auch aus diesem
Grunde nicht warm genug empfohlen werden — und
nirgendwo möchten wir es lieber sehen als in den
rheinischen Schülerbibliotheken.

Die zweite Veröffentlichung führt in das allerneueste
Düsseldorf, in das unakademische, dessen Mittelpunkt
bis vor kurzem Peter Behrens war. Die Künstler-
vereinigung »Ring« hat das zweite Heft2) ihrer Mit-
teilungen Rudolf Bosselt gewidmet, der wie Behrens
von Darmstadt ausgegangen ist und noch jetzt an der
Düsseldorfer Kunstgewerbeschule wirkt. (»Noch jetzt«-
Kenner der rheinischen Verhältnisse begreifen diese
Skepsis.) Medaillen, Plaketten, Reliefs und Münzen
sind auf 32 Seiten des höchst eigenartig ausgestatteten
Quartheftes in sauberen Lichtdrucken auf japani-
sierendem weichem Papier sehr wirkungsvoll abge-
bildet — der schwarze Trauerrand freilich ist ein
typographisches Novum, mit dem nicht jeder sich
befreunden wird. Bosselt ist auf seinem Gebiete so
stark, daß zu seinem Ruhm nichts mehr gesagt zu
werden braucht; wenige Bildner Deutschlands haben
ein so sicheres Stilgefühl bei so genauer Kenntnis
des Technischen und der aus dem Material heraus-
zuholenden Wirkungsmöglichkeiten. Daß er auch
ein geschickter Schriftsteller ist, wird den meisten neu
sein. Die Ausführungen über »die Kunst der Medaille
(der Stand der Medaillenkunst in Deutschland)« bringen
trotz Lichtwark viel Neues, Anregendes und Gutge-
sagtes. Und doch möchte ich dem nur sechs Seiten
langen, bescheiden an den Schluß gestellten Essay von
Dr. Wilhelm Niemeyer über »Rudolf Bosselts Metall-
relief« den Vorzug geben. Niemeyer, der gleichfalls,
als Dozent, an der Düsseldorfer Kunstgewerbeschule
wirkt, tritt nur selten an die Öffentlichkeit; die Art,
wie er seine Gedankengänge stilistisch formuliert, hat
etwas Sprödes, zugleich Verhaltenes und Entfesseltes;

2) Geschäftsstelle der Vereinigung»Ring«-Schrif tleitung:
Christian Bayer, Düsseldorf. Oedruckt bei Duwaer und
van Oinkel, Amsterdam. 62 Seiten. Mk. 3.—.
 
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