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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Neues aus holländischen Museen und Sammlungen
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0172

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327

Nekrologe

328

befindlichen Interieur mit zwei kleinen Figuren und
Gemüsestilleben ansehen dürfen, wohl aber als ein
ganz vorzügliches Werk des seinem Lehrer häufig
sehr nahe kommenden Schülers Jurriaan van Streeck.
Der war bisher im Museum Boymans überhaupt noch
nicht vertreten. Für Herrn van Gelder, der mit dem
Bilde dem Museum einen Kalf schenken wollte,
braucht diese Umtaufe durchaus keine Herabsetzung
in der Bewertung seiner Gabe als solcher zu sein.
Die Museumsdirektion wie das kunstverständige Mu-
seumspublikum werden den Wert derselben gewiß
nicht vom kommerziellen, sondern vom ideellen Stand-
punkt aus einzuschätzen wissen, denn das Gemälde ist
ohne Frage ein hervorragendes Kunstwerk. Bedenken
an der Zuschreibung an Willem Kalf drängen sich einem
beim aufmerksamen Betrachten bald auf — es liegt in
der ganzen Stimmung etwas anderes, die Farben
leuchten nicht so transparent, der Gegensatz zwischen
Zitronengelb und blau-weißem Porzellan fehlt (da
die chinesische Vase grünlichen Pflanzendekor hat).
Der Beschauer — der zunächst auf Grund der An-
gabe des Schildchens auf dem Rahmen einem Kalf
gegenüber zu stehen vermeint und deshalb einen
auf diesen berechneten Maßstab anlegt — beginnt
in seinem Urteil mehr und mehr schwankend zu
werden. Und beim Vergleichen des Bildes mit an-
deren gesicherten Gemälden von Kalf und auch von
van Streeck ist das Endresultat, daß er sich für den
letzteren entscheiden zu müssen glaubt. Dann erfreut
er sich aber — ohne kritische Nebengedanken —
statt an der Schönheit eines doch nicht ganz be-
friedigenden Kalf an der besonders guten Qualität
eines /. van Streeck.

Der Name Decker, der auf dem Rahmen des
kleinen Bildes mit einem bei der Arbeit befindlichen
Weber in seiner Werkstatt zu lesen ist, läßt uns
an eine kunsthistorische Frage rühren, die bisher
noch einer endgültigen Antwort harrt. Es gibt eine
ganze Reihe von derartigen Weberinterieurs, die teils
C. Decker, teils einem J. Decker, teils einem F. Decker
zugeschrieben werden. Das bekannteste darunter ist
das im Brüsseler Museum befindliche Stück »Le
repos du tisserand«, das nach einer alten Tradition
von C. Decker (Interieur und Beiwerk) und von A.
v. Ostade (Figuren), nach Hofstede de Groot, dem
sich der Katalog von 1906 anschloß, aber ganz von
Ostade gemalt sein soll. Von der Zuweisung solcher
Bilder an Cornelis, den bekannten Haarlemer Land-
schaftsmaler, kam man jedoch immer mehr ab und
neigte eher zu der Ansicht, daß diese Bilder von einem
J. Decker seien, indem man sich an ein so bezeich-
netes und auch datiertes Schmiedeinterieur im Vorrat
des Kaiser Friedrich-Museums in Berlin hielt, und auch
die F. Decker genannten Stücke mit ähnlichen Darstel-
lungen diesem J. Decker zuzuteilen pflegte. Unser Bild
in Rotterdam hat nun ein Monogramm C D, wodurch
die so gut wie schon abgetane Autorschaft Gornelis
Deckers für solche Werkstattinterieurs mit einem Male
wieder etwas an Möglichkeit gewinnt. Dazu kommt
noch ein anderes Bild, ebenfalls eine Weberwerkstatt mit
Figuren, das vor nicht allzulanger Zeit erst im Rijks-

museum ausgestellt wurde (gehört zu der Leihgabe
Hoogendijk von 1907) und das die deutlich lesbare
Signatur G. Decker 1659 trägt. Nur wollen diese
beiden Bilder wieder unter sich stilistisch nicht so
ganz zusammenpassen, insbesondere die Figuren und
auch der Ton. Dort in Amsterdam ist er warmgelb-
sonnig mit ausgebildetem Halbdunkel in dem mit
reichem Beiwerk ausgestatteten Raum, hier in Rotter-
dam herrscht ein ziemlich kühler Ton vor, und
das Beiwerk ist nicht so reichhaltig und auch nicht
so malerisch angeordnet wie dort. Jedenfalls ist durch
diese beiden Bilder — das Amsterdamer schrieb
man früher auch dem J. Decker zu — die Frage,
welcher oder welche Decker haben als Maler solcher
Handwerkerinterieurs zu gelten, wieder etwas kom-
plizierter geworden. Ohne ein umfangreiches Photo-
graphienmaterial nach allen in Betracht kommenden
Bildern, auch von Malern wie Oudenrogge, Sal. Rom-
bouts und anderen, die solche Interieurs malten, kann
ein Versuch der Lösung dieser Frage nicht unter-
nommen werden. K F.

NEKROLOGE

Im Alter von 72 Jahren verstarb in Bonn Herr Karl
Roettgen, dessen umfangreiche und gewählte Sammlung
von Möbeln und Holzskulpturen, vorzugsweise der rheini-
schen Gotik, in Fachkreisen sich mit Recht des größten
Ruhmes erfreute.

In Brüssel ist im Alter von 88 Jahren Henriette
Ronner gestorben. Die große Popularität ihrer Kunst
verdankt sie neben ihren künstlerischen Gaben vor allem
der Wahl ihres Sujets; sie malte fast ausschließlich Katzen
in allen nur denkbaren Stellungen und Haltungen. In den
Jahrgängen 1904 und 1905 der »Meister der Farbe« sind
zwei ihrer Hauptbilder reproduziert. Henriette Ronner
war am 31. Mai 1821 in Amsterdam geboren. Sie stammte
aus einer Malerfamilie und genoß den ersten Unterricht
mit Beginn des 11. Lebensjahres durch ihren erblindeten
Vater, der ihr aus Prinzip keinen Lehrer geben wollte,
sondern ihr anhaltende Arbeit und Studium nach der Natur
empfahl. Die Natur ist dann auch in Wirklichkeit ihre
einzige Lehrmeisterin gewesen. In stets abwechselnder
Form und in tausenderlei Bewegungen hat sie ihre Lieb-
lingstiere im Bilde festgehalten.

X In Berlin starb am 18. März plötzlich am Herz-
schlage der Leiter der bekannten Baufirma Boswau
& Knauer, Hermann Knauer, im Alter von 37 Jahren.
Er war die Seele der umfangreichen Unternehmungen, die
von seiner Firma im letzten Jahrzehnt ins Leben gerufen
und durchgeführt wurden. In Berlin entstanden unter
seiner Oberleitung in der jüngsten Zeit eine ganze Reihe
großer Bauten, wie das Neue Schauspielhaus am Nollen-
dorfplatz, das Hotel Esplanade, das Hotel Excelsior und
der Neubau der Darmstädter Bank, bei weitem das beste
Architekturwerk des Riesengeschäfts, das sonst oft in be-
denklichen Fassaden schwelgte. Aber nicht nur in Berlin,
in ganz Deutschland war Knauer tätig (namentlich zahl-
reiche Bankgebäude in Städten des Rheinlands und West-
falens stammten aus den Ateliers der Firma), auch in
Amerika hat er zahlreiche Arbeiten ausgeführt.

August Geigenberger, der durch seine einen grotes-
ken Humor atmenden Zeichnungen in der »Jugend« wei-
teren Kreisen bekannt geworden ist, ist am 5. März im
33. Lebensjahre gestorben. Er war am 16. Juni 1875 zu
Wasserburg am Inn geboren.
 
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