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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Hermanin, Federico: Die Neuordnung der vatikanischen Pinakothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0177

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XX. Jahrgang 1908/1909 Nr. 21. 9. April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

DIE NEUORDNUNG DER VATIKANISCHEN
PINAKOTHEK.

Wer die langen, halbdunklen Treppen im Ge-
dächtnis hat, die man steigen mußte, um bis zur
Vatikanischen Pinakothek zu gelangen, und die schmuck-
losen, schlechtbeleuchteten Räume, in welchen die
Bilder aufgestellt waren, den wird die Nachricht, daß
die vatikanische Bildersammlung in ihrer neuen Form
nunmehr zu den bestgeordnetsten und elegantesten
Italiens gehört, nicht wenig überraschen. Im Vor-
raum der Pinakothek begrüßt den Besucher die leben-
dige, fein durchbildete Büste, welche Seeboeck von
Seiner Heiligkeit Pius X. in Matmor gehauen hat, und
dieses Werk ist wirklich nicht das obligate Konterfei
Pontificis munificentissimi, welcher die Kosten der
Neuordnung getragen hat, sondern das lebendige Bild-
nis des kunstliebenden Mannes, welcher als gütig-
lächelnder Genius loci über den Kunstschätzen wacht.

Die Bilder der vatikanischen Sammlungen, welche
seit ihrer Rückkehr aus der französischen Ver-
bannung in Paris keine passende Herberge gefunden
hatten und von einem unwürdigen Ort der aposto-
lischen Paläste in einen noch unwürdigeren ge-
wandert waren, um zuletzt in den Dachkammern neben
der dritten Loggia am Cortile di San Damasco zu
enden, haben endlich die ihnen angemessene schöne
Aufstellung erlangt. Zu ihnen hat man nicht nur
die Malereien der Lateranischen Sammlung gesellt,
sondern auch viele bekannte und unbekannte Bilder,
die man aus den verschiedensten Teilen des Vatikans
zusammengesucht hat. Um die Pinakothek einzu-
richten, ist unter den mancherlei Räumen die Wahl auf
die großen gewölbten Hallen gefallen, welche gegen
Westen hin den großen Cortile di Belvedere ab-
schließen und der Eingang dazu befindet sich wohl
zweihundert Schritte vor dem der Skulpturensamm-
lungen. An Oberlicht konnte man natürlich an dem
Ort nicht denken und mußte sich mit großen, weiten
Seitenfenstern begnügen, welche eine Menge Licht
hereinlassen, das man durch kunstreiche Vorrichtungen
je nach Bedarf regeln kann. Die sieben Säle, welche
in einer Flucht rechts und links vom Eintrittssaal
liegen, haben feinverzierte weiße Tonnengewölbe und
dunkelgrüne Stofftapeten an den Wänden. Braune
feingeschnitzte Holzsockel vervollständigen die ein-
heitliche, ernste, würdige Dekoration und zum ruhigen

Genuß der herrlichen Kunstwerke laden bequeme
Divans und im Winter wärmespendende Apparate
modernster Art ein.

Um den schönen, würdigen Raum zu schaffen,
haben tüchtige Männer einträchtig zusammen gearbeitet:
Monsignor Laigi Misciatelli, sottoprefetto dei Palazzi
Apostolici, von dem man sich viel Gutes für die vati-
kanischen Kunstsammlungen versprechen kann, und
Ludwig Seitz, der vor kurzem verstorbene Direktor
der Vatikanischen Galerie. Als wissenschaftlicher Be-
rater hatte Seitz dann den jungen Kunsthistoriker Dr.
Pietro d'Achiardi aus Venturis Schule herangezogen,
und der Anordnung sieht man es an, daß ein ge-
schulter, moderner Kunstgelehrter sich darum bemüht
hat, denn wenn es auch nicht immer möglich ge-
wesen ist, die chronologische Folge streng durchzu-
führen und die verschiedenen Kunstschulen von ein-
ander klar zu scheiden, so liegt das einzig und allein
an der Art der Sammlung und Wahl und Form der
Ausstellungsräume. Sicher zeigt sich die Güte der
Anordnung gleich dadurch, daß man von den meisten
Bildern sagen kann, man bekäme sie jetzt zum
ersten Male gut zu sehen. Vor allem gilt das von
Melozzos herrlichem Fresko aus der Bibliothek Sixtus IV.
Wie meisterhaft großartig erscheinen jetzt Komposition,
Zeichnung und Farbe im vollen Lichte und jetzt erst
kann man die feinen Schönheiten des Meisterwerkes,
welches bis vor kurzem im Dunkeln zwischen zwei
Fenstern wie vergessen gestanden hat, ganz und gar
würdigen, so daß man schon allein wegen dieser
Wiederbelebung für die Neuordnung der Pinakothek
dankbar sein müßte. Aber andere Schätze erscheinen
sozusagen erst jetzt im Tageslicht und das sind die
kostbaren kleinen Bilder, welche in den engen Glas-
schränken des Museo Christiano eingesperrt waren
und die man nur mit größter Mühe notdürftig zu
sehen bekam. Diese einzige Sammlung primitiver
Werke füllt das ganze erste Zimmer und einen Teil
des zweiten. Mit viel Geschick sind die großen Wände,
auf welchen die kleinen Bilder sonst unorganisch ge-
wirkt haben würden, durch dunkle hölzerne Rahmen
in kleinere Flächen geteilt und jede Einrahmung ent-
hält eine Anzahl Bilder. Der sienesischen Gruppe,
worunter der schöne Christus von Simone Martini
prangt und die verschiedenes von Taddeo di Bartolo
enthält und aus Lorenzettis Schule, folgen die Schüler
 
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