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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Hermanin, Federico: Die Neuordnung der vatikanischen Pinakothek
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Alfred Messel
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0178

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339

Alfred Messel f

340

und Nachahmer Giottos: Giovanni da Milano, Gio-
vanni del Biondo und ein von d'Achiardi entdecktes
als Opus des Johannes Bonsi bezeichnetes Werk. Zwei
besondere Gruppen bilden die Malereien der Art des
Lorenzo Monaco und einige schöne byzantinische
Tafeln aus verschiedenen Zeiten.

Diesen älteren Meistern schließen sich im zweiten
Saale einige spätere toskanische Primitive an,, worunter
man Angelicos Predella, die dem Masolino zuge-
schriebene Tafel bemerkt und kleine Werke sienesischer
Quattrocentomaler, wie Sana di Pietro, Giovanni di
Paolo und Sasseita. Daselbst thront in der Mitte
Melozzos Bibliothekbild und daneben erscheinen die
fleißigen Malereien seines Schülers Palmezzano noch
steifer und lebloser als sonst. Der Saal enthält noch
Fra Filippo Lippis Krönung Mariä, das Tabernakel
des Benozzo Gozzoli, die Predella von Francesco del
Cossa, den hl. Hieronymus von Leonardo und Morettos
Madonna mit Heiligen.

Einheitlicher und harmonischer ist der dritte Saal,
wo die Werke der Maler aus Umbrien und den
Marken gesammelt worden sind. Auf der einen Wand
die Erzeugnisse der Schule von Fabriano; die kleinen
Tafeln von Allegretto Nazzi, von Francescuccio Ghissi
und von Schülern Gentiles. Gleich daneben eine be-
zeichnete Madonna von Francesco di Gentile. Die
Tafeln von Pinturicchio, Pemgino, Spagna, Niccolo
Alunno und Cola dell'Amatrice vervollständigen diesen
Saal, wo man nur zu beklagen hat, daß ein einziger
Maler wegen der allzu hohen Lage nicht zur Geltung
kommt: Antoniazzo Romano, dessen Madonna degli
Uditori diRota man mit größtem Interesse aus nächster
Nähe betrachtet haben würde und dem als Römer
in einer römischen Galerie ein besserer Platz zu-
gekommen wäre.

Den Werken Raffaels ist der vierte Saal gewidmet
und um die Transfiguration, die Krönung Mariä und
die Madonna di Foligno, scharen sich die Werke
seines Vaters, seines Lehrers und seiner besten Schüler;
ein einzig herrliches Ganzes, bei welchem man mit
voller Überzeugung sagen kann, daß die Neuordner
den ganzen Wert der Werke erfaßt und es verstanden
haben, ihn zu höchster Geltung zu bringen. Bis ins
Feinste hinein ist alles durchdacht und im Anordnen
hat man auf die Beziehung der einzelnen Bilder und
auf die gegenseitige Wirkung geachtet. Die köstliche
frühe Predella mit Verkündigung, Anbetung und Dar-
stellung und die andere mit Glaube, Liebe und Hoff-
nung haben auch endlich ihren Platz neben den
größeren Bildern des Meisters gefunden. Es ist, als
ob man von einem Banne erlöst wäre, wenn man
jetzt so ruhig die hohen Werke bewundern und sich
so ganz in sie vertiefen kann.

Den gleichen wohltuenden Eindruck hat man,
wenn man im rechten Flügel der Galerie den vene-
zianischen Saal betritt. Wie neubelebt, schönheits-
atmend in ihren tiefen, warmen Farben steht da
Tizians Madonna mit dem hl. Sebastian, welche früher
in der alten wackeligen Dachkammer aller Farbe
beraubt und wie erblindet erschien. Dieser Saal
enthält die Werke von Antonio da Murano, von den

Crivelli, von Bartolomeo Montagna, Paolo Veronese,
Paris Bordone.

Im nächsten Saal der Secentisten, welche ohne
Scheidung nach Schulen haben aufgehängt werden
müssen, und wo die meistens so verkannte Kraft
dieser späten Meister ganz zur Geltung kommt, sind
von den neuen, bisher unbekannten Bildern be-
sonders beachtenswert ein den Herrn verleugnender
Petrus von Michelangelo da Caravaggio und eine
Ruhe auf der Flucht von Federico Barroccio, welche
d'Achiardi in den Privatgemächern des Papstes entdeckt
hat. Caravaggio erscheint uns in dem schönen Bild
als unübertreffbar in der Darstellung des Helldunkels
und Barroccios Bild gehört zu den historisch be-
kannten Werken des Meisters, welche als verschollen
gegolten hatten und als solches war es kürzlich von
Dr. Bombe besprochen worden.

Das letzte Zimmer, wo die Bilder fremder,Künstler
aufgehängt sind, ist ganz beherrscht von Lawrences
Porträt Georgs IV., dessen leuchtende Pracht die Werke
Poussins, Valentins und Murillos in Schatten stellt.
Um so freudiger ist es für den verständigen Besucher,
wenn er in friedlichen Ecken, wo nur wenig von
dem englischen Porträtpomp hineinstrahlt, einen innigen
Ecce-Homo von Cranach dem Älteren findet, zwei
Bildnisse aus Hans Holbeins Schule und einen be-
schaulichen Trinker von Teniers dem Zweiten; auch
kostbare Ergebnisse von d'Achiardis glücklichem Spür-
sinn. Im geräumigen Magazin, welches an einigen
Tagen der Woche den Forschern zugänglich sein
soll, sind viele interessante Bilder, worunter besonders
eine Verkündigung des Cavalier d'Arpino, und ver-
schiedene charaktervolle Papstbildnisse und kräftige
Charakterbilder aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Im
Ganzen und in den Einzelheiten also wirklich ein
schönes Werk, diese Neuordnung der vatikanischen
Pinakothek und ein hoffnungsreiches Versprechen für
künftige Neuordnungen anderer Vatikanischer Samm-
lungen. Der feine kunstliebende Sinn Monsignor
Misäatellis und seiner Mitarbeiter berechtigt zu diesen
Hoffnungen. FEDERICO HERMANIN.

ALFRED MESSEL f
Der Frühling dieses Jahres, in dem der Tod weithin
so furchtbare Ernte gehalten, hat die deutsche Haupt-
stadt des großen Künstlers beraubt, dessen Werke vor
allen andern dem kommenden Geschlecht als Repräsen-
tanten ihrer Kultur um 1900 gelten werden. In Alfred
Messel, dessen Gesundheit schon seit einem Jahre
schwer erschüttert war, und der am Mittag des 24. März
für immer aus seiner reichen Tätigkeit abberufen ward,
verliert Berlin mehr als einen genialen Architekten. Es
trauert um den Erneuerer und Wiedererwecker seiner Bau-
kunst, um den Mann, der als der Erste und am tatkräftig-
sten daran gearbeitet hat, die Entwicklung des Berliner
Stadtbildes aus Jahrzehnten der Verwirrung und Ratlosig-
keit wieder auf gesunde Wege zu lenken und mit künst-
lerischem Geiste zu erfüllen. Von Messels Bauten wird
die Kunstgeschichte der Zukunft eine neue Epoche der
Architektur Berlins datieren, die von hier aus in weitem
Umkreise klärend und fruchtbringend gewirkt hat. Sie
wird ihn in die große Reihe einstellen, die vor ihm Nering,
Schlüter, Knobeisdorff, Gontard, Langhans und Schinkel
 
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