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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Alfred Messel
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Verschiedenes / Inserate
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343

Nekrologe

344

schaffen mußte; hier sollte sich die Fassade der reservierten
Art des altberliner Frühklassizimus angliedern, die diesem
Teil der Behrenstraße einst ganz das Gepräge gab. Bei
der Landesversicherungsanstalt am Köllnischen Park hielt
Messel sich dann wieder an die in Berlin und Potsdam
heimische Sprache der holländischen Renaissance und schuf
damit dem Märkischen Museum Ludwig Hofmanns das
schönste Gegenüber. Bei dem Hause der Kunsthandlung
von Schulte Unter den Linden suchte er einen Anklang
an friedericianische Motive, bei den entzückenden Villen-
bauten in der Viktoria- und Bendlerstraße an die Dis-
kretion und Eleganz kleiner Palais im Zopfgeschmack, mit
Louis XVl.-Beimischungen. Doch überall verschwand jede
kleinliche und schematische Nachbildung der historischen
Elemente; an ihre Stelle trat ein neues und persönliches
Durchdringen ihrer Grundsätze. Und alles war getragen
von dem individuellen Geist, der alle seine Schöpfungen
trotz der Verschiedenartigkeit der geschichtlichen Stilan-
knüpfungen als moderne Werke und als Werke eben dieses
einen Künstlers stempelte.

Es ist bezeichnend für die Verteilung der kulturbilden-
den Kräfte in dem Berlin von 1900, daß alle diese entschei-
denden Bauten Messels aus Bestellungen von privater Seite
hervorgegangen sind. Der Staat trabte weit hinterher. Erst
in der allerjüngsten Zeit hat er den Anschluß zu finden
begonnen, und das charakteristische Merkmal dieses leise
sich ankündigenden Umschwungs war Messels Berufung
zum Architekten der Königlichen Museen, mit dem Auf-
trag, Wilhelm Bodes Museumsreformprogramm in die Tat
umzusetzen. Es ging wie ein Aufatmen durch das künst-
lerische Berlin, als diese Wahl bekannt wurde. Man durfte
hoffen, daß auch die offizielle Baukunst nun die Wege der
Konvention verlassen und besseren Zeiten entgegengehen
werde. Gemeinschaftlich mit Bode hat Messel noch die
Entwürfe schaffen und die Pläne bis in alle Einzelheiten
ausarbeiten können. Auf der Berliner Museumsinsel sind
die Abbruchsarbeiten an dem provisorischen Pergamon-
museum fast schon abgeschlossen; man wollte bereits an die
Fundamentierungsarbeiten des neuen Deutschen Museums
denken, für das erst Raum geschaffen ward. Anderen Händen
muß es nun überlassen bleiben, das verwaiste Werk zu
vollenden. Man sah zuerst mit einigem Bangen der Frage
entgegen, wie sich der Fortgang dieser unendlich wichtigen
Arbeit gestalten werde. Aber das soeben erschienene
jüngste Heft der »Amtlichen Berichte aus den königlich
preußischen Kunstsammlungen« bringt nun in einem Nach-
ruf auf den Heimgegangenen die folgenden Sätze, die all-
gemein mit großer Freude und Genugtuung aufgenommen
worden sind: »Den genialen Plan, den Messel noch in
seiner Krankheit bis in alle Einzelheiten durchgearbeitet
hat, und zu dessen Ausführung gerade der Grund gelegt
wird, wird die Generalverwallung im nächsten Heft des
Jahrbuches der königlichen Museen der Öffentlichkeit bekannt-
geben. In seiner pietätvollen Durchführung werden wir dem
Verewigten den großen Dank, zu dem wir ihm verpflichtet
sind, abzustatten suchen«. So darf man denn wohl hoffen,
daß das Werk des Verstorbenen in seinem Sinne und
seiner würdig vollendet wird.

Gerade bei der Arbeit an diesen bedeutsamen Plänen,
ward Alfred Messel 'vorm Jahre die erste ernste Mah-
nung zu teil: die Überanstrengungen, die er sich seit
Jahren zugemutet hatte, mehrten sich derart, daß Körper
und Geist dem Unermüdlichen den Dienst aufsagten. Er
mußte seine Tätigkeit auf längere Zeit unterbrechen, um
neue Kräfte zu sammeln. Wirklich schien es in letzter
Zeit, als sollte ihm neue Gesundheit beschieden sein. Er
vermochte wieder zu arbeiten und jeden Tag wenigstens
kurze Zeit mit seinen Mitarbeitern die Museumspläne

durchzusprechen. Aber das war nur ein trügerisches letztes
Aufflackern. Sein Urteil war gesprochen, und unerbittlich
ward es vollzogen . . .

Alfred Messel war am 22. Juli 1853 zu Darmstadt geboren.
Von 1887—88 war er als Regierungsbaumeister im Staats-
dienst tätig. 1883 unternahm er seine erste Studienreise
nach Italien, der andere nach Italien, England, Frankreich
und Spanien folgten. 1885—93 gehörte er dem Lehrkörper
der Technischen Hochschule in Charlottenburg, 1893—96
dem des Kunstgewerbemuseums an. Sein erstes größeres
Werk war das heutige Kaufhaus von Gerson (damals
»Kaiserpalast« genannt) am Werderschen Markt; sein letztes
das Museum in Darmstadt (vollendet 1906), in Anlehnung
an das nahe Residenzschloß in einem freien Barock-
geschmack erbaut. Von seiner Kunst der Innenarchitektur
geben die Ausstattung des Thronsaals im Palazzo Caffa-
relli zu Rom und der Ministersitzungssaal im neuen preußi-
schen Abgeordnetenhause, namentlich aber die großen
Lichthöfe bei Weitheim Kunde. 1894 wurde Messel zum
Professor, 1904 zum Mitgliede der Berliner Akademie der
Künste, 1907 zum Architekten der Museen ernannt.

M. O.

NEKROLOGE
Der am 3. März in Paris verstorbene Bildhauer Alex-
ander Charpentier wurde dem großen Publikum vor
jetzt zwanzig Jahren bekannt, als der »Champ de Mars«
gegründet wurde. Vorher hatte er bei den »Unabhängigen«
ausgestellt, spielte also in der offiziell anerkannten franzö-
sischen Kunst keine Rolle und war unbekannt. Der »Champ
de Mars«, der heute diesen Namen nicht mehr verdient
und auch nicht mehr führt, hatte in seinen Anfängen doch
manches Verdienst, wodurch er sich von der älteren Gesell-
schaft unterschied. Heute haben sich die Unterschiede
gänzlich verwischt, und es sieht in der Societe nationale
genau ebenso aus wie bei den Artistes francais. Eine
Neuerung der Societe nationale war die Einführung des
Kunstgewerbes als gleichberechtigte Kunstgattung. Vorher
hatte man nur Malerei, Bildhauerei, Griffelkunst und Archi-
tektur zugelassen, erst bei der ersten Ausstellung des Champ
de Mars erschien auch das Kunsthandwerk in einer fran-
zösischen Kunstausstellung. Die ältere Gesellschaft machte
übrigens die Sache gleich im Jahre darauf nach, und wie
schon gesagt, ist heute hüben und drüben alles gleich.
Alexander Charpentier nun war mit Francois Rubert Carabin
der rührigste und tüchtigste Vertreter des plastischen Kunst-
gewerbes in der Societe nationale. Während aber Carabin
eine Zeitlang fast ausschließlich seinen aus Birnenholz ge-
schnitzten und durch reichen figürlichen Schmuck ausge-
zeichneten Möbeln Aufmerksamkeit schenkte, wandte sich
Charpentier mehr dem Metall und dem Steingut zu. Er
hat eine große Anzahl metallener Beschläge für Türen und
Fenster modelliert, und auch ganze Möbel entworfen, die
durch diese bronzenen, silbernen oder eisernen Beschläge
verziert wurden. Das Steingut wandte er zu großen plasti-
schen Arbeiten an. Zuerst schuf er den jungen Knaben,
der sich über eine Quelle beugt, und den man im Museum
des Luxembourg aufgestellt hat, anstatt ihn, wie es bei der
Ausstellung im Champ de Mars der Fall war, gleich als
Brunnenfigur, umgeben von grünen Gewächsen, in den
Garten zu stellen. Dann erregte er mit einer größeren
Arbeit in Steingut mehr Aufsehen, hauptsächlich wohl des-
halb, weil dieses Relief der Bäcker in der Art der assyri-
schen Steingutdekorationen aus einzelnen Ziegeln zusammen-
gesetzt war. Charpentier wollte damit diese uralte Deko-
rationskunst erneuern und hoffte wohl auf einen größeren
Auftrag, der aber nie gekommen ist. Wenn man den elenden
farbigen Fayencefries am Großen Kunstpalast besieht und
 
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