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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Tietze, Hans: Franz Wickhoff
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0193

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XX. Jahrgang 1908/1909 Nr. 23. 23. April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

FRANZ WICKHOFF

Am 6. April ist Franz Wickhoff in Venedig, der
Stadt seiner Liebe und seiner Sehnsucht, gestorben
und ruht nun auf dem schönen Cimitero, auf dem
auch Gustav Ludwig zur Ruhe gebettet ist. Wenn
ich versuche, in flüchtigen Strichen ein Bild seiner
Eigenart zu entwerfen, so entspringt dies nicht nur
dem Gefühl tiefer Dankesschuld, sondern auch einem
anderen: wohl alle Schüler Wickhoffs werden sich
gedrängt fühlen, sich an seinem Grabe laut oder leise,
aber ehrlich und unumwunden zu dem zu bekennen,
was wir als sein teuerstes Vermächtnis empfinden.

Bei einem Bankett, das anläßlich seines fünfzigsten
Geburtstages im Frühling 1903 stattfand1), hat Wick-
hoff in seiner Dankrede zwei Dinge als ausschlag-
gebend für seine ganze Entwicklung bezeichnet: das
Auftreten des Senators Morelli und die dauernde
enge Verbindung mit dem Institut für österreichische
Geschichtsforschung. Beides charakterisiert Wickhoffs
heißes Bemühen, die Kunstgeschichte aus dem Bereich
vordringlichen Dilettantentums und schönklingenden
Ästhetisierens herauszuheben und in den Verband der
anderen historischen Disziplinen zu stellen. Sein klarer,
nüchterner Geist erfaßte mit voller Schärfe, daß es
nicht möglich sei, seine Wissenschaft aus jenem Ge-
strüpp zu befreien, wenn nicht durch die Heranziehung
der historischen Hilfswissenschaften, durch das Studium
von Quellenkritik, Paläographie, Chronologie usw.
eine gesunde Basis, durch die Findung objektiver
Stilkriterien eine wissenschaftliche Methode geschaffen
würde. In gewissenhafter, systematischer Kleinarbeit
muß das ungeheuere Material durchforscht und bereit-
gestellt werden, bevor Bleibendes geschaffen werden
kann; der Katalog der italienischen Handzeichnungen
der Albertina, mit dem Wickhoff zu ähnlichen Arbeiten
anregen wollte, das Verzeichnis der Miniaturhand-
schriften Österreichs, dessen Organisation er geschaffen
hat, beweisen, wie ernst er an einer systematischen
Grundlage einer wissenschaftlichen Kunstgeschichte
arbeitete. Was heute im großen Stil durch die
Monumenta artis Germaniae geplant wird, ist die

1) Franz Wickhoff ist am 7. Mai 1853 zu Steyr in Ober-
österreich geboren; er wurde 1880 Kustos am österreichi-
schen Museum für Kunst und Industrie, habilitierte sich
1882, wurde 1885 a. o., 1891 o. Professor an der Universität
Wien.

Verwirklichung von Wickhoffs Anregungen und Be-
strebungen.

So sind alle die zahlreichen, sehr verstreuten
Arbeiten1) Wickhoffs als Teile eines einzigen Ganzen
anzusehen; nichts lag ihm ferner als dürres Spezia-
listentum. Seine Interessen ließen sich von den
Grenzen seiner Fachwissenschaft nicht einschließen,
sondern strömten auf alle benachbarten Gebiete über;
die Kunstgeschichte vollends war ihm eine Einheit,
die er als solche durchdringen wollte, und so ungern
er auch publizierte, umfassen seine Veröffentlichungen
doch fast alle Gebiete unserer Wissenschaft. Ikono-
graphische, quellengeschichtliche, stilkritische Unter-
suchungen haben ihn in gleicher Weise interessiert;
Malerei und Plastik, Miniaturmalerei und reprodu-
zierende Künste standen ihm gleich nahe; über alt-
christliche, frühmittelalterliche Kunst, über das Trecento,
Quattrocento, Cinquecento, über barocke Meister und
moderne Künster hat er mit gleicher Freude gearbeitet,
die Erkenntnis Dürers, Raffaels, Giorgiones, Tizians,

1) Ich nenne einige der wichtigeren Arbeiten Wickhoffs,
ohne Vollständigkeit anzustreben: Die Wiener Genesis 1895;
Die Fresken der Katharinenkapelle in S. demente in Rom,
Zeitschr. f. b. K. 1889; Die bronzene Apostelstatue in der
Peterskirche, daselbst 1900; Die Antike im Bildungsgange
Michelangelos, Mitteilungen d. Instituts f. öster. Gesch. 1882;
Über die Zeit des Guido da Siena, daselbst 1889; Das
Speisezimmer des Bischofs Neon von Ravenna, Repertorium
1894; Das Apsismosaik in der Basilika des hl. Felix zu
Nola, Rom. Quartalschrift 1889; Venezianische Bilder im
Jahrbuch der preußischen Kunstsammlungen 1902; Vene-
zianische Handzeichnungen daselbst 1899; Sandro Botti-
cellis Hochzeitsbilder, daselbst 1906; — Die Gestalt des
Amor, daselbst 1890; Giorgiones Bildern zu römischen
Heldengedichten, daselbst 1895; Die Bibliothek Julius IL,
daselbst 1893; Dürerstudien, Kunsthist. Jahrbuch der Zen-
tralkommission 1907; Über die Einteilung der Kunstge-
schichte in Hauptperioden, daselbst 1908; Die Ornamente
eines altchristlichen Kodex der Hofbibliothek, Jahrb. der
Kunstsammlungen des Allerh. Kaiserhauses 1893; Der Ein-
tritt Marc-Antons in den Kreis römischer Künstler, daselbst
1899; Der Meister der weiblichen Halbfiguren, daselbst
1901; Aus der Werkstätte Bonifazios, daselbst 1903; Die
Italienischen Handzeichnungen der Albertina, daselbst 1891 f.;
Der zeitliche Wandel in Goethes Verhältnis zur Antike
dargelegt am Faust, Mittig. des öster. archäol. Instituts 1898.
Über die historische Einheitlichkeit der gesamten Kunst-
entwicklung in Festgaben zu Ehren Max Büdingers, 1898.
 
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