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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Maas, Max: Der zweite internationale archäologische Kongress: (Alexandrien - Kairo)
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0218

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4ig

Der zweite internationale

archäologische Kongreß

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DER ZWEITE INTERNATIONALE
ARCHÄOLOGISCHE KONGRESS

(Alexandrien—Kairo)
Von Dr. Max Maas (München)

Ich komme mit meiner Berichterstattung über
den Archäologischen Kongreß, der in der ersten
Hälfte des April in Ägypten stattfand, etwas verspätet
und bin den Lesern der »Kunstchronik« Aufklärung
schuldig, warum sie erst jetzt von dieser wichtigen
Tagung erzählt bekommen. Der Grund liegt darin,
daß die wissenschaftliche Arbeit in den Sektionen bei
diesem Kongreß Nebensache war. Das »Drum-herum«
war die Hauptsache. Kein geringes »Drum-herum«:
das Wunderland Ägypten. An dieser Stelle jedoch
soll keine Reisebeschreibung noch eine Schilderung
von Sehenswürdigkeiten gegeben werden, die in den
Reisebüchern nachzulesen sind, sondern es sollen
wissenschaftliche Ergebnisse aus der Arbeit der ein-
zelnen Sektionen mitgeteilt werden. Und diese zu
sammeln, war in Kairo fast unmöglich. Die »Kunst-
chronik« ist an der prähistorischen, der klassischen,
der religiösen, der byzantinischen Archäologie und
teilweise an der Numismatik interessiert. Während
man sonst, bei den doch meist gleichzeitig tagen-
den Sektionen, Einsicht in die Protokolle erhalten
kann, oder kurze gedruckte Berichte über das er-
hält, was in den Sektionen verhandelt worden ist,
war dies in Ägypten nicht der Fall. Auch die dor-
tigen Zeitungen haben über Einzelheiten der Kongreß-
verhandlungen, soweit es nicht offizielle Reden waren
oder besondere Lieblinge der dortigen Presse, wie
z. B. Monseigneur Duchesne, in Frage kamen, nichts
berichtet. Ich bin daher ganz allein — von wenigem
abgesehen —■ auf dasjenige angewiesen, was ich mit
eigenen Ohren gehört habe. Und so ist von einer
erschöpfenden Berichterstattung über die Kunstarchäo-
logie auf dem Kairener Kongreß natürlich nicht die
Rede. Selbst nach meiner Rückkehr aus Oberägypten
(Ende April) hörte ich in Kairo Klagen, daß viele
Redner der ihnen obliegenden Pflicht, einen kurzen
Auszug ihrer Vorträge für die Protokolle der Sektionen
abzugeben, noch nicht nachgekommen waren. — Aber
es liegt mir fern, deswegen die Bedeutung des
II. "internationalen archäologischen Kongresses zu ver-
kleinern. Mag auch in den Verhandlungen nicht so
viel geleistet worden sein, wie es sonst bei wissen-
schaftlichen Kongressen der Fall ist, mögen auch
trotz der 700 — darunter war Preußen fast gar nicht,
England sehr schwach vertreten — Beteiligten nur
eine geringe Anzahl (sagen wir 1 o Proz.) den Sitzungen
beigewohnt haben, so hat dieser Kongreß, ganz ab-
gesehen von dem Nutzen internationalen Gedanken-
austausches, doch eine hervorragende Wichtigkeit ge-
habt. Die Erleichterungen, die den Mitgliedern ge-
währt worden sind, haben es ermöglicht, daß eine
große Anzahl ernster und strebsamer Gelehrter in
dieses Land einer ungeheuren und überwältigenden
alten Kultur gekommen ist, die dort unvergängliche
Eindrücke gesammelt und für ihr ganzes Leben Vor-
teile gewonnen haben. So etwas wiegt die schönsten, |

in Sektionen vorgetragenen Abhandlungen auf, die ja
doch später im Druck erscheinen und dadurch nach-
träglich zugänglich werden.

Der Kongreß hat zunächst zwei Tage in Alexan-
drien getagt, wo die wissenschaftliche Arbeit dadurch,
daß alle gehaltenen Vorträge in Beziehung zu der
gastlichen Stadt Alexanders des Großen standen, eine
gewisse Organisation erhalten hatte. Hier sprach zu-
nächst, nachdem Abbe Duchesne über Heiligtümer
bei Abukir einen längeren Vortrag gehalten hatte, der
hier uns nicht weiter interessiert, der Leipziger Mu-
seumsleiter Theodor Schreiber über Entwickelung und
Ziele der alexandrinischen Kunst, richtiger über die
alexandrinische Frage, d. h. über das Problem, ob es
in Alexandrien eine besonders geartete Kunst gegeben
hat. Schreiber gab eine Geschichte des Dogmas von
der Kunst des Hellenismus in Ägypten; und der Er-
finder des Ausdrucks von den alexandrinischen Relief-
bildern konnte in inhaltsreichen und formvollendeten
Darlegungen, die reichen Beifall fanden, namentlich
aus dem Material, das die unter seiner Leitung stehende
Ernst Sieglin-Expedition gefördert hatte, den Schluß
ziehen, daß es wirklich eine charakteristische alexan-
drinische Kunst mit einem ägyptischen Merkmal, das
außerhalb dieses Landes Anomalie sein würde, ge-
geben hat. Die Verdienste, die Ernst Sieglin als
Mäzen und Schreiber sowie Thiersch als ausführende
wissenschaftliche Organe um Alexandrien haben, sind
übrigens bei jeder Gelegenheit und von allen Seiten
anerkannt worden. — Der Freiburger Archäologe
Hermann Thiersch gab dann eine Quintessenz seines
vor kurzem erschienenen großen Werkes »Pharos,
Antike Islam und Occident, ein Beitrag zur antiken
Architekturgeschichte« mit dem ausgesprochenen
Zweck, die Stadt Alexandrien und andere Mäzene zur
Förderung von Ausgrabungen unter Fort Kait zu
interessieren. Die Berliner und Münchener Akademie
haben dafür schon einen größeren Betrag zur Ver-
fügung gestellt. Es ist kein Zweifel, daß der von
Sostratos von Knidos unter Ptolemaios Philadelphos
aus weißem Kalkstein gebaute und 280—279 v. Chr.
vollendete Pharos an der Stelle des jetzigen Fort
Kait stand. In bewußter Weise hatte man bei seiner
Erbauung auf die mathematisch-geographischen Rich-
tungssätze jener Zeit Rücksicht genommen; der Pharos
hat als Ausgangspunkt der antiken Gradmessung ge-
dient. Thiersch hat zur Evidenz nachgewiesen, daß
der Bau des Sostratos schon in drei Absätzen (Vier-
eck, Achteck, Rund) aufgebaut war: und wer nachher
eines der zahlreichen Minarette Ägyptens in Erinne-
rung an Thierschs Deduktionen angesehen hat, wird
seinen Schlüssen beipflichten, daß der Pharos nomi-
nell (Manara — Leuchte) und formal (Aufbau in drei
Stockwerken) das Vorbild der ägyptischen Minarette
geworden ist. Ja mancher christliche Glockenturm
ist nichts weiter als eine Ableitung des antiken Leucht-
turms von Alexandrien, des Turms aller Türme. —
Einen weiteren Beitrag zur Archäologie Alexandriens
hat Thiersch noch in einem Überblick über seine
und seines Vaters, Professor August Thierschs, Aus-
grabungsarbeiten am Serapeion gegeben. In den
 
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