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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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Römischer Brief, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5951#0271

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Römischer Brief

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dem die traurige Poesie der vergangenen Zeiten aus
jedem Stein, aus jeder Ritze spricht, geben uns so
recht den Ton an, den die modernen jungen italie-
nischen Landschafter anschlagen. Ich habe schon
öfters bei den Besprechungen dieser alljährlichen
Kunstausstellung Gelegenheit genommen, die Leser
auf die Tendenz dieser Künstler aufmerksam zu
machen, welche es sich vorgenommen, die poetische
psychologische Landschaft der Schulen anderer Zeiten
wieder ins Leben zu rufen. Überhaupt nimmt jetzt
hier die Landschaftsmalerei einen immer wichtigeren
Platz ein. Es handelt sich nicht nur darum, daß in
den italienischen Kunstausstellungen die Landschafts-
bilder immer mehr an Zahl zunehmen, sondern auch
darum, daß man die Landschaft als einen wenigstens
ebenbürtigen Kunstzweig ansieht und man sie auch
da benutzt, wo früher die Figur allein herrschte, wie
z. B. als Hintergrund zu den Porträts. Die meisten
Landschafter der diesjährigen römischen Ausstellung
sind aus der Lombardei und aus den venezianischen
Provinzen. Vivianis herbstliche Pflanzen und Wasser-
idylle gehören wohl zu dem Schönsten, was dieser
Meister gemalt hat. Um ihn herum stehen Belloni,
Conconi, Orubicy und Viner. Die Reize des schnee-
igen oberitalienischen Winters haben Giuseppe Carozzi,
Cesare Maggi in schönen, tiefempfundenen Bildern
besungen. Die Ausstellung enthält ein schönes Alpen-
bild von dem kürzlich verstorbenen piemontesischen
Altmeister Lorenzo Delleani. Plinio Nomellini, wel-
cher mit Prencipe und Qrassi zu den sognatori ge-
hört, stellt ein interessantes Wasserbild aus: Die See-
räuber, in welchem man einen starken nordischen
Einfluß bemerkt. Dante Ricci aus Rom und der
Venezianer Vettere Zanetti Zilla lenken ihre Land-
schaften mehr in dekorative Bahnen. Feine intime
Landschafter sind Maurizio Barricelli, Paolo Ferretti
und Matteo Lovatti. Arturo Noci stellt einige elegante,
aber etwas süßliche Porträts aus. Innocenti und Coro-
maldi haben dieses Jahr die Ausstellung ihrer Vater-
stadt vernachlässigt.

Was die Beteiligung der fremden Künstler betrifft,
so ist sie zahlreicher als sonst gewesen und beson-
ders die Schwarzweißabteilung enthält Blätter aus
aller Herren Länder.

Von der jungen russischen Schule erscheinen
dieses Jahr in der Ausstellung Konstantin Somoff
und Igor Grabar. Somoffs elegante karikaturenhafte
Kompositionen geben so recht noch ein Bild aus der
Zeit, wo die russische Kunst im Schlepptau der
anderen europäischen Kunstschulen stand, während
Grabars farbenleuchtende Bilder etwas urwüchsiges,
aber gesund vorwärtsstrebendes Wollen zeigen. Auf
einem Bild eine alte Frau mit zwei Eimern auf den
Schultern, welche mit großen Schritten auf einer be-
reiften Straße dahinzieht, unter einem hellen, von
großen rosigen Wolken gestreiften Abendhimmel. Ein
anderes Bild stellt nicht etwa einen Tisch dar, son-
dern ein blaues Teetuch mit etlichen darauf zerstreuten
rotbackigen Äpfeln. Zu den feinsten Sachen der
Ausstellung gehört des Schweden Hesselboms Sonnen-
untergangsbild mit zarten Lichtwirkungen auf Land

und Wasser. Aus Holland stellen B. J. Blommers
und Philip Zilken aus. Charles Cottets St. Johannis-
feuer gehört mit zu den kräftigsten Bildern. Nicht
zu vergessen ist die spanische Gruppe mit den farben-
freudigen Bildern Jose Benlliures und seiner Schüler
Ortiz, Zaragoza und Nogue. Von den Deutschen,
welche voriges Jahr, da der Müllerpreis einem deutschen
Maler zufiel, die Ausstellung mit interessanten Bildern
beschickt hatten, sind dieses Jahr nur einige in Rom
lebende Künstler erschienen. Darunter sind besonders
bemerkenswert Max Röders großzügige Landschaften,
Nöthers kräftiges Porträt Björnsons und zwei Bilder
von Hermann Urban; eine schwerfällige, aber inter-
essante Darstellung eines verlassenen Campagnawinkels
im Zeichen der Malaria und das Consilium; eine
Priestergruppe im eifrigsten Gespräch auf einsamem
sturmbedrängten Meeresgestade; ein wunderbares Kom-
promiß zwischen Humor und Ernst. — Zahlreich
sind die Deutschen in der Schwarzweißabteilung.
Max Liebermann, Klinger, Leibi, Thoma, Oskar Graf,
Overbeck, Vogeler haben ganze Serien ihrer Radie-
rungen geschickt und man ist hier voller Bewunde-
rung für die großen Fortschritte, welche die Deut-
schen in den verschiedenen Techniken gemacht haben.

Neben der deutschen Gruppe ist zunächst die
französische die zahlreichste. Die feinhumoristischen
Radierungen von Toulouse-Lautrec von Theophile
Steinlen, die Zeichnungen von Carriere und Fantin-
Lautour. Rodin hat eine feine Radierung mit der
kalten Nadel geschickt; einen phantastischen Putten-
reigen, Raffaelli einige seiner lebhaften Boulevardbilder.
Aus Belgien haben Rassenfosse, Rops, Marechal, De
Groux die Ausstellung beschickt, aus Holland Israels,
Graadt van Roggen, Storm von Gravesande und
andere mehr. Zu den feinsten Blättern gehörten die
scharfen Radierungen von den Engländern Goff,
Nicholson und Whistler, während von den Norwegern
Münch gute Steindrucke geschickt hat und von den
Österreichern Orlik eine Reihe nach japanischem
Muster ausgeführter Holzschnitte. Das größte Auf-
sehen aber erregten die licht- und lebensvollen Ra-
dierungen des Finnländers Edgar Chahine und des
Schweden Anders Zorn.

Spärlich war dieses Jahr die Sektion für Bild-
hauer beschickt, aber unter dem Wenigen stand vieles
von großem Werte, so z. B. von Victor Rousseau
einige köstliche Frauenstatuetten, vom Russen Sera-
phin Soudbinine ein Eccehomo und ein sonderbar
phantastischer Kopf, in welchem es dem Künstler ge-
lungen ist, die Kraft des menschlichen Denkens bild-
lich darzustellen. Einige Arbeitertypen von Jules van
Biesbroeck zeigen, wie sehr die Belgier den Lehren
Meuniers nachstreben, und daß Meunier auch in
Italien treue Nachfolger hat, zeigen uns die gut-
modellierten Plastiken von Achille Alberti und Amleto
Cataldi. Der neuklassischen Richtung, die in Italien
jetzt so viel Anhänger hat, und der auch die besten
Sachen des Wettbewerbes für den Altare della Patria,
von dem ich im vorigen Herbste berichtete, ange-
hörten, ist statt dessen vor allem Adolf0 Apolloni
zuzuweisen, dessen elegante Brunnengruppe Ven-
 
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