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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 20.1909

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341

Alfred Messel f

342

bildeten. Es ist ein schwerer Schicksalsschlag für Berlin,
daß dieser Meister von der Höhe des Lebens dahingerafft
wurde, als ein Mann von fünfundfünfzig Jahren, der noch
unendlich viel zu sagen hatte. Und nur eines kann
schwachen Trost spenden: daß seine Lehren und An-
regungen doch tief genug gewirkt haben, um auch nach
seinem Tode noch in Geltung zu bleiben, um einen Rück-
fall in die früheren Barbareien unmöglich zu machen.

Die jüngere Generation der Berliner Künstler und
Kunstfreunde hat Messel zuerst gefeiert und auf den Schild
gehoben. Aber er war nichts weniger als ein Radikaler
nach dem Herzen moderner Ultras, die am liebsten jede
Verbindung mit dem Überkommenen durchschneiden möch-
ten. Er war durchtränkt mit historischem Geist und Stil-
gefühl, und gerade in dem kraftvollen und selbständigen
Verwerten überlieferter Formensprachen, in dem organi-
schen Weiterführen lebendig gebliebener Keime der Tra-
dition ruht das Wesen seiner Kunst. Doch mit diesen ge-
schichtlichen Elementen vermischte sich bei Messel ein
überaus feines Gefühl für die Forderungen der lebendigen
Gegenwart, für die neuen Ansprüche und Gedanken seiner
Zeit, die auch einen neuen Ausdruck verlangten. Er hatte
in seinen akademischen Studien (1873—74 in Kassel, dann
bis 1878 auf der Berliner Bauakademie, wo er Schüler von
Strack wurde) den ganzen Reichtum der Vergangenheit
an architektonischen Formen und Motiven in sich aufge-
nommen. So stand er der älteren Generation seiner Zunft
durch den Ausgangspunkt recht nahe; doch über ihre
Kopierlust ging er weit hinaus, und unter seinen Händen
gewann das Alte ein eigenes, völlig neues Leben. Das
zeigte sich am glänzendsten bei der Aufgabe, deren geniale
Lösung Messels Namen zuerst in aller Mund brachte:
bei dem Wertheimschen Warenhause in der Leipziger-
straße zu Berlin, das ihm 1896 übertragen wurde. Das
ganz moderne, früheren Zeiten unbekannte Problem be-
wältigte er, indem er Prinzipien der Gotik souverän be-
nutzte. Von den himmelanstrebenden Domen des Mittel-
alters übernahm er das Motiv der durchgeführten Stein-
pfeiler, welche die Konstruktion des ganzen Bauwerks,
sein Knochengerüst gleichsam, deutlich nach außen hin er-
kennen ließen. Und mit diesen kühn verwerteten goti-
schen Gedanken verband er die Möglichkeiten des mo-
dernen Eisenbaus, so fest und logisch, daß aus der
Mischung ein architektonischer Typus entstand, der kein
Vorbild in älteren Zeiten findet, und der maßgebend wurde
für den Kaufhausbau der ganzen Welt. Er schuf das erste
Beispiel eines großartigen Zweckbaus, dessen Schönheit in
den neuentdeckten ästhetischen Werten einer unbefangenen
Sachlichkeit, einer Sichtbarmachung des konstruktiven Auf-
baus, einer freimütigen Behandlung des Materials ruht.
Er bildete eine Fassade von völlig ungewohnter Ge-
staltung, die nichts wollte als ein ehrlicher Ausdruck
des Bauwerks sein, dessen Körper sie zu bekleiden
hatte. Große Räume für einen lebhaften merkan-
tilen Verkehr sollten geliefert werden, die Luft
und Licht in früher unbekanntem Maße benötigten;
das sollte jeder spüren, der an dem Hause vorüber-
schritt und hinaufsah. Keine Pseudopalazzofront sollte
über die Bestimmung des Gebäudes hinwegtäuschen:
so ward denn das Motiv des hohen und breiten Schau-
fensters, das die neuen Eisenträger zur Welt gebracht
hatten, mit nicht geringem Wagemut vom Einzelgeschäft
der Erdgeschosse auf die oberen Stockwerke übertragen,
bis zum Dachfirst durchgeführt und zur Grundlage eines
neuen Systems gemacht. Aber der wuchtige Zweckbau,
den er hier errichtet, war Messel nur eine Gelegenheit, seine
architektonische Phantasie auf ungeebnetem Felde zu
tummeln. Seine Formenfreude war viel zu lebendig und

sehnsuchtsvoll, um lediglich auf diesem Gebiete des puri-
tanisch Sachlichen ein Genüge zu finden, und er konnte
sehr ärgerlich werden, wenn von Seiten träger Formel-
gläubigkeit der Versuch gemacht wurde, ihn immer wieder
und ein für alle Male auf diese eine Seite seiner reichen
Kunst festzuschnallen. So mag es ihm eine doppelte Lust
gewesen sein, bei der Fortführung des Wertheirnbaus (1904)
an der Ecke des Leipziger Platzes, die volleren Schmuck
und monumentalere Ausgestaltung erforderte, seine schöpfe-
rische Kraft auf ganz anderen Instrumenten spielen zu
lassen, und er löste nun, wiederum ganz aus Eigenem,
das Problem, einen organischen Übergang vom rein Zweck-
mäßigen zum Stolzen und Freien, von strengen zu festlichen
Formen zu finden. So entstand das einzige Bauwerk des
modernen Berlin, das sein Werden und Wachsen, seine
ganze Geschichte nach außen hin zur Schau trägt. Zu-
gleich führte Messel dabei zwei neue Dinge ein, die auf
die Berliner Architektur im Beginn des zwanzigsten Jahr-
hunderts bestimmend eingewirkt haben: er wandte sich
von dem bis dahin allein gültigen, nüchternen und kälteren
Sandstein zu dem mehr malerischen, vielfache Möglichkeiten
der Schmuckwirkung bietenden Kalkstein und zu einem
plastischen Zierat, der sich aus der Art dieses schönen Mate-
rials ergab, der, in leichtem Relief aus dem Grunde heraus-
gehauen, den Steinblock, der ihn trägt, nicht aus dem Gefüge
herauslöst, sondern immer noch als einen Bruder der um-
gebenden Blöcke erscheinen läßt, so daß das Bildhauerische
sich dem Architektonischen überall unterordnet. Im Verein
mit den jüngeren Plastikern, die er heranzog, wie Georg
Wrba, Josef Rauch, Vogel, Ignatz Taschner und anderen,
gab Messel hier Anregungen, die noch lange fortwirken
werden. In Berlin selbst sind sie namentlich dadurch in
den Vordergrund gerückt, weil Messels Landsmann und
Freund Ludwig Hoffmann seit 1896 als Stadtbaurat die
gleichen Wege beschritten hat.

Die Mischung des Sachlich-Klaren mit dem bedeutungs-
vollen Spiel frei beherrschter großer Formmassen zeigte sich
dann bei den anderen Bauten Messels, die sich in den Dienst
neuartiger Aufgaben stellten. So bei dem Volkskaffee- und
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