Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

DOI Artikel:
Der IX. internationale kunsthistorische Kongress in München, 17. - 20. September, [1]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0010

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
3

Der IX. internationale kunsthistorische Kongreß in München

4

Frage der Erleichterung des Besuches der Museen für
Kunsthistoriker. Einige Mitglieder des Kongresses
drückten nämlich ihren Unwillen darüber aus, daß
die auf dem früheren Kongreß schon als dringend
bezeichnete Frage vom Vorstand noch nicht gelöst
sei. Herr Professor Koetschau konnte aber ohne
weiteres diese Angriffe zurückweisen, indem er er-
klärte, daß eine entsprechende Eingabe an die oberste
Staatsbehörde ergangen sei, und daß es natürlich eines
ungemein weitschichtigen Instanzenweges bedürfe, bis
von dort aus alle Bundesstaaten, alle Museumsver-
waltungen, alle städtischen Korporationen verständigt
wären und ihre Entscheidung getroffen hätten. Einige
Herren befriedigte aber diese Auskunft immer noch nicht,
und so einigte man sich auf den einleuchtenden Vor-
schlag des Professors Clemen dahin,daß sich derKongreß
inzwischen an die Provinzialkonservatoren (oder die
gleichartigen Beamten der Bundesstaaten) wenden solle.
Diese sollen Kunsthistorikern, die sich auf Forschungs-
reisen befinden, Beglaubigungsschreiben ausstellen und
sollen in ihrem Kreise dahin wirken, daß die Inhaber
solcher Beglaubigungsbriefe in den Museen, Kirchen,
Rathäusern usw. möglichst liberale Eintritts- und Ar-
beitsbedingungen erhalten. Auch über die Erteilung
der Permesse für die italienischen Galerien wurde
geklagt; die jetzigen Zeremonien zur Erlangung des
Permesses seien zu umständlich und wegen ihrer
Zeitdauer oft gar nicht durchführbar. Die anwesenden
Italiener, besonders Professor Venturi, versprachen,
bei ihrem Ministerium für die Wünsche der deutschen
Kunsthistoriker einzutreten, und man hofft, es werde
zu erreichen sein, daß eine einfache Beglaubigung
des Kunsthistorischen Institutes in Florenz oder des
Kunsthistorischen Institutes in Rom die Kraft eines
Permesses haben soll. — Auch die schweizerischen
und österreichischen Behörden sollen um Erleich-
terungen ersucht werden.

Dann wurde noch bestimmt, daß der feste Bei-
trag von fünf Mark in Zukunft ein beweglicher werde,
den die Kongreßleitung je nach Erfordernis festsetzen
wird. Der nächste Kongreß soll 1912 (also erst
nach drei Jahren) in Rom tagen; die Besetzung des
Präsidiums und des Ausschusses bleibt unverändert,
nur treten dem Ausschuß noch die Herren Haseloff
und Campbell Dodgson hinzu.

Am Ende des Kongresses trug Herr Dr. Waetzold
(Berlin) einen von ihm und Dr. Emil Schaeffer (Berlin)
stammenden Antrag vor, in dem darüber Klage ge-
führt wird, daß die Kunsthistoriker von gewissen
Verlegern für literarische Aufträge, welche ihnen vor-
geschlagen würden, nicht genügend bezahlt würden.
Die Herren erklärten es für Sache des Kongresses,
diese Zustände zu bessern. Sie erblicken die Mög-
lichkeit einer Besserung aber nur darin, daß sich
sämtliche Kunsthistoriker ohne Ausnahme durch Ehren-
wort und Revers verpflichten sollen, unter einem ge-
wissen Honorar pro Wort keine ihnen angebotene
Arbeit zu übernehmen. Zur Verwirklichung dieses
Antrags ist eine Kommission ernannt worden, der
die Herren Steinmann, Waetzold, Schaeffer, Biermann,
Uhde-Bernays, Suida, Habich, Westendorp angehören

und zu der auch die Herren Bruckmann und Spe-
mann herangezogen werden sollen. —

Dies war, in kurzen Worten ausgedrückt, das Er-
gebnis der Beratungen. Es wurde mit Ausnahme
des einen erwähnten Punktes nur sehr wenig de-
battiert; daß es in der etwas kitzlich gewordenen
Zeitschriftenfrage ohne ein einziges Wort der Debatte
abging, daß also die Versammlung über das kurz vor
dem Kongresse versandte merkwürdige Zirkular der Mo-
natshefte für Kunstwissenschaft wortlos in der Tagesord-
nung weiterschritt, ist der außerordentlich geschickten un-
parteiischen Behandlung durch das Präsidium zu danken.

Jetzt wäre noch der mannigfachen und immer
anregenden Veranstaltungen zu gedenken, mit denen
der Münchener Orfsausschuß die Kongressisten er-
freute und bereicherte. Hiervon kann man nicht
sprechen, ohne sich des Sekretärs des Münchener
Ortsausschusses Dr. W. M. Schmid dankbar zu erinnern.

Am ersten Nachmittag also wurden uns die reichen
Zimmer, die reiche Kapelle und die Schatzkammer
der Residenz gezeigt. Dabei gab es noch eine Premiere
in Gestalt einer kleinen, fabelhaft farbenprächtigen,
und, wie uns Dr. von Buerkel sachverständig aus-
einandersetzte, auch sehr wertvollen Kollektion orien-
talischer Teppiche. Diese Teppiche sind nämlich im
18. Jahrhundert an den Münchener Hof als Geschenk
gekommen, wurden aber durch einen Zufall gar nicht
ausgepackt, und das uneröffnete Paket ist erst kürzlich
aufgestöbert worden. Mit ihrer Farbenpracht danken
die Stücke ihren Besitzern dafür, daß sie so lange im
Verborgenen blühen konnten. — Übrigens waren da
in der Residenz die angeblich Tizianischen Impera-
torenbilder zu sehen, auf die in den letzten zwei
Jahren so viel Tinte und Nachdenken verwandt worden
ist. Die berufenen Kenner des Kongresses schienen
beim Anblick der Bilder nicht gerade fasziniert zu
sein; es ging, als die Herren den Raum betraten, so
etwa wie beim Examen des Kandidaten Jobses: Es
geschah ein allgemeines Schütteln des Kopfes . . .

Auch ein Besuch der Pinakothek wurde von den
meisten nicht versäumt, wenn er auch nicht auf dem
Programm stand. Ein neues und vielversprechendes
Leben beginnt da sich zu offenbaren. Bilder werden
heruntergeholt, Meisterstücke auf breiten Flächen iso-
liert, durch Herabrücken auf die rechte Augenhöhe
vollere Wirkungen erzielt, die Bestände gesichtet und
getauscht. Wir wollen's abwarten und nicht schon
gleich Halbfertiges bereden.

Am zweiten Kongreßtage wurde eine Führung
durch die wichtigsten Münchener Kirchen vorge-
nommen, und ferner durch die geradezu staunens-
werte, hohe Schätze bergende Schaustellung der
schönsten Miniaturen der Hof- und Staatsbibliothek.

Am letzten Tage zeigte uns Herr Dr. Buchheit
im Nationalmuseum eine Gruppe merkwürdiger und
bedeutsamer, aus Bayern stammender gotischer Ge-
mälde. Es war eine Kollektion von etwa sechzig
Gemälden des 15. Jahrhunderts aus den Beständen
des Nationalmuseums und anderer erreichbarer Samm-
lungen vereinigt worden, um vor allem zwei Grup-
pen zu veranschaulichen, die sich um die Namen
 
Annotationen