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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Archäologisches

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Rom. Bei Restaurierungsarbeiten des Fußbodens in
der Sankt Peter-Basilika hat man entdeckt, daß viele der
großen Marmorplatten Monumenten des Mittelalters und
der Renaissance aus der alten Basilika angehört haben und
auf ihrer Rückseite mit Inschriften und Skulpturen ge-
schmückt sind. Man wird für die Aufbewahrung der wert-
vollen Fragmente Sorge tragen.

Einen interessanten Fund hat Professor Ludwig Gurlitt
gemacht; innerhalb einer von ihm entdeckten Kollektion
Schwindscher Handzeichnungen befindet sich auch ein
Blatt, darstellend eine Pause nach einer Jugendzeichnung
des damals fünfzehnjährigen Moriz von Schwind. Datum
und Herkunft sind absolut beglaubigt. Dieses Blatt also
gibt die viel später entstandene berühmte »Morgenstunde«
in der ersten Konzeption: viel reicher im Detail und anderer-
seits künstlerisch noch lange nicht so fein abgewogen und
geschlossen wie das vierzig Jahre später entstandene Meister-
werk; aber doch tatsächlich die Uridee des Bildes.

ARCHÄOLOGISCHES
Die ersten mykenischen Funde in Sparta. Die

Ausgrabungen am Menelaon, dem angenommenen Grab
von Menelaus und Helena und dem Sitz ihres Kultes in
Sparta, durch die British School at Athens haben, wie »The
Times« gemeldet wird, zur Entdeckung von wichtigen
Überresten der mykenischen Kulturperiode geführt, den
ersten, die man in Sparta gefunden hat. Mit einer Gips-
lage bedeckte Ziegel mykenischer Art, die in einigen Fällen
noch Spuren von Freskomalerei tragen, und Fragmente
mykenischer Topfware von lokalem Typus sind sowohl
unter dem Bauwerke selbst wie in einem daneben liegenden
Gebäude gefunden worden. Auch andersartige mykenische
Funde sind in der Nachbarschaft gemacht worden, so daß
anzunehmen ist, daß man hier auf das mykenische Sparta
gestoßen ist. Das sogenannte Menelaon selbst, das aus
großen Konglomeratblöcken errichtet ist, scheint dem
5. Jahrhundert v. Chr. anzugehören. — Am Fuße eines nur
wenig abwärts darunter liegenden Abhanges zeigten sich
eine Anzahl Bronze- und Bleivotive, anscheinend aus dem
7. Jahrhundert v. Chr. — darunter Figürchen, Glasperlen,
Doppeläxte, Fibulen und Täfelchen — ferner eine ganze
Reihe Terrakotten von hervorragender Ausführung aus der
zweiten und besten Periode lakonischer Kunst, die, wie
durch die Ausgrabungen der Engländer in Sparta nament-
lich am Artemis Orthia-Tempel bekannt geworden ist, in-
folge der kriegerischen Gesetzgebung des Staates später
bedeutend abgenommen hat. Die in der nächsten Nähe
des Menelaons gefundenen Töpfereien rangieren von
mykenischer Ware in den untersten Schichten bis zur
sechsten lakonischen Kunstperiode, die ungefähr um 400
v. Chr. zu setzen ist. Diese wichtige Stätte soll im
nächsten Jahre durch die Engländer vollständig ausgegraben
werden. ^

Rom. Die Passeggiata archeologica. Park, Ausgra-
bungsfeld oder Anlagen mit großen Verkehrsadern? Das sind
die verschiedenen Fragen, mit denen das Ministerium, die
Generaldirektion der Altertümer und die Commissione Reale
per la passeggiata archeologica bestürmt werden. Noch
immer ist die bestimmte Antwort nicht gekommen, aber
das Publikum hat sich im wesentlichsten beruhigt, weil
man offiziell versichert hat, daß bei der Ausführung des
Plans nicht nur alles Interessante im archäologischen,
historischen und künstlerischen Sinne geschont werden
wird, sondern daß man auch Sorge dafür tragen wird, daß
die landschaftliche Schönheit dieser eigentümlichen Ecke
Roms zwischen dem Kolosseum, dem Palatin, dem Aventin
und den alten Mauern keinen Schaden erleiden werden.
Leider könnte aber auch der feinste Künstler bei einer

systematischen Regulierung das Eigentümliche, das Tief-
poetische nicht ganz und gar schonen. Ein Garten um die
ehrwürdigen Ruinen, gut gepflegte Blumen werden nie die
Schönheit der einfachen Vignen, des freiwuchernden Grases,
der Disteln und Nesseln, welche mit ihren grünen Kleide
den historischen Boden jetzt bedecken, ersetzen können.
Das wilde Gestrüpp, das ungepflegte Gras sind wie das
Sinnbild der ewigen Natur, die ihre Vorrechte wieder gel-
tend macht über die Wahrzeichen der menschlichen Tätig-
keit. Der gepflegteste, best angelegteste Park kann nicht
mit den Trümmern in Einklang stehen und doch ist es
das Parkprojekt, das die größte Wahrscheinlichkeit hat,
ausgeführt zu werden, weil man schon vor zwanzig Jahren,
als man durch ein Gesetz diese ganze Region vor Neu-
bauten schützte, an eine Passeggiata archeologica, also an
einen archäologischen Park, dachte. Den Menschen, die
das Nachdenken lieben, das'Phantasieren über verschwun-
dene, versunkene Welten, konnte man keine schönere
Passeggiata bieten als die auf den uralten Wegen, zwischen
grünen, wilden Abhängen, aber die modernen Stadtreorgani-
satoren und die Archäologen denken anders. In diesem
Falle ist aber beiden der Sieg erschwert, weil keine Mög-
lichkeit zu einem Zusammenwirken vorhanden ist und statt
dessen viele Gründe, welche jedes Einverständnis aus-
schließen. Die Archäologen möchten großartige Aus-
grabungen vornehmen, aber der Stadtmagistrat und seine
Vorkämpfer entgegnen, daß diesem Teile Roms ein öffent-
licher Park fehlt, und daß es für jung und alt lehrreich
sein wird, sich in schöngepflanzten Promenaden zu ergehen,
welche den Palatin mit den Caracallathermen und diese
mit dem Kolosseum verbinden sollen. Aber die schön-
gepflegten Parkalleen sind auch noch nicht genügend, denn
nach dem neuen offiziell vom Rat genehmigten Erweiterungs-
plan der Stadt soll außer der Porta San Sebastiano und
der Porta Latina ein großes neues Viertel angelegt werden.
Daraus die Folge, daß wenigstens eine der größeren Ver-
bindungsstraßen dieses Viertels mit den anderen Stadtteilen
die Passeggiata archeologica durchziehen müßte mit alledem,
was man von einer großen modernen Verkehrsader ver-
langt. Das wird wohl für die Generaldirektion der Alter-
tümer und für die Kommission eine schwer zu überbrückende
Schwierigkeit sein. Man kann das noch so sehr beklagen,
man kann sich noch so sehr mit allen Herzensfasern an
das Schöne klammern, was dadurch Schaden erleiden wird,
aber jeder vernünftige Mensch, der an die immerwährende
Erweiterung Roms denkt, der wird sich leicht die Schwierig-
keit ausmalen können, welche durch diese großen archäo-
logischen Zonen jeder modernen Regulierung in die Quere
kommen. Wie besonders schwer dann der Fall mit der
Passeggiata archeologica ist, das hat seinen Grund in der
Lage der außerordentlich großen Denkmäler, welche man
nicht nur schonen muß, sondern auch weiter ausgraben,
restaurieren und zu allen Ehren bringen will. Da steht
als klarster Fall der Circus Maximus, dessen mächtiges
Areal, welches seit den vierziger Jahren des vorigen Jahr-
hunderts zum Teil eine Gasfabrik enthält, von allen späteren
Bauten befreit werden soll, um in seiner ganzen majestä-
tischen Größe zu erscheinen. Wo soll aber dann der
große Verkehrsweg hingeleitet werden zwischen dem neuen
appischen Stadtteile und dem Zentrum der Stadt, wenn
einerseits das Areal zwischen Forum Romanum und Kolos-
seum unberührt bleiben soll und auf der anderen Seite der
wieder zu Ehren gebrachte Circus Maximus das ganze
Tal zwischen Palatin und Aventin versperren wird?

Diese Tatsache ist typisch für die ganze Debatte, die
wegen der Passeggiata archeologica geführt wird. Die
Interessen der Archäologie können bei der Ausführung
einer solchen Regulierung nicht unberücksichtigt bleiben,
 
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