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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Fischer, J. L.: Der IX. internationale kunsthistorische Kongress in München, 17. - 20. September, [2]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0028

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Adolfo Venturi, Storia dell' arte italiana

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Ochsenhausen, in denen sich dieser höchste Stand von
Vollkommenheit der Ulmer Plastik zeigt, der von da
ab immer mehr abfällt. Drei von diesen Figuren
haben sich in dem Ochsenhausen benachbarten Dorfe
Bellamont erhalten.

In ähnlich kritischer Weise behandelte H. A. Schmid
(Prag) das Wirken Hans Holbeins d. J. während
seiner Basler Jahre. Im Anschluß an die sogen.
Luzerner Fassade und das Haus zum Tanz in Basel
brachte der Redner neue Einzelheiten über Holbeins
Jugendjahre bei.

Aus den unter dem Titel Mitteilungen gehaltenen
Vorträgen sei auf Oeza Oasparetz' (Budapest) interes-
sante, naturwissenschaftliche Versuche hingewiesen, alte
und neue Meister durch exakte Analyse eines minimalen
Farbenteilchens zu scheiden. Diese Versuche sind
wegen ihrer individuellen Besonderheit eine wichtige
Ergänzung zu dem Vortrag von Rählmann über das
gleiche Thema. Nach Bela-Ldzdrs (Budapest) Aus-
führungen ist der in der zweiten Hälfte des ver-
gangenen Jahrhunderts in München tätig gewesene
ungarische Maler Szinyei - Merse ein Vorläufer der
Plein-air-Malerei. »Zu den Quellen der Bamberger
Plastik in Deutschland« teilt Cohn-Wiener mit, daß
nach seiner Meinung das Südportal und einige spätere
Skulpturen in der Stephanskapelle des Bamberger
Doms von einer Bildhauerschule des 13. Jahrhunderts
in Wetzlar herrühren. Diese Schule geht in ihren
Anfängen auf westfälische Wurzeln zurück und erfährt
im Laufe der Entwicklung sehr interessante Einflüsse
aus Frankreich. Bei dem Schöpfer der Adamspforte
und der genannten Skulpturen ist dieser französische
Einfluß noch verstärkt. An diese Mitteilungen schloß
sich die allein interessante Diskussion des Kongresses
an, in der A. Ooldschmidt den französischen Einfluß
verneinte. Dr. J. L. FISCHER.

BÜCHERSCHAU

Adolfo Venturi, Storia dell' arte italiana. VII. Band: La
Scultura del Rinascimento. Ulrico Hoepli, Milano, 1908.
Gegen diesen sechsten Band von Venturis Geschichte
der italienischen Kunst, welchen er der Renaissanceskulptur
gewidmet hat, wird sich wohl manche Stimme erheben
und natürlich wird es wohl kaum ausgeschlossen sein
können, daß dieser oder jener Punkt mit mehr oder weniger
Erfolg angegrilfen wird. Den großen Wert aber des
wirklich monumentalen Werkes können diese kleinen
Kritiken doch nicht vermindern, denn als grundlegend muß
es von nun an angesehen werden, als Ausgangspunkt für
alle neuen Forschungen im Bereiche der italienischen
Renaissanceskulptur. Man kann gewiß erfolgreich diese
oder jene Einzelheit widerlegen, und bei welchem Buche
wäre das nicht möglich. Das Ganze aber kann als solches
nicht umgestürzt werden. Jeden Künstler, jede Schule hat
Venturi wieder gründlich vorgenommen und dabei doch
nicht vergessen, den großen Zügen der Entwicklung der
italienischen Plastik im Quattrocento nachzugehen und da-
von ein zusammenfassendes Bild zu entwerfen. Von
einigen Künstlern kann man mit Recht sagen, daß Venturi
zum ersten Male ein zusammenfassendes Lebensbild von
ihnen gibt, ihre richtigen Werke von den falsch zuge-
schriebenen scheidet und ihnen manches wiedergibt, was
man ihnen genommen hatte.

Das Buch fängt mit einem Kapitel über die Nachklänge
derTrecentobildhauerei im Quattrocento an und es werden
einige der archaischen florentiner Bildhauer, die man zu
hoch gestellt hatte, zu ihrer richtigen Größe herunter-
gesetzt, so z. B. Niccolb di Piero de1 Lamberti. Man war
in Florenz wenig pietätvoll gegen diese veralteten Meister
und entsetzte sie einfach der Stellen, die sie am Dombau
hatten. In den Künstlerkreisen gärte es und kochte es
von jugendlicher Tatkraft und für jede größere Arbeit
wurden Konkurrenzen ausgeschrieben, weil das freie
Bürgertum sich an die Stelle der alten Mönchsherrschaft
gestellt hatte und man in dem altväterischen System der
gemütlichen Aufträge nicht fortfahren wollte.

In Venedig hatte die Bildhauerei schon am Ende des
14. Jahrhunderts klare Zeichen von neuem Leben gegeben.
Die Dalle Massegne sind die beste Blüte dieser Be-
wegung und in ihren Arbeiten zeigen sich schon die
nordischen Einflüsse, welche dann für die oberitalienische
Kunst von so hoher Bedeutung sein sollten. Ihre gotische
Dekorationsart faßte gleich festen Fuß nicht nur im vene-
zianischen Gebiete, sondern auch in den Marken, in der
Romagna und in Dalmatien. Einen gewissen Einfluß übte
Niccolb Lamberti auf die venezianische Kunst, aber um so
größer war der, welchen die lombardischen Bildner auf sie
übten und Venturi hat recht, wenn er einem von diesen
Meistern die schöne Venetia, die großartige symbolische
Figur, am Dogenpalast und die Figuren von Adam und
Eva und der Söhne Noahs zuschreibt, die man bis jetzt in
das 14. Jahrhundert setzte.

Nach Mailand kommen, vom Dombau angezogen,
Meisler aus Frankreich, Flandern und Deutschland: Bild-
hauer und Baumeister, üiucomo da Campione und üio-
vannino de' Orassi wirken unter nordischem Einfluß.

Venturi prüft mit großem Scharfsinn die Skulpturen
des Domes, um die Werke der fremden Künstler von
denen ihrer Nachahmer unterscheiden zu können. Er be-
weist auch, daß Niccolö Lamberti nie in Mailand ge-
wesen ist.

Den römischen Bildhauern aus dem Anfang des
Quattrocento spricht er fast jede Originalität ab und meint,
daß sie wohl noch aus den althergebrachten Formen der
Cosmaten zehren, aber auch, wie Paolo Romano, vieles
den Werken Arnolfos nachmachen. Ein neues Modell
nimmt sich statt dessen der Bildhauer des Grabmals
Philipps von Alangon in Santa Maria in Trastevere, der
dem Orcagna folgt.

Von den großen Figuren der Renaissancebildhauer
ist Jacopo della Quercia die, welche Venturi vor allen an-
deren bespricht und es gelingt ihm, dem großen Meister
ein vergessenes Werk zuzuschreiben; die mächtige Statue
der sitzenden Madonna mit dem Kinde in der Kathedrale
von Ferrara, welche Maestro jacopo de Senis lapicida
schon im Jahre 1408 gemacht hatte, und die also chrono-
logisch gleich auf das Grabmal der Ilaria del Carretto im
Dome von Lucca folgt, welches aus dem Jahre 1406
stammt. Venturi hat ferner im Kapitelsaal der Canonici
daselbst eine Statue eines heiligen Bischofs gefunden,
welche wohl mit dem Madonnenbild zu einem figuren-
reichen Altar gehörte.

Einem emilianischen Nachfolger Jacopos schreibt Ven-
turi den Altare delle statuine im Dom von Modena zu.
Dieser Meister, in dessen Art noch so vieles von der
Kunst der Dalle Massegne nachklingt, ist wohl der Autor
der Madonnen mit dem Kinde im Kaiser-Friedrich-Museum
(Nr. 108 und 107) und der zwei Madonnen im South-
Kensington-Museum und hat nichts zu schaffen mit dem
Meister der Cappella Pellegrini, dem W. Bode gar zu vieles
zugeschrieben hat, was unter mehrere, welche nur das
 
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