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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Münchener Brief, [1]
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0088

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159

Nekrologe — Personalien

reduzierten Mitteln dargestellten »inneren Erlebnisse«
vor. Die Namen der Aussteller bei Zimmermann
haben einen guten Klang. Von Hans Thoma sehen
wir das bekannte Paradies aus der Sammlung Prings-
heim und eine äußerst stimmungsvolle Abendlandschaft
aus dem Jahre 1872, voll der zarten Empfindung der
Frühwerke des Meisters (Sammlung Paulus), von Karl
Haider das großzügige Porträt seiner ersten Frau, das
zum Besten gehört, was er geschaffen, das aber auch
ahnen läßt, daß, wie so viele andere, auch er im Be-
ginn der siebziger Jahre nicht achtlos an Courbet
vorbeigegangen ist. Von Adolf Oberländers drei
Bildern stehen zwei (der Verlorene Sohn und die Siesta)
auf der gewohnten Höhe seiner eigenartigen Weise
sich auszudrücken, während das dritte (die Fee) ziem-
lich abfällt. Edmund Steppes zeigt ein paar zarte
Morgenstimmungen, eine Mondscheinlandschaft, zu
der die Anregung von H. Thomas ähnlichen Motiven
ausgeht, und eine gute Landschaft mit See und kahlem
Gebirgsrücken, die, wenn ich nicht irre, ein Gegen-
stück in der Sammlung Malsch in Karlsruhe hat.
Unter seinen übrigen Bildern befindet sich manches
Flaue, was der inneren Kraft entbehrt. Von den
weiteren Ausstellern Kreidorf, Röhm, Pietsch und
Reifferscheid sind die beiden letzten, der eine mit
ernsten Landschaften, die zwar nicht alle von gleicher
Qualität sind, der andere mit zwei bemerkenswerten
Interieurszenen zu nennen.

Unter den van Goghs bei Brakl steht das Selbst-
porträt des unglücklichen Meisters obenan. Außer-
ordentliche Charakteristik und eine tiefe Beseelung
scheinen mir seine Hauptwerke zu sein. Diese Augen
und dieser Mund sagen unendlich viel, und ich möchte
glauben, daß auch die stärksten Gegner des umstrittenen
Mannes hier stutzig werden müßten. Mit welchen
Mitteln einer ausdrückt, was ihn bewegt, ist ja im
Grunde vollkommen gleichgültig, wenn nur das Re-
sultat ein bedeutendes ist. Von den weiteren Werken
seien besonders die »Moulin de la galette«, ein son-
niger »Park«, »Der Postbote« sowie die äußerst inter-
essanten Umdichtungen Milletscher Motive »Der Pflug«,
»Die Schäferin« und »Der Schnitter« erwähnt.

Und nun zum Schluß noch ein Wort über Münchens
jüngste Generation, die in der modernen Galerie aus-
stellt. Aus dem Vorwort des Kataloges entnehme ich,
daß die Mitglieder dieser »Neuen Künstlervereinigung
München E. V.«, um uns ihre »inneren Erlebnisse«
zu übermitteln, »nach Formen suchen, die von allem
Nebensächlichen befreit sein müssen, um nur das Not-
wendige stark zum Ausdruck zu bringen«. Die Worte
sind gut und wer den Sinn ohne den Zusammenhang
hörte, möchte an eine Charakteristik der Kunst Giottos
glauben. Was wir aber zu sehen bekommen, steht
mit dem Gesagten in grellem Widerspruch. Man hat
hier eben vergessen, daß zu einem inneren Erlebnis,
das auch von anderen nachgefühlt werden soll, eine
bedeutende Persönlichkeit gehört. Die Aussteller aber
hängen zum Teil in der unpersönlichsten Weise van
Gogh und Cezanne an den Rockschößen. Einige
andere ergehen sich in formlosen Farbenorgien, die
alles bis jetzt auf diesem Gebiet Bekannte übertreffen.

Unter den Werken, die sich auf ein höheres Niveau
erheben, nenne ich eine frische Landschaft »Märzsonne«
von Adolf Erbslöh, sowie das Selbstbildnis Karl
Hofers (Paris).

München, den 9. XII. 09 A. Cr.

NEKROLOGE

Am 9. Dezember verschied in München Hermann
Kaulbach (der Sohn Wilhelms von Kaulbach) im Alter
von 63 Jahren. Der Verstorbene hat schon kraft seines
Namens eine angesehene Stellung in der künstlerischen
Welt eingenommen und für manche seiner großen Historien-
bilder und für viele seiner anmutigen Genrestücke reichen
Beifall geerntet. Eine ernsthafte Stellung in der deutschen
Kunstgeschichte, die mit den größeren Trägern dieses
Namens wetteifern könnte, vermochte er nicht zu erringen.
Sein Lehrer war Piloty, zu seinen bekanntesten Bildern
gehören >Mozarts letzte Tage«, »Ludwig XVI. im Gefäng-
nis«, »Friedrich d. Gr. bei Sebastian Bach« und »Lucrezia
Borgia vor Alexander VI.«; in der Neuen Pinakothek hängt
seine »Unsterblichkeit«, eine römische Jungfrau, die in der
Urnenhalle die Büste des Geliebten schmückt.

Der Genremaler und Gemälderestaurator Luigi Bian-
coni verstarb am 26. November nach langer Krankheit in
Berlin im 71. Lebensjahre.

Madrid. Augustin Querol, der spanische Bildhauer,
ist am 14. Dezember gestorben. Er war 1863 in Tortosa
geboren. Spanien und Südamerika weisen zahlreiche seiner
Werke auf. In den letzten Tagen arbeitete er an einem
Monument der Unabhängigkeit für Buenos Aires.

Oberhofmeister I. A. Wssewoloshskoi |- Am
28. Oktober (9. November) verschied zu St. Petersburg im
Alter von 74 Jahren der Direktor der Kaiserlichen Eremitage
Oberhofmeister Iwan Alexandrowitsch Wssewoloshskoi, wohl
die feinstkultivierte Erscheinung in der russischen hohen
Aristokratie unserer Zeit. Anfänglich Diplomat und später
Generalintendant der Kaiserlichen Theater, trat er 1899
als Direktor (nach ausländischer Bezeichnung: General-
direktor) an die Spitze der Kaiserlichen Eremitage. Seine
Persönlichkeit, deren Kultur ganz in den Traditionen des
18. Jahrhunderts wurzelte, machte sich im inneren Leben der
Eremitage überall geltend. Er stand der großen Museums-
schöpfung Katharinas II. als ein legaler Erbe ihrer Zeit
vor. Mit scharfem Verstände die Zeitläufte der Gegenwart
überschauend, wußte er in ihren Grenzen mit seinem aus-
geprägten Sensorium für Qualität die alte glorreiche Tra-
dition aufrecht zu erhalten und hat damit der gegenwärtigen
Generation der Eremitagebeamten bleibende Direktiven
zu geben gewußt. -chm-

PERSONALIEN
© Prof. Ludwig Justi ist von seiner amerikanischen
Reise zurückgekehrt und hat sein Amt als Direktor der
National-Galerie angetreten.

Dr. Richard Stettiner, erster wissenschaftlicher Assi-
stent am Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg,
wurde vom Hamburgischen Senat zum Professor ernannt.

Drei neue Direktorialassistenten sind nunmehr bei
den Berliner Königlichen Museen angestellt worden: Dr.
Hans Posse bei der Gemäldegalerie, Dr. Ludwig Schnorr
von Carolsfeld beim Kunstgewerbemuseum und Dr. Bernoulli
bei der Bibliothek des Kunstgewerbemuseums.

Der Maler und Illustrator Hugo Steiner-Prag, Lehrer
an der Leipziger Akademie für graphische Künste und
Buchgewerbe, ist vom dortigen Stadttheater als künstleri-
scher Beirat gewonnen worden.
 
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