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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Florentiner Brief
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Römischer Brief, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0106

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Römischer Brief

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ginnend; hier findet man ferner Boldini, Morelli, Vinea.
Dann die glänzende Gruppe der Engländer neuerer
Zeit: Watts, Hunt, Millais, Leighton, Orchardson, Sar-
gent, Tadema: ein Besitz, den die Zukunft der Samm-
lung viel beneiden wird. Die Gruppe der Deutschen
im siebenten Raum leitet Friedrich Preller ein, über
dem Overbecks Bildnis hängt. Eine Neuheit ist ein
wuchtiges Porträt Max Liebermanns, der bei der Ar-
beit voll aus dem Bilde herausschaut; zwischen Anton
von Werner und Karl Becker. Ein ebenfalls neues
Selbstporträt von Lenbach, dem Stuck und Gebhardt
folgen, während gegenüber die Franzosen vereint sind:
von David zu B. Constant, Bonnat, Puvis.

Ein kleines Kabinett mit Skandinaviern umfaßt
die stets viel bestaunten Bilder von Kroyer und Zorn;
hier auch die wenigen Holländer.

In dem langen Korridor, an dessen Ende des
Gründers Marmorbild hochmütig auf die ihm fremde
Umgebung blickt (wieviel wohler würde ihm in der
Mitte des großen Raumes sein, umgeben von den
Bildern, die er selbst mit Interesse und Kunstsinn
erwarb), hängen Vertreter aller Nationen; darunter
namentlich Italiener, deren Namen man sich nicht er-
innert, gehört zu haben, und die sich einzuprägen
wenige locken wird.

Die Räume, wo früher gedrängt die Malerbildnisse
hingen, sind jetzt der Kupferstich- und Zeichnungs-
sammlung eingeräumt worden. Ein schöner Tausch
für diese; das volle Licht, das aus den großen Fen-
stern hereindringt, wird denen, die hier studieren
wollen, erfreulich sein. Der sehr große Eingangs-
raum, den Florentiner Gobelins schmücken, soll in
der Zukunft wechselnden Ausstellungen dienen; denn,
worauf ich hier hinweisen möchte, die ständige Aus-
stellung der kostbarsten Zeichnungen ist aufgehoben
worden, und alle früher in Rahmen und Schaukästen
eingereihten Blätter hat man gleichfalls in die Schränke
verschlossen. Die erste Ausstellung wird das aus-
gezeichnete Werk Bartolozzis verführen, das in er-
lesenen Drucken vom Künstler selbst zusammengestellt
wurde.

Von den folgenden drei Räumen wird der erste
den Studierenden zur Verfügung stehen, die gern auch
von der hier aufgestellten Handbibliothek, welche
mehrere der kostbarsten modernen Zeichnungspubli-
kationen umfaßt, Gebrauch machen werden.

So hat denn die große Reorganisation der Uffizien-
Sammlung einen wichtigen Schritt vorwärts getan,
und der Tag der Eröffnung, die Corrado Ricci im
künftigen Monat selbst vornehmen will, wird ein
hochbedeutsames Datum in der Geschichte der alten
Medicäer-Sammlung bilden. G. Gr.

RÖMISCHER BRIEF
Wie gewöhnlich ist es eine Bauwesendebatte,
welche die Bürgerschaft der ewigen Stadt jetzt leb-
haft beschäftigt und die Gemüter vieler in Aufregung
setzt. Die Saison hatte mit einer über ganz Italien
verbreiteten Diskussion wegen der internationalen
Kunstausstellung, welche im Jahre 1911 hier statt-
finden soll, begonnen, aber während das fast nur die

Künstlerkreise interessierte, regen sich über diese Bau-
und Stadtregulierungspläne auch viele auf, die keine
direkten Beziehungen zur Kunst haben. Die Aus-
stellungsdebatte befaßte sich mit der brennenden Frage,
ob Venedig seine internationale Kunstausstellung, die,
um die regelmäßigen Abstände von zwei Jahren ein-
zuhalten, in das fatale 1911 hätte fallen sollen, ver-
schieben würde, um Rom ohne Konkurrenz zu lassen,
oder ob man es auf einen Wettkampf ankommen lassen
solle. Nun ist die Sache entschieden: Venedig wird
in aller Eile eine Ausstellung für das nächste Jahr
arrangieren und 1911 wird Rom allein dastehen.
Ganz so rasch und leicht läßt sich leider nicht eine
Streitfrage erledigen, wie die, ob man Anbauten an
das Kapitol dulden, und ob man sich mit der neuen
Regulierung der Piazza Colonna ohne weiteres zu-
frieden erklären soll.

Daß man überhaupt von Anbauten am Kapitol
sprechen kann, wird wohl viele überraschen, und es
ist wohl angemessen, die Sache möglichst genau dar-
zustellen.

Wie jedermann weiß, besteht das Kapitol jetzt
aus drei Gebäuden, aus dem großen Senatorenpalast,
dessen Grundfesten auf dem Tabularium ruhen, dessen
Hinterfront dem Forum Romanum zugewendet ist,
und den zwei kleineren Palästen der Conservatori und
des Museums. Bei großen Gelegenheiten, bei Fürsten-
besuchen und ähnlichem, ist es eine althergebrachte
Sitte, die drei Paläste durch provisorische Brücken zu
verbinden, und auf diese Weise eine große Reihe
Prunksäle mit dem Schmuck köstlichster Kunstwerke
herzustellen. Bei Kaiser Wilhelms, bei Loubets und
König Eduards Ankunft wurde jedesmal die provi-
sorische Verbindung hergestellt. Nun haben aber der
Bürgermeister Nathan und seine Mitarbeiter den Plan
gefaßt, für das Jahr 1911 die Verbindung nicht mehr
provisorisch durch hölzerne Brücken herzustellen,
sondern durch Bogenbauen die drei Gebäude ständig
zu verbinden. Vom Standpunkte der Stadtväter,
welche ein herrliches Zeremonienappartement wünschen,
wohl eine glänzende Idee, aber doch etwas leicht-
sinnig für Gelehrte, Künstler und sonstige Menschen,
welchen das Kapitol etwas mehr ist, als ein gewöhn-
liches Rathaus, bei dem es hauptsächlich darauf an-
kommt, mit allen Bequemlichkeiten versorgt zu sein.
Ein wirklicher Sturm ist in den künstlerischen und
literarischen Kreisen ausgebrochen und die Sache ist
so weit gegangen, daß der Kultusminister den Plan
dem Consiglio superiore per le antichitä e belle arti,
einer Art Senat für den Schutz der Kunstsachen und
Monumentalbauten, vorgelegt hat, und man kann jetzt
glücklicherweise sicher sein, daß die ganze Sache,
wie man hier zu Lande sagt, Fiasko machen wird,
das heißt, sie wird glänzend durchfallen, und die
kapitolinischen Väter werden sich wohl trösten müssen.
Dieser Plan der Verbindung der drei Kapitolspaläste
ist nicht nur an und für sich eine Unmöglichkeit,
sondern muß auch des Prinzips wegen bekämpft
werden. Historische, künstlerische Bauten muß man
nicht willkürlich ändern und unseren modernen Not-
wendigkeiten anpassen wollen. Man würde dadurch
 
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