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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Das neue Bostoner Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0137

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXI. Jahrgang 1909/1910 Nr. 16. 18. Februar.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

DAS NEUE BOSTONER MUSEUM

Mitte November ist das neue Museum of fine arts in
Boston eröffnet worden, und das Dezemberheft des von
der Museumsverwaltung herausgegebenen Bulletins bringt
nunmehr eine Schilderung des neuen Gebäudes mit ver-
schiedenen Abbildungen und Plänen, die einen Einblick in
die Konstruktion dieses nach ganz modernen und teilweise
eigenartigen Prinzipien eingerichteten Musterbaues. Zu-
nächst ist es das erste Museumsgebäude, das nicht allein
bestimmt ist, dem späteren Wachstum der Sammlung voll-
auf Rechnung zu tragen, sondern das auch eine bestimmte
Unterscheidung zwischen Ausstellungs- und Magazins- resp.
Studienobjekten macht. Diese Unterscheidung hat die
ganze Einteilung des Gebäudes beeinflußt. Die ausgezeichnet
beleuchtete untere Etage enthält Administration, Arbeits-
zimmer und Magazine von solchen Gegenständen, die ent-
weder wegen ihrer größeren Anzahl oder weil sie nicht
speziell hervorragende oder typische Stücke sind, sich mehr
zum Studium als zur ständigen Ausstellung eignen. Diese
Gegenstände fallen unter den Begriff »Storage-Exhibition«.
Im Gegensatz zu diesen Magazingegenständen enthält das
obere Stockwerk die Ausstellungsgegenstände von allge-
meinem Interesse und exzeptionellem Wert. — Die ganze
strukturale Abteilung des Gebäudes in Departements, welche
Völker an Stelle von Kunstübungen repräsentieren sollen,
hat sich im allgemeinen mit einem historischen Arrangement
vereinigen lassen. Es war in jedem Departement des Museums
möglich, eine chronologische Folge der Ausstellungsgegen-
stände herzustellen, während gleichzeitig noch auf einem
oder dem anderen Gang für größere Kollektionen, wie
z.B. die von chinesischem Porzellan, japanischen Töpfereien,
griechischen Vasen und die ägyptische Spezialsammlung,
die unter dem Namen »Way-Collection« bekannt ist, be-
sondere Räume geschaffen wurden. Abgesehen von diesen
Sammlungen von Spezialgegenständen folgte aber das Ar-
rangement in jedem Departement historischen Prinzipien.
So hat z. B. der Raum, der den nahen Orient umfaßt, so-
wohl Töpfereien als Metallarbeiten, Holzgegenstände, Bro-
kate, Samt usw.; der Raum, der dem griechischen Quattro-
cento bestimmt ist, umfaßt nicht allein Marmor- und Bronze-
werke, sondern auch Vasen, Münzen und Gemmen; ja selbst
in einigen der großen Bildergalerien sind Möbel aus der
betreffenden Periode mit untergebracht. Es ist kein Zweifel,
daß bei auf solche Weise arrangierten Sammlungen die
Vielseitigkeit dem Besucher eine angenehme Anwechslung
bietet, während doch gleichzeitig verschiedenartige Gegen-
stände aus derselben Periode und von derselben Herkunft
Licht auf einander werfen. Ein Kunstmuseum darf wohl
verschiedenartige Gegenstände, in denen der gleiche künst-
lerische Geist weht, nebeneinander stellen. Auf diese Weise
kommt das Resultat zustande, daß Ausstellungsstücke
eines und desselben Raumes, mögen sie auch in dem ver-

schiedenartigsten Material hergestellt sein, vom Standpunkt
der Kunst aus wesentlich gleichartig sind. Und weiter,
daß die Entwicklung der Kunst in einem Lande auf dem
Weg von einem Raum in den andern im gleichen Depar-
tement studiert werden kann. — Innerhalb eines jeden
Einzelraumes ist der Versuch gemacht worden, die Gegen-
stände in einer Weise auszustellen, daß jedes zu seinem
eigenen Besten gesehen werden kann. Dazu war einerseits
nötig, daß die Gegenstände nicht so dicht aufeinanderstehen,
anderseits, daß die Umgebung dazu harmoniert. Die Räume
selbst sind ohne irgendwelchen architekturalen Schmuck.
Die Wände sind in hellen Tönen hergestellt, so daß das
Auge des Besuchers in keiner Weise von den Gegenständen,
die in dem Räume zu finden sind, abgezogen wird. Nur
eine einzige Ausnahme ist geschaffen worden und zwar in
dem Departement chinesischer und japanischer Kunst, in
dem einfache Holzformen eingeführt sind, um für diese
Gegenstände einen passenden und natürlichen Hintergrund
zu schaffen. Mit einem Wort, die ganze Aufstellung und
das Aufhängen der Schätze des Bostoner Museums ist
sorgfältig im Hinblick daraufhin studiert worden, daß die
Einrichtung den Besucher selbst darin unterstützt, wie er
die Gegenstände am besten sehen und genießen kann und
wie ihn die Kunstwerke selbst erziehen können. Es sind
die gleichen Prinzipien, die Herr von Tschudi bei der Neu-
ordnung der Münchener alten Pinakothek hat walten lassen.
Wie der hervorragende Leiter dieses zu neuen großen
Wirkungen von ihm umgestalteten Instituts jüngst sagte,
sollen die Bilder selbst durch die Art, wie sie aufgehängt
sind und wie sie wirken, die Führer und Lehrer für die
Besucher der alten Pinakothek abgeben.

Es würde uns zu weit führen, wenn wir durch jedes
der in dem Museum of fine arts-Bulletin geschilderten
Departements wandern wollten. Nur einiges sei bemerkt.
Das Departement der ägyptischen Kunst ist in einer Reihe
von Räumen im östlichen Flügel des Gebäudes unterge-
bracht, die man durch einen Korridor von der großen Ro-
tunde aus erreicht. Wie alle einzelnen Departements bilden
die dasselbe umfassenden Räume ein abgeschlossenes Ganzes,
so daß man, wenn man das Departement durchwandert hat,
wieder auf den Korridor heraustritt. Das ägyptische De-
partement ist gemäß den wichtigsten Perioden der Ge-
schichtegenau geordnet und die Gegenstände von geringerer
Wichtigkeit, die aber für das Studium von Bedeutung sind,
befinden sich in dem Parterrestock vereinigt. — Zu der
Abteilung der klassischen Kunst führt eine Kolossalstatue
der Kybele, die man schon von weitem am Ende eines
langen Korridors bemerkt. Im archaischen griechischen
Saal ragen die Kleinbronzen durch ihren Wert hervor.
Stein- und Tonvasen illustrieren in typischen Exemplaren
die Zeiten von 2500 v. Chr. bis 500 v. Chr. — Nur in
dem Saal des 5. Jahrhunderts müssen wir uns etwas länger
 
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