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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0142

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2Ö7

Sammlungen

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in Abstraktionen aus der Natur des Aktes bewegt, aber
durch eindrucksvollen Rhythmus, großen Wurf und ein ge-
wisses barbarisches Element in hohem Grade suggestiv
wird. Dazukommt eine Fruchtbarkeit, wie sie Naturmenschen
haben, und ein Lernhunger, der alles früher Geschaffene
an sich reißt und rasch verdaut. Auf großen Ausstellungen
des Auslandes hat er sich in Ehren behauptet. Ich habe
ihn in Venedig Sensation machen sehen, in München war
vorigen Sommer sein sitzender weiblicher Kolossalakt (>Die
Erinnerung«) ein plastisches Hauptstück, in Paris hatte er
im Herbstsalon 1908 achtzehn Werke und war in der Jury,
und stand wieder im Frühjahr 1909 auf dem Marsfelde
mit voran. Rodin interessiert sich lebhaft für ihn und be-
vaterte ihn gewissermaßen. Vor zwei Jahren vollendete er
in Wien, für den bekannten Kunstförderer Karl Wittgen-
stein, ein großes Werk in geschliffenem schwarzem Granit
(er arbeitet natürlich eigenhändig in jedem Material), den
»Brunnen des Lebens«, mit fünf lebensgroßen Figuren. Man
darf es schon eine reife Arbeit nennen, besonnen, stark und
technisch meisterhaft. Der Ertrag davon ermöglichte ihm
13/4 Jahre Paris und dort hat er fast alles geschaffen, was
nun hier ausgestellt ist, 60 Stücke der verschiedensten Art.
Ganz deutlich sieht man jetzt neben romantisch stürmenden
Sachen eine Veredlung durchdringen, hauptsächlich durch
das Studium der Parthenonskulpturen. Wie Maillol, ist
auch er aus dem Exotischen zu diesem festen Punkt ge-
langt. Manche seiner Figuren (»Mutter und Kind«, »Die
Witwen«, »Erinnerung«) haben diese füllige Einfachheit und
schwellende Größe der Form. Dabei aber gibt er sein
Naturmenschentum keineswegs auf. So sind zwölf kolossale
Karyatiden, die ein Gebälk tragen, bei allem Stilismus Ur-
gewächs seines Heimatsbodens. Moderne südslawischeKarya-
tiden, den hohen, strammen Weibern nachgebildet, die
auf seinem Dorfe zwischen Sebenico und Knin, hoch oben
im Gebirge gegen die bosnische Grenze hin, mit ihren Kopf-
lasten bergan und bergab schreiten. Daher hat er die
heroische Form, die große Haltung und kraftvolle Ruhe
in der Bewegung. Ja selbst die Kostüme sind die jener
Frauen, nur leicht stilisiert, und auch der Gesichtsausdruck
ist der des Lebens. Moderne Karyatiden, die weinend und
trauernd ihren Tempeldienst tun um das Mausoleum ge-
fallener Helden, deren Witwen eben jene großen Einzel-
figuren und Gruppen bedeuten sollen. Einen solchenCampo
Santo von Helden stellt er sich im Geiste vor, wie denn
der Held, der »Heros«, die Heldenmutter usw. seine Lieb-
lingstypen sind. Aus diesem Vorstellungskreis ergeben sich
ihm gewaltige Gebilde, mitunter übermenschliche, deren
Anatomie nur noch als Rohstoff für den Ausdruck des
heroischen Moments dient. Andere Dinge bleiben der
Natur näher; der bärtige Kopf eines Blinden, die Porträt-
figur seiner Mutter, das dreieckig gefaltete nationale Kopf-
tuch um das Haupt, wie aus einer gotischen Tabernakel-
nische herabgestiegen. So auch die Reliefs, deren derber
Sandsteinhumor in der Mauer einer alten Kathedrale gewiß
entzücken würde, während in anderen der Parthenonfries
nachwirkt, in eigentümlich flacher Umdeutung, um mit
schärferen Schlagschatten umrissene Konturen zu erhalten.
Die ganze Ausstellung macht einen sehr bedeutenden Ein-
druck; allerdings hat man von Mestrovic eine bedeutende
Laufbahn erwartet. In den Bilderkabinetten sieht man Kol-
lektionen bekannter deutscherMaler (Hans \i.Hayek,Schramm-
Zittau, der Graphiker Walter Klemm, und Karl Thiemann),
die nicht von hier aus besprochen zu werden brauchen.
Ihnen gesellt sich ein Warschauer, Wladislaw Slewinski,
der unterNeupatiserEinflüssen (Gauguin, Cezanne) arbeitet,
die sich bei ihm wesentlich versänftigen. — Im Hagenbund
stellt der blutjunge ungarische Künstlerverein »Keve« (Garbe)
recht interessant aus. Sein Führer ist Franz Szablya-Frisclv-

auf, ein Licht- und Luftmaler von starker Modernheit. Die
volle Sonnenkraft weiträumiger Plattenseelandschaften, die
etwa der Rahmen für eine lebensgroße Porträtfigur werden,
das liegt so in der Art der Gruppe. Die letzten Pariser
Eindrücke stechen auch hier heraus, wozu noch ein starker
Sinn für Plakatwirkung kommt. Natürlich bleibt manches
unreif, einiges aber zeigt einen nationalen Farbenreiz, wie
denn z. B. die ungarische Buntheit eine ganz andere ist
als die italienische, die doch auf derselben Trikolore (rot-
weißgrün gegen grünweißrot) beruht. Starke Sonnenmaler
sind noch der früh verstorbene Johann Göröncser und Au-
gust v. Benkhard, unter den Damen Ernestine Lohwag
(Gattin des Herrn Szablya) und ihre Schwester Frieda Kon-
stantin, Töchter des Wiener Schriftstellers Ernst Loh wag.
Ein ins Seltsame fallender Stilist, nicht ohne Interesse, Eugen
Remsey, der in einer hageren, scharf ausschneidenden Weise,
bei schwarzer Haltung, große biblische Szenen malt (»Christus
vertreibt die Wechsler«, »Verlobung Marias«). Ein begabter
junger Bildhauer ist Edmund Moiret, ein interessantes Näh-
spitzentalent Frau v. Kornis. Das sind Stimmungsspitzen,
die im Katalog als »goldgelbe Farbenemotion mit blaulila
Veilchen« oder als »Turanischer Traum« auftreten, was sich
allenfalls etwas künstlich macht. Der geklöppelte Whistler,
. . . was würde er dazu sagen? Immerhin sind es duftige,
geschmackvolle Arbeiten. — Im Salon Pisko ist eine große
Ausstellung von Bildern und Zeichnungen des Grazer Pro-
fessors Leo Diet zu sehen. Sein Lebenslauf in Bildern, dessen
ägyptische Episode ihm unter anderem ein lebensgroßes
Bildnis Gordon Paschas (1883) bescherte, das in Öl vom
British Museum angekauft wurde. Der Künstler ist sehr
vielseitig, er reicht vom lebensgroßen Akt und Porträt bis
zum niedlichen Exlibris, zur Karikatur undMärchenillustration.
Besonders fein geraten ihm manche Landschaften, »Weg
zur Bärenschütz« (1904), »Gäßchen im Schnee« (1906),
»Andritz-Ursprung bei Graz« (1906); auch Veduten aus dem
alten Graz sind gern gesehen. Er ist ein unaufhörlicher
Allesversucher, der sogar zur Praxis der Perspektive einen
interessanten Beitrag geliefert hat. In Wien stand er vor
Jahren an der Spitze eines »Salons der Zurückgewiesenen«,
und dieses unternehmende Temperament ist ihm verblieben.

Ludwig Hevesi.

Ausstellung moderner Ehrenurkunden und Ehren-
preise. Noch immer zählt ein Ehrenbürgerbrief in einer
Renaissancekassette, ein Ausstellungs- oder Vereinsdiplom
mit dem banalen und stereotypen, allegorischen Weib oder
ein Silberpokal, der landläufigen, abgedroschenen Vorbildern
fabrikmäßig nachgebildet ist, keineswegs zu den Selten-
heiten. Um nun hier eine Besserung anzubahnen, veran-
staltet das Kgl. Landesgewerbemuseum in Stuttgart
vom 5. Juni bis 10. Juli 1910 eine große Ausstellung von
Ehrenurkunden (Ehrenbürgerbriefe, Diplome verschiedener
Behörden und Körperschaften, Vereins-Ehrenurkunden und
dergleichen, event. mit Kassetten und Hüllen aller Art)
und Ehrenpreisen (Silber-Pokale von Schützen-, Sänger-,
Turn-, Sport und anderen Vereinsfesten, von Ausstellungen
aller Art, von Jubiläen und Gedenkfeiern, desgleichen Auf-
sätze aus Edelmetall oder Bronze, Ehrentafeln und Plaquen
in Guß, Treibarbeit, Gravierung, Email, Bildhauerarbeit
usw.). — Voraussetzung ist bei allen Arbeiten ein künst-
lerisch selbständiger Entwurf (unter Vermeidung aller ent-
lehnten historischen Formen) und eine technisch einwand-
freie Ausführung, hauptsächlich deutscher Herkunft aus
den letzten zehn Jahren.

SAMMLUNGEN
O Köln. Das Wallraf Richartz-Museum hat wiederum
eine erfreuliche Bereicherung seiner Gemäldegalerie er-
fahren. Kommerzienrat Karl Wahlen schenkte ein Bild
 
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