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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0168
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Vermischtes — Forschungen

320

Geschoß eine kunstgewerbliche Abteilung getreten, welche
vorerst Keramik, namentlich alte und neue Bürgeler Ton-
waren, Thüringer Porzellan, Zinn und Glas, städtische und
bäuerliche Trachten, Möbel und Schmiedearbeiten umfaßt.
Gleichzeitig wird im Ausstellungssaale des Museums eine
umfassende Sonderausstellung von alten Stickereien, nament-
lich Perlenarbeiten eröffnet, die sich aus den Beständen
des Museums und zahlreichen Leihgaben aus Jenaer Privat-
besitz zusammensetzt. Sie wird bis zum Spätherbst ge-
öffnet bleiben.

Mannheim. Durch die Initiative des Dr. Fritz Wiehert,
des jüngsten Galeriedirektors, wurde, wie schon kurz be-
richtet, (aus privaten Mitteln) der neu gegründeten Mann-
heimer Kunsthalle ein Hauptwerk Eduard Manets, das
berühmte Historienbild »l'execution de l'empereur Maxi-
milian« aus der Sammlung Denis Cochin-Paris zugeführt.
Von hinreißender Wirkung ist der Ernst, der die Manet-
sche neue Auffassung eines Historienbildes auszeichnet.
Wenn man für die monumentale Komposition auf dieser
Riesenleinwand von 305X252 ein Vorbild auffinden möchte,
so könnte man höchstens an eine Beziehung zu Velas-
quez' »Übergabe von Breda« denken. Eine künstlerische
Verwandtschaft zu Goyas bekanntem Bilde im Prado, das
ein ähnliches Motiv behandelt, waltet in der größten der
vier Skizzen zu Maximilians Erschießung (das Werk be-
findet sich in Amerika) vor. Das Mannheimer Original ist
indessen — trotz seiner hervorragend malerischen Quali-
täten und des plein air — in vollkommen plastischer Klar-
heit komponiert. Der Vorgang begibt sich im Vordergrund
des Gemäldes, in einem Gefängnishof vor einer schweren
Mauer, hinter der eine horizontlose Landschaft die Stim-
mung der Freudlosigkeit anzudeuten hilft. Vernachlässigt
wie die Landschaft ist auch die Gruppe der armseligen
Zuschauer, die, in einem Haufen zusammengenommen,
eine ornamentale Krönung für die Mauer bildet. Der
Blick des Beschauers wird mit kluger Berechnung auf die
zwei Gruppen des Vordergrundes konzentriert. Diese
zwei räumlich nahe aneinander gerückten Gruppen pon-
derieren haarscharf als Gesamtheit, so daß man keine
Figur zufügen oder wegnehmen könnte, ohne die Harmonie
der Komposition zu zerstören. In geistiger Beziehung ver-
körpert jede der Gruppen eine Welt. Kaiser Maximilian
zwischen seinen zwei Generalen, alle drei todesmutig, die
edle Gestalt des blassen Kaisers verklärt durch idealisierte
Standhaftigkeit — auf der Gegenseite ein Trupp schießen-
der Soldaten, zusammengehalten durch ein und denselben
Geist unterwürfiger Teilnahnilosigkeit. In dieser Kadenz
bestimmt die Tonart der isoliert stehende Unteroffizier mit
der roten Mütze, der den Hahn spannt, um nachzusehen,
wenn die bereits Feuernden Fehlschüsse tun sollten. Die
psychologische Charakterschilderung steht im Einklang mit
der geistreichen, das Düstere des Moments betonenden
Farbgebung. Soll man mehr die Vornehmheit des Farben-
strichs oder die starke Suggestion bewundern, die beide —
Kasernenhofstimmung und Gefängnis — illustrieren? Der
mächtige, ernste, von dem Bilde auf den Zuschauer über-
strömende Eindruck ist der der Ergriffenheit — totaliter
ist das Werk ein wirklich einzig dastehendes Historienbild.
Man wird sich nach Mannheim bequemen müssen, um
des Eindrucks, den keine Schilderung überliefern kann,
teilhaftig zu werden. Mit dem Debüt des Dr. Weichen
dürfen die Mannheimer zufrieden sein. Diese sonst so

kunstarme Stadt Mannheim steht vor einer vielversprechen-
den Zukunft, sofern es dem jungen Direktor gelingt, eine
weitere Unterstützung seiner Pläne durchzusetzen. Auf-
gaben sind vorhanden, gleichzeitig aber auch die Mittel,
eine künstlerische Kultur zu fördern. Alfred Mayer.

VERMISCHTES

o Ein ganz neuartiger Versuch der Einwirkung auf
kaufmännische Kreise wird von kunstverständigen Männern
in Köln gemacht werden. Es hat sich ein »Ausschuß für
Kunst in Handel und Gewerbe« gebildet, der nicht nur
die Verbreitung künstlerischen Verständnisses und Ver-
tiefung der Geschmacksbildung in den Kreisen des Kauf-
mannsstandes, sondern gleichzeitig eine Hebung und För-
derung des Kunstgewerbes in Köln erreichen will. Der
Ausschuß soll in enger Verbindung mit dem Kunstgewerbe-
museum stehen; die Führung der Geschäfte wird voraus-
sichtlich einem Fachgelehrten übertragen werden. Vielleicht
hat Osthaus, von dessen »Handelsmuseum« hier schon die
Rede war, den Anstoß zu dieser Neuerung gegeben.

X Stephan Sinding hat eine neue große Skulptur
vollendet, eine reitende Walküre, die im Kunsthause von
Keller & Reiner demnächst zur Ausstellung kommen wird.

Der erste Teil eines zweibändigen Werkes »Impres-
sionismus, ein Problem der Malerei in der Antike
und Neuzeit« von Dr. Werner Weisbach wird in kurzem
im Verlage von G. Grote in Berlin erscheinen.

FORSCHUNGEN

® Über altbayerische Totendarstellungen schreibt
Philipp Maria Halm im Münchener Jahrbuch der bildenden
Kunst (1902, 2. Halbband). Er geht aus von einem neu-
erworbenen Holzrelief des bayerischen Nationalmuseums,
dessen Darstellung er wohl nicht richtig als die Legende
von den drei Lebenden und den drei Toten deutet, der
kniende Beter vor dem Totenhause findet damit keine Er-
klärung. Die frühere Deutung auf eine Legende wie die
des Grafen von Törring scheint das richtigere zu treffen.
Eine ähnliche Darstellung findet sich auf einem Relief im
Kloster Scheyern, mit dem zwei weitere Reliefs im Ber-
liner Kaiser-Friedrich-Museum zusammengehören. Für
diese gibt Halm durchaus plausible Deutungen, indem er sie
als Armeseelendarstellungen bezeichnet. Auf dem einen ein
Bischof, der den Toten die Messen vorenthielt und darum
von ihnen bedroht wird, auf dem anderen ein Priester, der
die Totenmesse zelebriert, von rechts der Opfergang der
Lebenden, links das Fegefeuer in einem Berge. Die ikono-
graphisch interessanten Reliefs, die noch der eben erschie-
nene Berliner Katalog nicht zu deuten wußte, haben da-
mit eine befriedigende Erklärung gefunden. o.

© Als Meister des sogenannten Alessandro del Borro,
des vielbesprochenen und im Laufe der Zeit auf alle mög-
lichen und unmöglichen Namen getauften Bildnisses des
Berliner Kaiser-Friedrich-Museums, das noch in dem jüngst
erschienenen Katalog als Velasquez figurierte — wenn auch
mit Fragezeichen — nennt H. Voß jetzt in den Monats-
heften für Kunstwissenschaft (III, Heft 1) den römischen
Barockmaler Andrea Sacchi, indem er auf die Ähnlichkeit
mit dessen Porträt des Oreste Giustiniani in der Galerie
Borghese zu Rom und dem hl. Petrus in der Pinakothek
zu Forli hinweist.

Inhalt: Ludwig Hevisi. Von O. Kirstein. — Die französische Ausstellung in Elberfeld. — Aus Florenz. — Osman Hamdi Beif. — Personalien. —
Umbau des alten Rathauses in Leipzig; Verein für niedersächsisches Volkstum. — Porträt Karls I. von Velazquez gefunden; Seccotnalercien
in München entdeckt; Neue Menzelfunde. — Ausstellungen in München, Weimar, Breslau, Chemnitz, Budapest, Berlin. — Neuerwerbungen
Berliner Museen; Geschenk für die Techn. Hochschule in München; Eröffnung des Stadt. Museums in Jena; Ein Hauptwerk Manets in der
Mannheimer Kunsthalle. — Vermischtes. — Forschungen.

Herausgeber und verantwortliche Redaktion: E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf. o. m. b. h. Leipzig
 
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