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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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325

Ausstellungen

326

Die Holländer der Blütezeit sind besser als die gleich-
zeitigen Vlamen vertreten; von /. van Ruisdael, van Ooyen,
Wynanis, W. van der Velde werden einzelne charakteristische
Stücke bemerkt; ein Haupttreffer ist das Bildnis eines
schwarzgekleideten Mannes in ganzer Figur von 77z. de
Keyser, ein richtiges Galeriestück; kunsthistorisch fesselnd
ist das Porträt des kleinen Junkers von Dirck Sandvoort.
Einen besonderen Reiz verleiht der von Dr. E. Hensler
sehr geschickt gehängten Ausstellung eine kleine Abteilung
von Rokoko-Deutschen: dem Kasseler Joh. Heinrich Tisch-
bein ist eine ganze Wand gewidmet, neben ihm kommen
Seekatz, Georg Schütz und Januarius Zick zu Wort. Der
Nassauische Kunslverein, dem auch die Verwaltung der
städtischen Galerie obliegt, hat sich durch diese Ausstellung,
obschon sie in erster Linie den Bewohnern von Wiesbaden
zu gute kam, auch um die Kunstwissenschaft ein Ver-
dienst erworben, das nicht unterschätzt werden darf. Ein
leider gar zu kurz gefaßter Katalog von Dr. E. Hensler
wird die Erinnerung an den Versuch, einen Überblick
über den Wiesbadener Privatbesitz an alten Kunstwerken
zu geben, festhalten.

Retrospektive Ausstellung bei »Arti« in Amster-
dam (1839—1909). Der Amsterdamer Künstlerverein »Arti
et Amicitiae« hat zur Feier seines siebzigjährigen Bestehens
eine retrospektive Ausstellung veranstaltet, die über die
holländische Kunst dieser Zeit, von 1839 an, einen Über-
blick gewähren soll; nicht eigentlich bis zum heutigen Tag.
Denn die jungen Kräfte, die diesem Verein angehören, wie
etwa Breitner und Jacob Jsraels, haben sich nicht beteiligt.
Von noch lebenden sind überhaupt nur Josef Israels, H. W.
Mesdag, Willem Maris, Matthys Maris und Albert Neuhuys
vertreten; außerdem stehen gerade viele der modernsten
außerhalb des Vereins und bilden eine Gruppe für sich, die
Sint-Lucas-Vereeniging, eine Art Sezession, die zu dem
mehr akademischen »Arti« in einem gewissen Gegensatz
steht. Das Bild, das diese Ausstellung von dem Kunst-
schaffen der letzten siebzig Jahre geben soll, ist daher aus
der Art der Teilnehmer ein unvollkommenes; es ist die
Kunst etwabis 1890,abermitAusschlußder Abseitsstehenden,
wie van Goghs oder Toorops. — Daß auch in Holland um
die Mitte des vorigen Jahrhunderts, wie in Deutschland,
die Malerei einen bedenklichen Tiefstand erreicht hatte, daß
auch hier platte Mittelmäßigkeit herrschte, davon zeugen
die älteren Einsendungen auf dieser Ausstellung; vielleicht
stehen wir dieser Zeit auch noch zu nahe, um ihr gerecht
werden zu können; sie widerstrebt noch zu sehr unserem
Gefühl, unserer Geschmacksrichtung; wir empfinden noch
zu lebhaft unsere Gegensätzlichkeit zu diesen Stimmungen,
diesen Vorwürfen, dieser Auffassungsweise: die Menschen
scheinen uns auf den Bildern dieser Periode alle so edel,
so festtäglich, so theatermäßig, die Natur so romantisch
ausstaffiert oder zugestutzt, der Wiedergabe nur in roman-
tischen Momenten würdig, etwa bei Sonnenuntergang oder
bei Gewitter; die Auffassung so zahm, so kleinbürgerlich,
so konventionell, ohne starkes ursprüngliches Empfinden;
die Ausführung so proper, so korrekt, so steif und klein-
lich. Als Zeichner sind diese Künstler wahrscheinlich viel
genießbarer als in Öl; schon im Aquarell wirkt ein so ty-
pischer Vertreter der alten Schule, wie der Genremaler David
Bles, viel freier und moderner. — Von den beiden Piene-
mans verstand der ältere, einer der Mitbegründer von »Arti«
(1779—1833), wenigstens noch sein Fach, wie z. B. das im
Ryksmuseum befindliche Porträt einer älteren Dame beweist;
während die Werke seines Sohnes (1810—1860), Porträts
fürstlicher Persönlichkeiten aus dem Hause Oranien, fast
so glatt und flach wie Öldrucke wirken. Obwohl er nicht
vieLzu sagen hat, so verdient Bakker-Korff (1824—1882)

mit seinen miniaturhaft feinen, porzellanartig glatten Inte-
rieurs mit altmodischen alten Jungfern, die beim Tee zu-
sammen klatschen oder fromm in der Bibel lesen oder solo
die Kranke spielen, doch noch unsere Beachtung; die alt-
modisch-reiche Möblierung der Zimmer, die Atlaskleider
und seidenen Shawls der Damen, die Überzüge der Möbel,
das feine Geschirr mit den Lichtreflexen darauf, die Teppiche
auf dem Boden sind mit großem Fleiß und Liebe studiert;
und die Figuren selbst, mit den peinlich scharf umrissenen
und mit dem Haarpinsel behutsam angelegten rosigzarten
Gesichtern, passen in diese Räume; es sind gefällige kleine
Werkchen, geschickt komponiert, alles gleich sorgfältig be-
handelt, auch Bewegung, Haltung und Ausdruck der Figuren
natürlich und richtig; der Maler war eben auf seinem be-
schränkten Spezialgebiet ein Könner. — Mehr anekdotenhaft
und technisch weniger vollkommen ist dann David Bles
(1821 — 1899), ebenfalls ein Kleinmaler von Gesellschafts-
bildchen; er erzählt mehr, schildert weniger; neigt dabei
etwas zum Gemütlichen und Sentimentalen, während Bakker-
Korff immer kühl-vornehm bleibt. Seine Figuren steckt er
in Rokokotracht und umgibt sie mit Rokokomöbeln; doch
bleiben es Menschen seinerzeit; nur in dem Aquarell »Die
Musikstunde« kommt der elegant-heitere Charakter der
Watteauzeit noch am reinsten zum Ausdruck; auch in der
Farbe ist er hier fein. — Obwohl ungefähr aus derselben
Zeit wie die ebengenannten, ist Chr. Bisschop (1828—1904)
in seiner Malweise breiter und moderner; auch wählt er
ein größeres Format, woraus allein sich schon eine andere
Behandlung ergeben muß; seine Interieurs haben einen
ganz bestimmten lokalen Charakter; er malt hauptsächlich
Hinlopener Räume mit einer oder mehreren Figuren in der
friesischen Bauerntracht. Von seiner Hand sind zwei ganz
gute Bilder; auf dem einen ein junges Mädchen an einem
Tisch stehend, auf den durch ein offenes Fenster das Sonnen-
licht fällt; auf dem Tisch liegt eine schwere bunte Decke,
diese Decke ist hier beinahe die Hauptsache, auf dem
andern Bild ist eine Gruppe Frauen beim Abendmahl
dargestellt; die eine trinkt gerade andächtig-demütig aus
dem hohen Kelch. — Von den Landschaftern der älteren
Schule mit ihrer etwas romantischen Naturauffassungund ihrer
mehr zeichnerischen, für unser Gefühl kleinlichen Technik,
verdienen dann Erwähnung die beiden Bilders, Vater und
Sohn, und Hanedoes; sie haben zwar nicht das feine Ge-
fühl für die Farbe wie die späteren Meister der holländischen
Landschaft, die Maris, Weißenbruch, Mauve; trotzdem stehen
sie viel höher als etwa Koekkoek, weil man bei ihnen doch
eine starke Empfindung für die Natur verspürt, weil sie
ehrlich sind und keinen falschen Effekten nachjagen. Was
uns im Anfang etwas stört, ist mehr das Zufällige der Zeit-
einflüsse, denen sie sich nicht entziehen konnten. Doch
verfehlt das alte Schloß von Bilders (1811 - 1890), von hohen
Bäumen umstanden und von Rabenscharen umflattert, auch
heute noch nicht seine Wirkung, während die kleine Heideland-
schaft von Hanedoes (1822—1905) mit niedrigem Holz, aus
dem schlanke, schon etwas entlaubte Birkenstämmchen ganz
plastisch in den Himmel ragen, sogar modern anmutet;
hier greift der Maler ein ganz einfaches Motiv aus der Natur
heraus, ohne alles romantische Beiwerk, und behandelt das-
selbe ganz einfach und sachlich. — Seiner Zeit weit voraus
war sodann ein Künstler, dessen Name auch außerhalb
Hollands einen guten Klang hat: J. B.Jongkind (1819—1891);
großgedacht, auch von großen Dimensionen, ist dies Hafen-
bild von der französischen Küste; links im Schatten eines
hohen Felsens das Dächergewirr des Städtchens mit rauchen-
den Schornsteinen, außerordentlich lose und leicht behandelt,
rechts ein sich allmählich senkender flacher Strand, von
Figuren belebt, dann der ruhige, fast milchweiße glatte
Meeresspiegel mit Fischerbarken ,und am dunstigen Horizont,
 
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