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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Andreas Achenbach †
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0185

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

I4MRM

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXI. Jahrgang 1909/1910 Nr. 22. 15. April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

ANDREAS ACHENBACH f
Der Nestor der deutschen Künstler, Andreas Achen-
bach, der noch ein Altersgenosse Bismarcks und Men-
zels war und in die frische Zeit der Reaktion gegen
den Kartonstil der Klassizisten zurückragte, ist in fast
tizianischem Alter am 1. April in Düsseldorf gestorben.
Achenbach war am 29. September 1815 in Kassel
geboren; er hätte also im kommenden Herbst sein
fünfundneunzigstes Lebensjahr vollendet. Als ein
ehrfurchtgebietender Zeuge längstvergangener Tage
residierte er, ein aufrechter alter Herr, in der rhei-
nischen Kunststadt, zu deren Ruhm er so viel bei-
getragen, und es war ihm im letzten Dezennium noch
beschieden, die allgemeine Wertung seines Lebens-
werkes, nach einer Periode geringerer Schätzung,
wieder in hohem Maße steigen zu sehen. Vor dreißig
Jahren etwa mußte der Meister die schmerzliche Er-
fahrung machen, daß die Jugend von ihm abrückte.
Das war die Zeit, da Stauffer-Bern von den Bildern
Achenbachs schrieb, die »immer dieselbe Mühle,
immer denselben Wasserfall, immer dasselbe ,sturm-
gepeitschte Meer'« darböten. In der Tat hatte damals
der Erfolg den Künstler in eine Massenproduktion
hineingedrängt, die ins Schematische hinabgleiten
mußte, und die seinem Ansehen sehr gefährlich wurde.
Je weiter indessen die Jahre fortschritten, umso ener-
gischer suchte der greise Meister das Schablonenhafte
aus seinen Gemälden wieder herauszutreiben und Auge
und Hand, die nicht ermatteten, mit erneuter Sorg-
samkeit an der Natur zu schulen. Dann aber kam
die Bewegung, die in der Jahrhundertausstellung von
1906 ihren charakteristischen Ausdruck fand, und zu
den älteren deutschen Malern des 19. Jahrhunderts,
deren Frühzeit gleichsam wiederentdeckt und gegen
ihre eigene spätere Epoche verteidigt wurde, gehörte
auch der ältere der beiden Düsseldorfer Brüder.
Nun erkannte man die außerordentliche Bedeutung,
die Andreas einst im Kampfe für einen frischen Realis-
mus, für lebendige Wahrheit der Schilderung und für
die Pflege einer soliden malerischen Technik, eines
starken und intensiven Farbenausdrucks zukam. Und
man erinnerte sich der geradezu revolutionären Verve,
mit der er vor einigen Menschenaltern der roman-
tischen Konvention entgegentrat. Achenbach war
1823 als Knabe mit seinem Vater nach Düsseldorf
gekommen. Schon als Zwölfjähriger trat er in die
Akademie ein, nachdem sich in früher Kindheit sein

Talent bereits deutlich genug offenbart und mannig-
fache Reisen mit dem Vater seine empfänglichen Sinne
befruchtet hatten. Landschaftliche Motive aus der
Rheingegend bestimmten seine ersten Bilder, die noch
nicht frei von Alt-Düsseldorfer Empfindsamkeit waren.
Die entscheidenden Anregungen erhielt er 1832 durch
eine Studienfahrt ins benachbarte Holland und an die
Küste, die bald von Seereisen bis nach Hamburg und
Riga gefolgt war. Hier ging ihm die einfache Schön-
heit und der malerische Reichtum der niederländischen
Flachlandschaft, vor allem aber die Großartigkeit der
Nordsee auf, die vor ihm nur Preller in ihrer maje-
stätischen Wildheit erfaßt und geschildert hatte, und
die in eben jenen Jahren durch Heinrich Heine auch
in die deutsche Dichtung Eingang fand. In dem
Jahre, da er die Akademie verließ (1835), entstand
eine »Marine mit einem Leuchtturm«, im folgenden
Jahre der jetzt in der Neuen Pinakothek hängende
»Sturm an der schwedischen Küste«, die seinen Ruf
begründeten. Weitere Reisen führten Achenbach durch
Süddeutschland und nach Skandinavien (1838), wo
die Hochgebirgswelt und die Küstenlandschaft seiner
Vorliebe für heroische und gewaltige Szenerien neue
Nahrung gaben. Jahrzehnte hindurch blieb der
Künstler nun in dem Stoffkreise, in dem er sich ge-
funden hatte. Der »Untergang des Dampfers Präsi-
dent im Eise des Atlantischen Ozeans« (1842), der
«Hardanger Fjord bei Bergen« (1843), der »Ostender
Fischmarkt« in der Nationalgalerie (1866), drei seiner
berühmtesten Bilder, sind Repräsentanten ganzer
Gruppen seiner Werke. Ein längerer Aufenthalt in
Italien, der Achenbachs Aufsehen erregendem Über-
tritt zum Katholizismus (1843) folgte, brachte auch
in seiner Kunst eine Unterbrechung; die Landschaft
des Südens tritt in den Kreis seiner Studien. Aber
das war nur ein Intermezzo, und nach wie vor blei-
ben Seestücke aus der Gegend von Ostende, Blanken-
berghe, Scheveningen, holländische Hafen- und Fischer-
szenen, Wassermühlen aus Holland und Westfalen,
nordische Felsenreviere seine Themata. Die Eindring-
lichkeit und Naturwahrheit, mit denen Achenbach in
seiner ersten Periode die feuchte Luft über dem Meer
und an der Küste, die Ruisdaelsche Düsterkeit roman-
tischer Waldstimmungen, die Beleuchtungseffekte bei
bewölktem Himmel, die Farben und Töne der Land-
schaft, der Fischerdörfer, des Wassers, des fernen
Horizonts studierte, hielt sich freilich nicht auf dieser
 
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