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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Münchener Brief, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0193

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXI. Jahrgang 1909/1910 Nr. 23. 22. April.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern-
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

MÜNCHENER BRIEF
Münchens Besitz an Baudenkmälern früherer Zeiten
ist gering. Das ungeheure Wachstum der Stadt, Un-
kenntnis, Unverstand undMißachtungedlerSchöpfungen
der vergangenen Jahrhunderte ließen viel Herrliches
zerstören, das nun unwiederbringlich verloren ist
und weder durch Klagen noch Schelten gutgemacht
werden kann. Um so mehr aber sollte sich unsere
angeblich so kunstsinnige Zeit hüten, weiter solche
Verwüstungen vor sich gehen zu lassen und phleg-
matisch zuzusehen, wenn reiner Geschäfts- und Er-
werbssinn neuerdings alte Kunstdenkmäler zu schädigen
drohen. Jeder Besucher Münchens wird sich des
dicht an die Feldherrnhalle angebauten von Joseph
Effner im zweiten Viertel des achtzehnten Jahrhunderts
geschaffenen Preysing-Palais erinnern, das von jeher
als ausgezeichnetes und typisches Beispiel der Bau-
kunst jener Zeit galt. Gurlitt nennt es in seiner
Geschichte des Barockstils einen »Merkstein für die
Erkenntnis von Effners Kunst«, in dem sich »der
alternde Künstler1) noch als einer der flottesten Meister
des Deutschen Barocks erweist«. Er brachte es in
Zusammenhang mit Joh. Lucas Hildebrandts Palais
Kinsky in Wien, was Trautmann (a. a. O.) später
verneinte, indem er die Verwandtschaft der beiden
Bauten aus der gemeinsamen Quelle, dem italienischen
Barock herleitete. An Formenreichtum steht das
Münchener Palais, wie schon Gurlitt bemerkte, noch
über dem Wiener. Und wer einmal in das Haus
eingetreten (jetzt Sitz der Hypotheken- und Wechsel-
bank), der mag überrascht und verwundert die Reste
der inneren Ausstattung, das mit erlesenem Geschmack
in reicher Abwechselung geschmückte Stiegenhaus
angestaunt und tief bedauert haben, daß schon so
viel von diesem Juwel der Zerstörung anheimfallen
mußte. Und nun soll die Zerstörung noch weiter
gehen. Man beabsichtigt in die drei Fronten Läden
mit großen Schaufenstern einzubauen, die nicht nur
den äußeren Charakter des Baues vollkommen ver-
unstalten, sondern wahrscheinlich auch noch das wunder-
volle Treppenhaus im Innern in Mitleidenschaft ziehen

l) Josef Effner, geb. 1687, 1715 Hofbaumeister in
München, starb 1745. Für die Zeit der Erbauung des
P.-Palais gibt Ourlitt die Jahre 1740—50 an, Trautmann
hingegen (Monatsschrift des historischen Vereins von Ober-
bayern, 1895, S. 110) verlegt die Vollendung zwischen die
Jahre 1727 und 1734.

werden. Eine Zuschrift an die »Münchner Neuesten
Nachrichten« gab die Anregung, irgend ein adeliger
Klub möge das Gebäude als Gesellschaftshaus er-
werben und es so vor dem Schaden bewahren. Doch
scheint mir die Hoffnung, daß dieser Wunsch sich
erfüllen werde,- recht gering, da die Kosten für ein
Haus von solchen Dimensionen und in solcher Lage
so hoch sein dürften, daß selbst eine sehr bemittelte
Vereinigung sich hier vor ein Ding der Unmöglich-
keit gestellt sähe. Inzwischen hat sich der Landtag,
wo sie der Abgeordnete Buhl zur Sprache brachte,
mit der Angelegenheit beschäftigt und Minister von
Brettreich sprach die Meinung aus, es würde sich
wohl noch ein Weg finden lassen, dieses Bauwerk,
das er selbst eines der schönsten in München nannte,
der Stadt in seinem jetzigen Aussehen zu erhalten.
Wird diese Hoffnung aber auch Wirklichkeit, wird
das Ziel mit energischer Hand verfolgt werden? Wenn
sich nicht kunstsinnige und einflußreiche Persönlich-
keiten Münchens zu baldigem, tatkräftigen Einschreiten
verbünden, werden wir wohl in nächster Zeit, wenn
auch nicht um ein charakteristisches Werk des be-
ginnenden Rokoko ärmer sein, so doch uns mit einem
traurigen Fragment und Zerrbild des ursprünglich
Vorhandenen begnügen müssen.

Doch zu etwas Erfreulicherem. Schon seit einiger
Zeit sind in zwei Räumen des Nationalmuseums die
Neuerwerbungen des vergangenen Jahres ausgestellt,
die der Tätigkeit des neuen Direktors Hans Stegmann
alle Ehre machen und eine glückliche Hand verraten.
In reicher Anzahl und vorzüglicher Qualität wurden
vor allem keramische Arbeiten erworben, unter denen
besonders die Porzellane Beachtung verdienen. Ver-
treten sind Arbeiten aus Nymphenburg (Figürliches,
Gruppen,Serviceusw.undnichtzuletztdieausgezeichnete
von der Kgl. General-Bergwerks- und Salinenadministra-
tion überlassene Büste des Grafen Sigmund von Haim-
hausen von Dominicus Auliczek), Ansbach, Franken-
thal (Tiergruppen) und Wien (wappenhaltende Löwen),
welche die Bestände der Sammlung bedeutend be-
reichern werden. An Fayencen sind gute Exemplare
aus Bayreuth, Ansbach, Nürnberg und Hanau zu
nennen. Unter den Goldschmiedearbeiten finden sich
zwei in Silber getriebene Gebetbucheinbände, der
eine mit den Darstellungen der Geburt Christi und
der Verkündigung Maria, der andere mit der Kreu-
zigung und der Auferstehung Christi, in denen man
 
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