Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

DOI Artikel:
Wolf, August: IX. internationale Kunstausstellung in Venedig
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0235

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
453

Nekrologe — Personalien

454

interesse beansprucht.v Fast ist er noch bizarrer geworden,
nervenerschütternd sein großes Bild »Die Geißelbrüder«,
voll strömenden Blutes. Zwei der unglücklichen Büßer
erweisen inbrünstige Verehrung einem in Holz geschnitzten
und bemalten großen Kruzifixe, welches von Blut trieft,
während ein dabeistehender Geistlicher Gebete spricht. Der
Hintergrund eine in trostloser Felsenlandschaft erbaute
Stadt. Drei Frauen in große graue Tücher gehüllt, von
sibyllenhafter Häßlichkeit, kommen dann auch einzeln ge-
stellt auf einem zweiten Bilde vor. Es sind Typen aus
Altkastilien. Ein weiblicher Akt auf dem Sofa aus-
gestreckt von abschreckendem Realismus der Verkommen-
heit. Desto zahmer ist Benliure besonders in einer sehr
bunten Blumenverkäuferin aus Valencia. Ein prachtvoll
tiefgestimmtes Bild zeigt Rodriguez-Acosta: Betende in einer
kleinen Wallfahrtskirche. Das große Gemälde: »Nächt-
liches Fest in Madrid« von Chicharro y Agüera mußte im
großen Empfangssaale untergebracht werden. Sartorios
Dekorationen, welche die Gesamtwände des Saales be-
deckten und vom König angekauft, der Stadt Venedig ge-
schenkt wurden, werden auf der Italienischen Ausstellung
in Buenos Aires figurieren.

Mehr als je nimmt die italienische Malerei den meisten
Raum in Anspruch. Abgesehen von den in den inter-
nationalen Sälen untergebrachten Gemälden, befindet sich
die große Masse derselben in den 16 Sonderausstellungen
ebensovieler hervorragender Künstler. Es muß hervorge-
hoben werden, daß die Nachahmung nordischer Malerei
unter den Italienern nachgelassen hat, daß sie wieder
anfangen sich auf sich selbst zu besinnen; vor allem gilt
das von den Venezianern. So erregt es Aufsehen und
freudige Überraschung, daß der in Görz geborene aber
zum Venezianer gewordene Ilalico Brass, der sich auf den
früheren Ausstellungen durch seltsame Experimente be-
merkbar machte, nun mit einer Menge der flottesten Dar-
stellungen aus dem venezianischen Volksleben den Beweis
größter Geschicklichkeit liefert. Brass hat einen glücklichen
Gedanken gehabt in diesem Zurückgreifen auf das Aller-
nächstliegende, auf die tägliche Umgebung, für welche
die meisten seiner Kollegen den Blick verloren hatten. Auch
Milesi fängt wieder an, der zu werden, der er vordem war,
während es Scattola noch nicht überwunden hat, in seinen
sehr beachtenswerten Bildern aus Assisi, S. Gimignano usw.
fast nordische Stimmung anzustreben. Bei Sartorelli ist
alles Sonne, Licht und Luft, wenn auch etwas in konven-
tioneller Weise. Außerordentlichen Eindruck macht dies-
mal Fragiacomo mit seinen feingestimmten Landschafts-
und Lagunenbildern. Mitizanetti erfreut mehr, wenn man
eins oder zwei seiner effektsatten Landschaftsbilder mit
gewaltigen Baumkronen über glänzenden Wasserspiegeln
unter anderen Gemälden sieht. Hier in Masse aufgestellt,
wiederholt sich bereits Bekanntes. In zahlreichen feinen
Aquarellen stellt O. Carlandi Szenen aus Roms nächster
Umgebung dar. Unter den Lombarden ist es besonders
der Altmeister P. Carcano, der bewundert wird. Eine stolze
Reihe größerer Gemälde läßt begreifen, welches gerechte
Aufsehen diese seinerzeit gemacht haben müssen und wie
sie anderseits nie veralten können. Der Gletscher von
Cambrena ist vielleicht das Hervorragendste dieses trotz
seiner 78 Jahre noch in rüstiger Tätigkeit schaffenden Künst-
lers. Von den Toskanern ist nicht viel vorhanden. Wie
immer drängen sich die feuersprühenden großen Darstel-
lungen Nomellinis in den Vordergrund. Bei den Neapoli-
tanern hat man vom verstorbenen F. Netti (geb. 1832) eine
Zusammenstellung vieler seiner Arbeiten veranstaltet und
im 38. Saale bei den wenigen Neapolitanern untergebracht,
welche zu dieser Ausstellung eingeladen wurden. Nichts
Neues sagen uns die in besonderem Räume befindlichen

15 Temperalandschaften F. P. Michettis. Dagegen erregt
in eben diesem Räume gerechte Bewunderung die feine
Marmorskulptur des rühmlich bekannten Treniacosta, des
unglaublich gewissenhaften, geschmackvollen sizilianischen
Bildhauers. Es läßt sich nichts Feineres denken, als dieses
schlafende, in seiner Nacktheit so keusche und reine, wunder-
volle junge Mädchen. Unter dem wenigen Plastischen,
was die Ausstellung sonst noch bietet, kann sich nichts
mit diesem Meisterwerke messen. Genannt müssen noch
werden die zwei Bronzestatuen des Venezianers De Lotto:
»Arbeit« und »Sparsamkeit«, für die Vorhalle der hiesigen
Sparkasse bestimmt, sowie »Die Gefallene«, eine kolossale
Marmorarbeit von Terese Ries, zum Knäuel zusammen-
geballt, ihr Antlitz verhüllend.

So hätte denn Venedig wieder eine neue Anziehungs-
kraft durch diese neunte Ausstellung erhalten. Beängstigend
bleibt nach wie vor die Überproduktion und die stets zu-
nehmende Zahl ausübender Künstler, die alle verkaufen
wollen. Die Ankäufe haben bei der großen Anzahl der
Besucher jedoch bereits einen erfreulichen Anfang ge-
nommen. AUG. WOLF.

NEKROLOGE

4- Ludwig Willroider f. Am Sonntag, den 22. Mai
starb in Bernried am Starnberger See der bekannte Land-
schaftsmaler Ludwig Willroider im Alter von 65 Jahren.
Geboren zu Willach in Kärnten am 11. Januar 1845 als
Sohn eines Baumeisters, wandte er sich unter Leitung seines
älteren Bruders Joseph Willroider der Landschaftsmalerei
zu, kam im Jahre 1868 nach München, wo er Schüler von
Eduard Schleich, Adolf Lier und Karl Ebert wurde und
blieb fortan als einer der angesehensten Vertreter der Nach-
Schleichschen Landschaftsschule in dieser Stadt seßhaft.
Er war kgl. Professor, Ehrenmitglied der Akademie der
bildenden Künste und Inhaber hoher Orden. Auf seine
Arbeiten, deren sich fast in jeder größeren Galerie Deutsch-
lands welche vorfinden, wird uns hoffentlich bald eine
Nachlaß- und Gedächtnisausstellung Gelegenheit geben,
näher einzugehen.

+ Ludwig Gamp f. Am gleichen Nachmittag wie
Ludwig Willroider verschied in München der in Thiengen in
Baden i855geborene BildhauerLudwigGamp. Von 1873—79
Schüler der Münchener Akademie (Widmann) arbeitete er
dann eine Zeitlang mit Maison, später mit Voltz in Karls-
ruhe zusammen, kehrte 1882 nach München zurück, wo er
auf einer Glaspalastausstellung für einen gekreuzigten
Christus, der vom Staat angekauft wurde und sich jetzt
am Chor der Paulskirche befindet, die goldene Medaille
erhielt. Viele seiner plastischen Arbeiten finden sich an
Münchener Gebäuden, auf Friedhöfen und in Privatbesitz.

PERSONALIEN

Zum Nachfolger Prof. Artur Kampfs ist vom Senate
der Berliner Akademie der Künste Geh. Baurat Prof. Karl
von Großheim an die Spitze der Akademie berufen
worden.

Rom. Die Kommission, welche vom Unterrichtsminister
beauftragt worden war, einen Direktor für die Uffiziengalerie
in Florenz zu wählen, hat noch keinen definitiven Direktor
ernannt. Daraufhin hat der Minister den Direktor der
Nationalgalerie in Rom, Prof. Dr. Federico Hermanin, be-
auftragt, auf einige Monate kommissarisch die Florentiner
Galerien zu leiten. Nach diesem kurzen Interregnum wird
die Konkurrenz wieder ausgeschrieben werden und alles
läßt uns hoffen, daß endlich unter den jungen florentinischen
Forschern der ständige Direktor gewählt werden wird.
 
Annotationen