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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Schleinitz, Otto von: Londoner Brief
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Verschiedenes / Inserate
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0245

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473

Personalien — Wettbewerbe — Ausstellungen

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der internationalen Künstlergesellschaft in der nun-
mehr verflossenen »New-Gallery« abgehaltene »Aus-
stellung schöner Frauen« knüpft sich für mich eine
hochinteressante Erinnerung. Um schöne Frauen
in den Bildern, und nicht unter dem Publikum zu
sehen, war ich zu einer Tagesstunde in die Galerie
gegangen, von der ich annehmen konnte, daß sie
wenig zum Besuch einladet, und nach flüchtiger
Schätzung waren auch wohl kaum mehr wie ein
Dutzend Personen anwesend. Als ich, noch halb in
den Inhalt des beschreibenden Katalogs vertieft, nach
einem Gemälde aufsehe, steht König Eduard an meiner
Seite und wendet sich ohne Zeremoniell mit einem
gewinnenden Lächeln zu mir mit den Worten: »Der
Katalog ist wohl etwas irreführend? Er sollte lieber
die Überschrift tragen: .Ausstellung schöner und be-
rühmter Frauen', damit man in zweifelhaften Fällen
die Wahl der Entscheidung behält!« Als gewiegter
Fachkenner, Sachverständiger und Epikuräer war er
ohne Begleitung und vorherige Ansage, um besser
genießen zu können, zu einer stillen Zeit gekommen,
aber trotz seiner sichtlichen Enttäuschung blieb er
humorvoll und mild in der Kritik. Die vorsichtigeren
Galeriedirektoren haben seitdem seinen Rat und Wink
nicht unbenutzt vorübergehen lassen!

Unter der großen Anzahl von Ausstellungen in
räumlich kleineren Galerien erwähne ich vor allem
diesmal die »Baillie Gallery«, die Carlotta Popert
mit einer Reihe vorzüglicher Werke verschiedenster
Art beschickte. Es sind außer den Aquarellbildern
namentlich so vorzügliche Radierungen vorhanden, wie
ich sie von modernen Künstlern unserer Epoche kaum
je besser gesehen habe. Ganz besonderes Interesse
gewähren die Radierungen von Figuren und Köpfen
nach sardinischen Typen, Arbeiten, die im Ent-
wurf, in der Zeichnung, Ausführung, Technik und
treffenden Charakteristik als vollendete Meisterwerke
bezeichnet werden müssen. Die in ihnen liegende
Kraft ist um so mehr zu bewundern, als die
Schöpferin eine Dame ist! Aber auch die Radie-
rungen, die sich mit Japan beschäftigen, enthalten
reizende Blätter. Die Künstlerin, ein Schülerin Prellers,
Passinis und Barabinos soweit es sich um Malerei
handelt, bereiste den Orient und Japan, um hier Studien
an Ort und Stelle zu machen, deren Resultate hier
in einer schönen Aquarellsammlung vor uns liegen.
Die zahlreichen zu der großen anglo-japanischen Aus-
stellung anwesenden Japaner sind entzückt von Car-
lotto Poperts Auffassung japanischer Verhältnisse, der
tiefen Einsicht in ihr Familienleben und die treue
Schilderung der japanischen Natur.

Im allgemeinen war bereits an dieser Stelle über
den Umfang, die Unterabteilungen und den Zweck
der infolge des Todes von König Eduard am 14. Mai
ohne alles Festgepränge, durch den Organisator des
Unternehmens, Mr. Kiralfy, eröffneten »Anglo-Japa-
nischen Ausstellung« die Rede gewesen. Unter allen
Umständen weist letztere das Bedeutendste auf, was
bisher von japanischer Kunst in Europa gesehen wurde,
so daß es wohl gerechtfertigt sein dürfte, gerade diesem
Zweige eine besondere Besprechung zu widmen. Die

Vorliebe und die gewonnene größere Kenntnis für die
primitiven Italiener, hat uns für die Schätzung alt-
japanischer Kunst besser vorbereitet und mehr be-
fähigt. Früher war man fast immer geneigt, die ita-
lienischen Primitiven nicht für sich allein, sondern
nur in der Beziehung zu betrachten, daß z. B.
Giotto das nicht vermochte, was Rembrandt und
Velazquez erreichten. Altjapanische Kunst des 11.
und 12. Jahrhunderts darf eben nicht mit dem Maß-
stabe gemessen werden, den wir an unsere heutige
moderne Kunst anzulegen gewohnt sind!

O. v. SCHLEINITZ.

PERSONALIEN

Dresden. Erich Kleinhempel und May Frey, Lehrer
an der Kunstgewerbeschule, erhielten den Professortitel.

WETTBEWERBE
Beim Plakatentwurf für das Bismarcknational-
denkmal erteilte die Jury den ersten Preis von 2000 M. dem
Maler A. Stroedel-Borsdorf, den zweiten Preis von 1000 M.
an H. Muench und C. Sigrist-Stuttgart, den dritten von
500 M. an Max Kittler-Dresden. Eingegangen waren
333 Entwürfe, von denen 44 in die engere Wahl kamen.
Der Stroedelsche Entwurf wird ausgeführt.

Der Wettbewerb um die Stipendien der Michael
Beerschen Stiftungen im Betrage von je 2250 M. zu
einer einjährigen Studienreise nach Italien ist nunmehr
ausgetragen worden. Der Preis der Ersten Stiftung ist
dem Maler Eugen Hersch-Charlottenburg, der der Zweiten
Stiftung dem Kupferstecher Arthur Wilken-Berlin zuerkannt
worden.

AUSSTELLUNGEN

Hamburg. Wir sind in Hamburg nicht verwöhnt in
künstlerischen Dingen. Was man in den Kunstsälen außer
»bodenständiger« Malerei sieht, ist meistens ziemlich wahl-
los zusammengerafftes Strandgut, von der Welle des
deutschen Ausstellungslebens hier ans Land gesetzt. Um
so dankbarer muß man dem Vorstande des Deutschen
Künstlerbundes sein, der — nach schwerem Verzicht auf
eine Gemäldeausstellung, für die es an Räumen fehlt, —
wenigstens die dritte graphische Ausstellung dieser Ver-
einigung in Hamburg (Oalerie Commeter) veranstaltet hat.
Bei dieser Gelegenheit wurde auch der Preis der Villa
Romana-Stiftung in Florenz verliehen, der dem jungen Ba-
denser Hans Meid (Berlin) zufiel. Mit Recht, denn an Origi-
nalität der Technik — die kleinen Blätter sind zum größten
Teile in Kaltnadelarbeit ausgeführt — übertrifft Meid auch
die bekannten Graphiker. Neben manchen unpersönlichen
und langweiligen Korrektheiten, denen die Liberalität der
Jury Zutritt gewährte, erfreuen die energischen und uner-
schrockenen eigenwilligen Blätter Emil Noldes, Erich Heckeis
und Ernst Ludwig Kirchners. Die nachbildende und die illu-
strierende Graphik sind nur schwach vertreten. Die erste
durch Orliks unvollendetes Blatt nach Rogier van der Wey-
den, die zweite durch Wilhelm Wulffs unerfreuliche Tusch-
zeichnungen zu Grimms Märchen. Auch an guten Kari-
katuren fehlt es; über Zilles Buntstiftzeichnungen aus
Berlin O. wird man ja immer wieder lachen müssen, aber
sein Begabungsgebiet ist doch gar zu eng, C. Lange und
G. Tappert ragen über den guten Durchschnitt nicht hinaus.
Es ist in der Graphik heute ähnlich wie in der Lyrik: Das
technische Niveau ist allgemein so hoch, daß es wirklich
schwer fällt, nicht formal Tüchtiges zu leisten. Und doch
 
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