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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Knapp, Fritz: Die Städte alter deutscher Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0281

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXI. Jahrgang 1909/1910 Nr. 34. 5. August.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Oewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E.A.Seemann,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.

DIE STÄDTE ALTER DEUTSCHER KUNST
Die alten, so glorreichen Kunstzentren, fast alle in
Bayern, werden sie einstiger Größe entsprechend be-
wahrt, ja vermögen sie sich zu halten, wo München
mit gewaltiger Attraktion alles an sich ziehen will?
Hugo von Tschudi — der Meister, der die Berliner
Nationalgalerie zur ersten Sammlung neuer deut-
scher Kunst gemacht hat, der in ihr ein grund-
legendes Museum moderner Kunst überhaupt zum
Studium deutscher Künstler, des deutschen Volkes
schaffen wollte — wahrlich er hat alle Erwartungen,
mit denen man ihn nach München berief, um vieles
übertroffen. In wenigen Monaten nur hat er fest hinein-
greifend in das Gewirr mit der ihm eigenen leben-
digen Tatkraft alles umgestaltet und neues Leben werden
lassen dort, wo schon alles verstaubt und erstarrt schien.
Jeder wahre Freund der Kunst hat gewiß mit Freuden
gesehen, wie die Bilder gesäubert, wie sie von alten
Übermalungen befreit wurden, ganz abgesehen von
den neuen Aufstellungen. Und was noch in Arbeit
ist, was in einstigem Glänze, in aller Form wieder
erstehen wird, davon wird die Zukunft reden. Un-
eingeschränkte Anerkennung soll hier der zielbewußten
Tat, die hier selbst Gewaltsamkeiten im Interesse der
Sache notwendig machten, gezollt werden. Die Städte,
die sich unrechtmäßigerweise geschädigt fühlten so-
wohl wie die anderen, die verschont sind, sollten
sich nicht beklagen, sondern sich selbst fragen, ob
sie ihre Schuldigkeit denn auch getan haben, ob
dieses Eingreifen in eine vollständig vernachlässigte
Sache nicht notwendig war. Der Stolz Süddeutschlands,
Bayerns, sind doch all die vielen hervorragenden Kunst-
stätten alter Zeit. Nicht nur der von Stadt zu Stadt
Reisende, sondern auch der von Dorf zu Dorf Wan-
dernde wird immer wieder von neuem überrascht und
erquickt von Werken alter Kunst.

Nur mit Italien ist das Land in dem außerordent-
lichen Reichtum, den vielen Erinnerungen alter
Kultur vergleichbar. Und darum soll Italien, wo jeder
Stadt ihr Museum gelassen wird, zum Vorbild ge-
nommen werden. Wenn man das Land kennt, wenn
man es lieben gelernt hat mit all seinen Schätzen,
muß man das Versinken einstiger hervorragender Größe
vor der neuen Metropole München wahrlich schwer
bedauern. Nur wer überall im Lande war, kann
deutsche Kunst begreifen. Wer deutsche Kunst studieren
will, soll Augsburg, Nürnberg, Würzburg u. a. sehen.

Denn wie verschwinden Kunstwerke in den großen
Museen, den engen Räumen, wo sie magazinartig
zusammengehäuft sind? In Museen am alten Ort, wo
die Werke erstanden sind, wo dazu noch prachtvoll
erhaltene Städtebilder herrlichen Hintergrund geben
und lokalpatriotisches Verständnis wach ist, wirken
sie schon ganz anders. Was bedeuten gotische und
Renaissance-Statuen und noch viel mehr Barock- und
Rokokofiguren herausgerissen aus dem architekto-
nischen Rahmen? Was sind jene kunsthistorisch voll-
komtnnen, doch kühlen Museen gegenüber dem intimen
Lokalcharakter in den alten Kunststädten? Ich selbst
habe es schätzen gelernt, seitdem ich in Würzburg
bin. Darum darf ich dafür eintreten. Das Interesse
für das Volk fällt doch auch ins Gewicht. Gerade weil
es nicht Mittel hat, stundenweit zu fahren, soll an
diesen anderen Kunststätten Anregung gegeben werden.
Hinzu kommt, daß der Wert der Großstadt als Geistes-
konzentration in der modernen Entwicklung mehr und
mehr zurücktritt. In den deutschen Landen, wo nicht
allein jeder Staat, sondern auch jeder Stamm, jede
Persönlichkeit Selbständigkeit, eigenen Charakter be-
wahrt, eigenen Dialekt spricht, sollen sie alle die
Bayern, Franken, Schwaben usw. ihre eigene Kunst
bewahren. Darum: Sorget für euch, ihr Städte, für
eure alten Kunstschätze, wie für die lebendige, noch
tätige Kunst, damit alter Ruhm hoher Kultur und
Kunstpflege wieder neu werde.

Wenn hiermit München gegenüber dem Wunsche,
der Notwendigkeit um Berücksichtigung der einst so
herrlichen Kunstzentren Bayerns Ausdruck gegeben
ist, so ist das geschehen, um das Bewußtsein der
Pflicht in den Städten selbst wieder wachzurufen.
Die Regierung sorgt schon auf alle Weise für Erhaltung
der Kunstdenkmäler. Die Generalverwaltungen stehen
da voran. Das Museum zu Speier ist eröffnet worden.
An der Würzburger Universität ist eine Professur für
Kunstgeschichte errichtet worden. Aber traurig steht
es, wenn man fragt, was haben die Stadtverwaltungen
■— Nürnberg ausgenommen — bisher selbst getan.
Die Kunst hinkt da hinterher, trotzdem gerade sie an
den reichgeschmückten alten Kunststätten zur idealisti-
schen Erziehung des Volkes und zum materiellen
Wohle, d. h. zur Hebung des Fremdenverkehrs, beitragen
könnte. Was bedeuten heute noch die einst so großen
Kunstzentren: Regensburg im Mittelalter, Nürnberg in
der deutschen Renaissance, ähnlich Augsburg die
 
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