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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 21.1910

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Berliner Brief, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5952#0321

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13
Neue Folge. XXI. Jahrgang 1909/1910 Nr. 39. 16. September.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« monatlich dreimal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 40 Nummern.
Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt
eingesandt werden, leisten Redaktion und Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann ,
Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen an.£.3if

BERLINER BRIEF
Der Salon Cassirer hat den Kunstwinter durch eine schöne
Kollektivausstellung von Werken Johann Sperls eröffnet, eine
Veranstaltung, mit der die Freunde des Künstlers, die sie ins
Werk gesetzt, zugleich die Feier seines 70. Geburtstages
(3. November) begehen. Zum ersten Male tritt so Leibis
»Urfreund <, von dem man immer nur vereinzelte Arbeiten
sah, mit einer Auswahl vor die Öffentlichkeit, die als ein
Dokument seines gesamten Lebenswerkes gelten darf und
uns so die Möglichkeit gibt, das Schaffen dieses liebens-
werten Menschen und Malers im Zusammenhang zu be-
trachten. Man hat Sperl fast immer nur als einen Tra-
banten seines großen Freundes angesehen, mit dem er
die elf wichtigen Jahre in Aibling (1881—92) und dann
die nächste Zeit in Kutterling bis zu Leibis Tod ge-
meinsam hauste, und es ist gut, daß er nun endlich auch
einmal als ein Eigener zu Worte kommt. Denn das ist
Sperl gewesen, so wenig man leugnen wird, daß er die
entscheidenden Anregungen seines Lebens, gleich Leibi, erst
in Rambergs Atelier, dann durch Courbet und die Fon-
tainebleauer und schließlich eben durch den Freund selbst
erhielt. Bei Ramberg aber hatte Sperl sich zunächst zu einem
Genremaler entwickelt, der sich nicht allzusehr von den
übrigen besseren Vertretern dieser Spezialität unterschied.
Der »Hochzeitszug« und die »Schmückung zum Fest«,
die man jetzt als Repräsentanten dieser Zeit sieht, bieten
in der Auffassung und im Arrangement der Figuren durch-
aus nichts Ungewöhnliches. Doch auch hier spürt man
schon im Beiwerk den redlichen Natursinn und das ge-
sunde Farbengefühl, die sich neben der freundlich an-
spruchslosen Genrekonvention zum Worte melden; durchs
Fenster der Stube auf dem zweiten der genannten Bilder
sieht man einen winzigen Landschaftsausschnitt, der durch
die Weichheit und Schönheit seiner Malerei entzückt. In
der gleichen Periode entstand das »Bauernhaus in Pinz-
berg«, das schon ganz den warmen braunen Ton der
späteren Jahre hat. Und nun tritt langsam das Figürliche,
mit dem Sperl nie recht auf vertrautem Fuße stand, zurück,
um Jahre lang fast ganz aus seinen Bildern zu ver-
schwinden. Dafür erscheint jetzt die Reihe der Landschafts-
blicke, der Dorfäcker, der Gartenwinkel und Bauernstuben,
in denen alles auf ein inniges, ernsthaftes Erfassen der
farbigen Werte gestellt ist. Sperl teilt dabei mit Leibi die
Vorliebe für eine tiefe Tonmalerei und er strebt mit ihm
zu einer unerschütterlichen Solidität des Handwerks. Aber
gegenüber Leibis Kraft und Wucht steht Sperls zartere,
duftigere Art. Er hat nicht das Saftige, Erdhafte des Freun-
des, sondern eine behutsamere Pinselführung, die nicht,
wie die Leibis, den koloristischen Geheimnissen der Er-
scheinungen an die Wurzel greift, sondern mehr ihren
farbigen Schein ablöst. Aber in diesen Grenzen hat Sperl
in jener glücklichen Hauptepoche Vorzügliches geleistet.

Sein Blick für Einheit und Geschlossenheit des Bildeindrucks
hat sich damals so sicher entwickelt, daß er nun auch die
menschliche Gestalt ohne Dissonanz in den landschaftlichen
Rahmen einzuordnen weiß. Die Schilderung Leibis auf
der Hühnerjagd, die figurenreiche Jagdgesellschaft auf der
Heimkehr und anderes liefern dafür den Beweis. Und
jetzt hat er sich der Auffassung des Freundes so sehr ge-
nähert, daß die beiden Bilder entstehen konnten, die Leibi
und Sperl gemeinsam malten und signierten, und von denen
das eine die beiden Künstler selbst beim Waidwerk zeigt —
ein prachtvolles Dokument dieser einzigartigen Gemein-
schaft. Nach Leibis Tode hat Sperls Malerei dann im
letzten Jahrzehnt noch einmal eine neue Wendung ge-
nommen. Aus den eng umschlossenen Wald- und Zimmer-
interieurs richtete sich sein Blick über die weite ober-
bayerische Ebene, deren Wiesen und Felder in der Ferne
von den Silhouetten des Gebirges begrenzt sind, und er
gab Landschaftsschilderungen, die in der heimlichen Poesie
der befreienden Stimmung mit manchen Frühbildern Hans
Thomas eine gewisse Verwandtschaft haben. Zugleich
änderte sich seine Farbenskala, die sich überraschend auf-
hellte und aus der früheren Neigung zum Tonigen zu leb-
hafteren Harmonien überging. Nicht alles aus diesem letzten
Dezennium ist gleich gelungen, und neben feinen Schilde-
rungen voll sorgsam abgewogener Valeurs stehen manche
härteren und bunteren Stücke. Aber auch in ihnen lebt
das, was Sperls Kunst im Innersten charakterisiert: seine
andächtige Liebe zur Natur, seine stille, auf das Wesent-
liche gerichtete Art, die abseits von allen wechselnden
Strömungen des Tages nur sich selbst sucht und betätigt.
Seine Werke sind rechte Werke der Einsamkeit, in der ein
Künstler sich selbst findet, und auch da, wo das Technische
im einzelnen nicht alle Forderungen erfüllt, spricht zu uns
die phrasenlose Aufrichtigkeit und das andächtige Empfin-
den einer geraden, reichen und gütigen Persönlichkeit, die
wir lieben müssen. — Dem schön ausgestatteten Katalog der
Berliner Ausstellung hat Prof. Dr. Hans Mackowsky eine
treffliche Einleitung vorausgeschickt.

Die Angelegenheit des großen neuen Berliner KgL
Opernhauses kommt nun langsam in Fluß. Zunächst ist
eine Anzahl von Architekten zu einer engeren Konkurrenz
eingeladen worden, und zwar die Herren Geh. Oberhof-
baurat von Ihne, Geh. Hofbaurat Felix Genzmer, der
Charlottenburger Stadtbaurat Seeling, Geh. Baurat Franz
Schwechten, Prof. Max Littmann in München und der Ber-
liner Stadtbaurat Ludwig Hoffmann. Die Begrenzung der
Konkurrenz auf diese Künstlerzahl begegnet in Berlin viel-
fachem Widerspruch, weil man mit Recht geltend macht,
daß hierbei wiederum die Gesamtheit der jüngeren, vor-
wärts drängenden und frischen Kräfte übergangen worden
ist. Die Aufgabe, die es hier zu lösen gilt, ist eine so
bedeutsame und für die Entwickelung des Berliner Stadt-
 
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