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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

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https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0108

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Kongresse — Stiftungen — Vermischtes

zu dem neuerworbenen, signierten Annenaltar des Stä-
delschen Institutes in Frankfurt (cf. Zeitschrift für bil-
dende Kunst, November igto) ist diesen Werken, die
z. T. charakteristischerweise unter Namen wie dem Grüne-
walds (Schleißheimer Kreuzigung) gingen, gemeinsam eine
zur Glätte und Hübschheit der Spätwerke grell kontrastie-
rende Dramatik, oft von einer tiefen Innerlichkeit erfüllt, I
aber auch nicht selten — wie in den Schächerfiguren —
von einer grausamen Drastik belebt. Dabei ist auch hier
die Entwickelung nicht zu verkennen. Schon bei der
Marter der hl. Katharina (datiert 1506, Dresden) geht es
im Vergleich zu den früheren Werken bereits viel ge-
messener zu. Auch das Zurückweichen des landschaft-
lichen Elements, das in einem Werke wie der Ruhe auf
der Flucht gewissermaßen die Stimmung des Bildes schafft,
ist bezeichnend. In den Werken nach 1509 hat es bereits
jede Bedeutung verloren — und die neutralen schwarzen
Hintergründe sind ja dann ein Charakteristikum der Cra-
nachwerkstatt.

In einer schließlichen Würdigung des Meisters zählt
ihn der Vortragende mit den Werken dieser früheren Pe-
riode zwar nicht den Ersten bei wie Dürer und Holbein,
aber er stellt ihn primis proximus in eine Linie mit Künst-
lern wie Altdorfer, Baidung oder Grünewald.

Bei der Diskussion wurde vor allem die Frage nach
einer psychologischen Erklärung für diese Wandlung im
Wesen des Künstlers laut.

Prof. Springer erinnerte an eine der Mailändischen
Schule entstammende miniierte Handschrift des Berliner
Kupferstichkabinetts (aus der Sammlung Hamilton), ent-
haltend einen Liebesroman »Paolo und Daria amanti« von
Gasparo Visconti. Diese in Seidlitz' »Leonardo da Vinci«
neuerdings erwähnte Handschrift hat der Vortragende bereits
vor Jahren in einer Notiz an entlegener Stelle dem Cristoforo
da Predis, dem älteren Bruder des bekannteren Ambrogio,
zugeschrieben. Von diesem Miniator sind bis jetzt vier
Handschriften bekannt geworden, die sich sämtlich in die
Siebzigerjahre des 15. Jahrhunderts datieren lassen und
bis auf eine auffälligerweise ausdrücklich signiert sind. Die
schönste, von Luca Beltrami publizierte, das Libro d'Ore
Borromeo der Ambrosiana, hat nach dem Namen noch die
patriale Bezeichnung Mds=Mediolanensis. Durch diese wird
aber die Erklärung des vorangehenden »Mt< als Mutinensis
hinfällig und die sich auch aus zwei urkundlichen Bemer-
kungen (Mutulus ad nutum intelligens) bestätigende Ver-
mutung Mottas, Cristoforo sei taubstumm gewesen und
habe durch die Erwähnung dieses Gebrechens bei seiner
Signatur das Interesse für seine Kunst steigern wollen,
wird zur historischen Gewißheit.

Das Titelblatt der Handschrift fehlt, für eine Datierung
ergeben sich als Termini 1480 (Widmung an Lodovico
Sforza) und 1492 (Jahr der Drucklegung). Aus dieser
zeitlichen Differenz ist auch die stilistische Verschieden-
heit von den früheren Werken zu erklären. Der Einfluß
Bramantes liegt dazwischen, des für die mailändische
Kunst zu so großer Bedeutung herangewachsenen Meisters,
der auch in den Gesängen der Dichtung erwähnt wird
und dessen Einwirkung sich vor allem in der Verbesserung
der Perspektive und in der Vorliebe ausspricht, die ihrer
Regeln auf Architekturen angewendet zu zeigen, welche
die Hintergründe der kleinfigurigen bewegten Szenen
bilden. Von einem Einfluß Leonardos, der ja auch be-
reits seit 1482 in Mailand war, läßt sich nichts feststellen.
Seine Neuerungen auch nur in beschränkter Weise in sich

aufzunehmen, scheint Cristoforo vielleicht schon zu alt ge-
wesen zu sein.

Anschließend geht der Vortragende noch auf die Frage
nach der Miniaturentätigkeit des Ambrogio da Predis ein, an
die man nun nicht mehr glaubt, und die auch Seidlitz nur
mehr mit Reserve erwähnt, seitdem Venturi (Arte 1908) das
I Libro pontificale des Vatikan, ausgehend von dem Blatt
der Albertina für Alexander VI. (Ausgießung des hl. Geistes)
dem Antonio da Monza zugeschrieben hat.

In der Diskussion gibt Geheimrat von Seidlitz die bei
ihm vom Vortragenden vermutete Reserve zu und weist
auf eine andere Handschrift in Genf hin, welche vielleicht
auch zu den Werken Cristoforos zu zählen sein wird.

Georg Sobotka.

+ München. In der Dezembersitzung der philoso-
phisch-philologischen und historischen Klasse der k. bayr.
Akademie der Wissenschaften hielt unter anderem Herr
Geheimrat von Reber einen Vortrag Ȇber die Stellung
der Hethiter in der Kunstgeschichte , in dem er mit
vorzugsweiser Verwertung der Berichte über die Aus-
grabungen von Sendschirli und Boghaskoi hauptsächlich
die Plastik des genannten Volkes behandelte. Der in den
Sitzungsberichten zum Abdruck kommende Vortrag wird
außerdem auch eine historische Einleitung sowie einiges
über die Architektur der Hethiter enthalten.

+ München. »Das Architekturbild in der nieder-
ländischen Malerei« war das Thema eines Vortrags, den
kürzlich Prof. Dr. Döhlemann im Münchner Architekten-
und Ingenieurverein hielt. Nach Besprechung der nur als
Beiwerk verwendeten Architekturmalerei in den Bildern
der niederländischen Meister des 15. und 16. Jahrhunderts
ging der Vortragende auf die eigentlichen Architekturmaler
über, an deren Spitze er den in der zweiten Hälfte des
16. Jahrhunderts tätigen Hans Vredemann de Vries stellte,
um dann die Meister des 17. Jahrhunderts aus den Schulen
von Antwerpen, Hartem und Delft folgen zu lassen.

KONGRESSE

Ein allrussischer Künstlerkongreß wird am 17./30.
April 1911 in St. Petersburg stattfinden. Großfürst Ni-
kolai Michailowitsch hat dem Kongreß Säle seines Palais
zur Verfügung gestellt. Bisher sind bereits 50 Vorträge
angemeldet worden.

STIFTUNGEN
Der verstorbene Begründer der Maschinenfabrik R.Wolf
in Buckau bei Magdeburg, Geh. Kommerzienrat Rudolf
Wolf, hat dem Kaiser - Friedrich - Museum in Magde-
burg letztwillig den Betrag von 200000 Mk. zugewendet.

VERMISCHTES
Dresdner Kunstakademie. Das Atelier für dekorative
Malerei des Prof. Dr. Otto Gußmann ist jetzt zum Range
eines akademischen Meisterateliers erhoben worden. Es
hat harte Kämpfe gekostet, ehe der Widerstand der »hohen
Kunst«, die dekorative Kunst als gleichberechtigt anzuer-
kennen, im akademischen Rate gebrochen werden konnte.
Gußmann hat sich seine Stellung durch ausgezeichnete
Leistungen auf dem Gebiete dekorativer Kunst gesichert.
Er hat u. a. in der Lukas- und in der Christuskirche, die
Decken im Beratungssaal des Ministeriums des Innern und
in der Aula des Georgsgymnasiums zu Dresden gemalt
und malt gegenwärtig das Treppenhaus im neuen Rathaus
zu Dresden aus.

Inhalt: Ferdinand Laban f. Von M. J. Friedländer. — Die Florentiner Ausstellung moderner retrospektiver Kunst. Von Fed. H. — O. Wustmann t;

J. Uphues f; Max Meckel t- — Personalien. — Wettbewerbe: Aula des Königstädt. Gymnasiums; Bismarckturm in Hof i. B.; Staatsprejse
der Berliner Akademie; Brunnen für Grimma; Bismarckturm in Charlottenburg; Breslauer Zoologischer Oarten; Bismarckdenkmal in Or-
dingen; Württembergisches Reformationsdenkmal. — Brunnen von G. Wrba in Dresden; Denkmai für Otto von Wittelsbach in München.—
Griech.-röm. Katakombe und Pompejaner Fresken gefunden. — Ausstellungen in München, Amsterdam, Berlin, Rom. — Leihgabe an das
Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt. — Deutscher Verein für Kunstwissenschaft, Münchener Architekten- und Ingenieurverein ; Münchener
Künstlergenossenschaft; Berliner Kunstgeschichtl. Gesellschaft; Philos.-philol. u. histor. Klasse der kgl. bayr. Akademie der Wissenschaften. —
Allrussischer Künstlerkongreß. — Stiftung für das Kaiser-Friedrich-Museum in Magdeburg. — Vermischtes.

Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., o. m. b. h, Leipzig
 
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