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Forschungen
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gehen. Die Bauhandwerker brauchen das vor allen andern
heute mehr denn je. In dieser Erkenntnis sind wir uns
jetzt einig in Weimar, und der Staat hat durch das richtige
Eingehen auf diese Prinzipien der »Kunsterziehung« (um das
mißbrauchte Wort einmal richtig anzuwenden) und durch
die Berufung der rechten Kräfte an die rechten Plätze sich
ein Verdienst erworben, das man anerkennen muß. Be-
deutsam und erfreulich in dieser Richtung schien auch die
Rede, die der neue Direktor der Baugewerkschule anläßlich
der Feier zu Kaisers Geburtstag in der Aula der Schule
vor versammeltem Lehrerkollegium nebst einigen geladenen
Gästen und Vertretern des Ministerial- Departements ge-
halten hat. Es war keine der üblichen, an der Oberfläche
der Dinge vorsichtig hinschleichenden Ansprachen, die so
oft bei der Feier zu Kaisers Geburtstag, die eine ernste sein
sollte, mangelnden Ernst durch glatte Worte zu ersetzen
suchen. Dr. Klopfers Rede war ein wohlausgearbeiteter, durch-
dachter Vortrag mit einem Inhalt, der bei allem Wohlwollen
gegen die berechtigte und gute Tradition den Dingen
auf den Grund ging und die Übel und Schwächen beim
rechten Namen nannte: Heimatschutz und Baugewerkschul-
unterricht lautete das Thema, das in zusammenfassender
Übersicht ziemlich alles zum Ausdruck brachte, was
richtunggebend für die Zukunft werden muß. Ich deute
hier nur die wesentlichen Punkte kurz an, da es an Raum
gebricht, an dieser Stelle näher auf die einzelnen Gebiete
des Grundlage-Unterrichts näher einzugehen. Klopfer
betonte nach einer knappen historischen Rückschau der
letzten Generation in der Hauptsache dreierlei: »Der
verhängnisvolle Satz »Wissen ist Macht« zeitigte einen
Gelehrtenstand von Architekten, dessen Ruhm darauf
hinausging, bis in das Millimeter genau die alten Formen
abzuklatschen!« Das ist zwar jetzt ein überwundener
Standpunkt, aber was vor allem nun not tut, ist die Beratung
des bauenden Mittelstandes. Wer baut da draußen, wo
die Heimat tatsächlich noch Daseinsberechtigung hat, in
kleinen Städten und auf dem Lande?, wer baut da die
Häuser, Scheunen, Gehöfte, ja sogar Kirchen? Nicht der
auf der Hochschule erzogene Akademiker, sondern der
Baugewerksmeister. Der Bautechniker, sei es Hochbau
oder Tiefbau, gestaltet auf dem Lande die Gegend. Es
ist nichts mehr und nichts weniger anzustreben, als das
Gefühl für die Heimat wieder in unseren Schülern zu er-
wecken, und zwar jede Baugewerkschule dasjenige, was
zum Verstehen und Empfinden ihres (lokalen) oder land-
schaftlichen Heimatkreises erforderlich ist. Mehr nicht:
Aber das ganz und gründlich! Dazu hält Klopfer die
drei Fächer: Freihandzeichnen, Qestaltungs-Lehre und Ent-
werfen für die wichtigsten und wertvollsten auf dem Schul-
plan. Abzeichnen des Geschauten ist das erste; ordentlich
Einprägen beim Ansehen des Hauses, oder von Teilen des
Hauses, draußen oder drinnen, Dach oder Decke. — Hier
tritt die leider erst seit knapp drei Jahren an den deutschen
Baugewerkschulen eingeführte Gestaltungslehre, an Stelle
der früher üblichen und so viel mißbrauchten »Formenlehre«.
Die Gestaltungslehre verzichtet auf das Lehren ehemaliger
Stileigentümlichkeiten zu gunsten des Empfindens für das
Wesentliche eines Baues, sowie für die wirtschaftlichen
Forderungen, aus denen er bei Benutzung des ortsüblichen
heimatlichen Baumateriales entsteht und entstehen mußte.
Wichtig dabei ist, daß dem Schüler klar wird: für eine Bau-
idee gibt es nicht etwa nur einen Grundriß, sondern tausende!
Nun suche dir den, aus dem ein Hausganzes wachsen kann,
das bis ins kleinste sowohl der Umgebung wie den mo-
dernen wirtschaftlichen und konstruktiven Anforderungen
entspricht. Das ist die Aufgabe der Gestaltungslehre.
Industrie und Kunst stehen in keinem Gegensatz! Es hat
sich bisher nur darum gehandelt, daß das viele Neue, das
I die Industrie zeitigte, nicht sofort in die rechte Form ge-
zaubert werden konnte; doch die Form ist im Werden
und die Heimat und deutsches Wesen werden den Gewinn
haben! — Das war eine ernst-frohe Ansprache zu Kaisers
Geburtstag! Prof. Schölermann.
Eine Erweiterung des Rathauses von Charlotten-
burg, das in seinem bestehenden Teil von den Architekten
Reinhardt und Süßenguth in Charlottenburg erbaut wurde,
ist jetzt mit einem Aufwände von rund drei Millionen in
Aussicht genommen. Die Erweiterung erfolgt nach dem
Entwurf des Stadtbaurates Prof. Heinrich Seeling.
Pierpont Morgan hat die berühmte Swenigorods-
koi-Sammlung von byzantinischen Schmelzarbeiten für
eine Million Francs erworben.
FORSCHUNGEN
Zu Dürers ersten italienischen Studien. Es sind
meines Wissens vier Fälle bekannt, in denen der junge
Dürer die Venezianerin seines Zeitalters zum Gegenstände
künstlerischer Darstellung gemacht hat. Er tat es auf den
Handzeichnungen L. Meder 450 (Albertina), L. 187 (Frank-
furt a. M., Städelsches Institut), Blatt IX im Bande 1906
der Publikationen der Dürer - Society (Basel, Öffentliche
Kunstsammlung) und der Holzschnittdarstellung des Baby-
lonischen Weibes auf dem Blatte B. 73 der Apokalypse.
Es ist dabei unberücksichtigt geblieben, daß auch der unter
dem Titel »Meerwunder« bekannte Kupferstich Dürers
(B. 71) die Figur einer Venezianerin aufweist. Die hände-
ringend auf den Felsen hingesunkene Dame am Meeres-
ufer ist nämlich an ihrem Schöpfe und Dekolletage als
solche erkenntlich. Ich halte den Hinweis auf dieses Motiv
deshalb für nötig, weil bei dem heutigen Stande der Dinge
noch alles willkommen ist, was auf Dürers erste italienische
Reise und die Nachhaltigkeit der jenseits der Alpen ge-
sammelten Impressionen hindeutet. z. Takdcs.
ffÖ %
In der Sammlung
BERÜHMTE KUNSTSTATTEN
erschien soeben als Banö 53:
MÜNSTER
von Hermann Schmitz
234 Seiten mit 144 Abbildungen. Eleg. geb. Mk. 3.—
Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig
I n Ii a 11: Wann ist Paolo Veronese geboren ? Von Hade'n. — M. Müller f; Mac Whirter t; P. Mohn f; R. Ebner f. — Personalien. — Wettbewerbe :
Kurhaus in Karlsbad, Rüdesheimer Platz in Berlin, Kirche in Sablon bei Metz, Verkehrsmuseutn in Nürnberg. — Die Ausgrabungen der
Amerikaner in der Oase Kharga. — Ausstellungen in Düsseldorf, Elberfeld, Wien, Darnistadt, Berlin, Chemnitz. — Erwerbungen des Metro-
politan-Museums in New York, des Louvre in Paris, des staatlichen Museums in Santiago. — Archäolog. Institut in Athen. — Internationaler
Künstlerkongreß in Rom. — Handbuch der Kunstgesch. Spaniens; Bergner, Grundriß der Kunstgeschichte; Zeitschrift »Alt-Frankfurt«. —
Vermischtes. — Zu Dürers ersten italienischen Studien. — Anzeige.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q. m. b. h., Leipzig
Forschungen
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gehen. Die Bauhandwerker brauchen das vor allen andern
heute mehr denn je. In dieser Erkenntnis sind wir uns
jetzt einig in Weimar, und der Staat hat durch das richtige
Eingehen auf diese Prinzipien der »Kunsterziehung« (um das
mißbrauchte Wort einmal richtig anzuwenden) und durch
die Berufung der rechten Kräfte an die rechten Plätze sich
ein Verdienst erworben, das man anerkennen muß. Be-
deutsam und erfreulich in dieser Richtung schien auch die
Rede, die der neue Direktor der Baugewerkschule anläßlich
der Feier zu Kaisers Geburtstag in der Aula der Schule
vor versammeltem Lehrerkollegium nebst einigen geladenen
Gästen und Vertretern des Ministerial- Departements ge-
halten hat. Es war keine der üblichen, an der Oberfläche
der Dinge vorsichtig hinschleichenden Ansprachen, die so
oft bei der Feier zu Kaisers Geburtstag, die eine ernste sein
sollte, mangelnden Ernst durch glatte Worte zu ersetzen
suchen. Dr. Klopfers Rede war ein wohlausgearbeiteter, durch-
dachter Vortrag mit einem Inhalt, der bei allem Wohlwollen
gegen die berechtigte und gute Tradition den Dingen
auf den Grund ging und die Übel und Schwächen beim
rechten Namen nannte: Heimatschutz und Baugewerkschul-
unterricht lautete das Thema, das in zusammenfassender
Übersicht ziemlich alles zum Ausdruck brachte, was
richtunggebend für die Zukunft werden muß. Ich deute
hier nur die wesentlichen Punkte kurz an, da es an Raum
gebricht, an dieser Stelle näher auf die einzelnen Gebiete
des Grundlage-Unterrichts näher einzugehen. Klopfer
betonte nach einer knappen historischen Rückschau der
letzten Generation in der Hauptsache dreierlei: »Der
verhängnisvolle Satz »Wissen ist Macht« zeitigte einen
Gelehrtenstand von Architekten, dessen Ruhm darauf
hinausging, bis in das Millimeter genau die alten Formen
abzuklatschen!« Das ist zwar jetzt ein überwundener
Standpunkt, aber was vor allem nun not tut, ist die Beratung
des bauenden Mittelstandes. Wer baut da draußen, wo
die Heimat tatsächlich noch Daseinsberechtigung hat, in
kleinen Städten und auf dem Lande?, wer baut da die
Häuser, Scheunen, Gehöfte, ja sogar Kirchen? Nicht der
auf der Hochschule erzogene Akademiker, sondern der
Baugewerksmeister. Der Bautechniker, sei es Hochbau
oder Tiefbau, gestaltet auf dem Lande die Gegend. Es
ist nichts mehr und nichts weniger anzustreben, als das
Gefühl für die Heimat wieder in unseren Schülern zu er-
wecken, und zwar jede Baugewerkschule dasjenige, was
zum Verstehen und Empfinden ihres (lokalen) oder land-
schaftlichen Heimatkreises erforderlich ist. Mehr nicht:
Aber das ganz und gründlich! Dazu hält Klopfer die
drei Fächer: Freihandzeichnen, Qestaltungs-Lehre und Ent-
werfen für die wichtigsten und wertvollsten auf dem Schul-
plan. Abzeichnen des Geschauten ist das erste; ordentlich
Einprägen beim Ansehen des Hauses, oder von Teilen des
Hauses, draußen oder drinnen, Dach oder Decke. — Hier
tritt die leider erst seit knapp drei Jahren an den deutschen
Baugewerkschulen eingeführte Gestaltungslehre, an Stelle
der früher üblichen und so viel mißbrauchten »Formenlehre«.
Die Gestaltungslehre verzichtet auf das Lehren ehemaliger
Stileigentümlichkeiten zu gunsten des Empfindens für das
Wesentliche eines Baues, sowie für die wirtschaftlichen
Forderungen, aus denen er bei Benutzung des ortsüblichen
heimatlichen Baumateriales entsteht und entstehen mußte.
Wichtig dabei ist, daß dem Schüler klar wird: für eine Bau-
idee gibt es nicht etwa nur einen Grundriß, sondern tausende!
Nun suche dir den, aus dem ein Hausganzes wachsen kann,
das bis ins kleinste sowohl der Umgebung wie den mo-
dernen wirtschaftlichen und konstruktiven Anforderungen
entspricht. Das ist die Aufgabe der Gestaltungslehre.
Industrie und Kunst stehen in keinem Gegensatz! Es hat
sich bisher nur darum gehandelt, daß das viele Neue, das
I die Industrie zeitigte, nicht sofort in die rechte Form ge-
zaubert werden konnte; doch die Form ist im Werden
und die Heimat und deutsches Wesen werden den Gewinn
haben! — Das war eine ernst-frohe Ansprache zu Kaisers
Geburtstag! Prof. Schölermann.
Eine Erweiterung des Rathauses von Charlotten-
burg, das in seinem bestehenden Teil von den Architekten
Reinhardt und Süßenguth in Charlottenburg erbaut wurde,
ist jetzt mit einem Aufwände von rund drei Millionen in
Aussicht genommen. Die Erweiterung erfolgt nach dem
Entwurf des Stadtbaurates Prof. Heinrich Seeling.
Pierpont Morgan hat die berühmte Swenigorods-
koi-Sammlung von byzantinischen Schmelzarbeiten für
eine Million Francs erworben.
FORSCHUNGEN
Zu Dürers ersten italienischen Studien. Es sind
meines Wissens vier Fälle bekannt, in denen der junge
Dürer die Venezianerin seines Zeitalters zum Gegenstände
künstlerischer Darstellung gemacht hat. Er tat es auf den
Handzeichnungen L. Meder 450 (Albertina), L. 187 (Frank-
furt a. M., Städelsches Institut), Blatt IX im Bande 1906
der Publikationen der Dürer - Society (Basel, Öffentliche
Kunstsammlung) und der Holzschnittdarstellung des Baby-
lonischen Weibes auf dem Blatte B. 73 der Apokalypse.
Es ist dabei unberücksichtigt geblieben, daß auch der unter
dem Titel »Meerwunder« bekannte Kupferstich Dürers
(B. 71) die Figur einer Venezianerin aufweist. Die hände-
ringend auf den Felsen hingesunkene Dame am Meeres-
ufer ist nämlich an ihrem Schöpfe und Dekolletage als
solche erkenntlich. Ich halte den Hinweis auf dieses Motiv
deshalb für nötig, weil bei dem heutigen Stande der Dinge
noch alles willkommen ist, was auf Dürers erste italienische
Reise und die Nachhaltigkeit der jenseits der Alpen ge-
sammelten Impressionen hindeutet. z. Takdcs.
ffÖ %
In der Sammlung
BERÜHMTE KUNSTSTATTEN
erschien soeben als Banö 53:
MÜNSTER
von Hermann Schmitz
234 Seiten mit 144 Abbildungen. Eleg. geb. Mk. 3.—
Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig
I n Ii a 11: Wann ist Paolo Veronese geboren ? Von Hade'n. — M. Müller f; Mac Whirter t; P. Mohn f; R. Ebner f. — Personalien. — Wettbewerbe :
Kurhaus in Karlsbad, Rüdesheimer Platz in Berlin, Kirche in Sablon bei Metz, Verkehrsmuseutn in Nürnberg. — Die Ausgrabungen der
Amerikaner in der Oase Kharga. — Ausstellungen in Düsseldorf, Elberfeld, Wien, Darnistadt, Berlin, Chemnitz. — Erwerbungen des Metro-
politan-Museums in New York, des Louvre in Paris, des staatlichen Museums in Santiago. — Archäolog. Institut in Athen. — Internationaler
Künstlerkongreß in Rom. — Handbuch der Kunstgesch. Spaniens; Bergner, Grundriß der Kunstgeschichte; Zeitschrift »Alt-Frankfurt«. —
Vermischtes. — Zu Dürers ersten italienischen Studien. — Anzeige.
Verantwortliche Redaktion: Gustav Kirstein. Verlag von E.A.Seemann, Leipzig, Querstraße 13
Druck von Ernst Hedrich Nachf., q. m. b. h., Leipzig