Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 22.1911

DOI Artikel:
Münchener Brief
DOI Artikel:
Verschiedenes / Inserate
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.5953#0249

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
473

Nekrologe — Personalien — Wettbewerbe

474

Landenberger und dem Simplicissimuszeichner Wil-
helm Schulz qualitätvolle Arbeiten zu sehen. Eine
der merkwürdigsten und großzügigsten Erscheinungen
aber ist Ferdinand Hodler, dessen graphisches Schaffen
man an 60 Zeichnungen und Entwürfen eingehend
studieren konnte. Seine Linie ist voll Empfindung,
sein^Stil von einer Größe, die schon in der kleinen
Zeichnung den geborenen Wandmaler erkennen läßt,
seine Mittel einfach, oft unbeholfen, aber vollkommen
zum Ausdruck bringend, worum es ihm zu tun ist.
Bei mancher seiner Arbeiten mögen einem Gedanken
an italienische Quattrocentisten durch den Kopf gehen,
bei anderen fühlt man eine leise Erinnerung an Dürer,
wie bei der »Frau in Bewunderung« mit dem
schwarzen Hintergrund. Mit seine bedeutendsten Zeich-
nungen sehe ich in den Studien zum Rückzug von
Marignano, in der Studie zum Frühling (Bild im
Folkwang-Museum in Hagen), ähnlichen Entwürfen
zur Eurythmie und zum Jenaer Universitätsbild und
in den verschiedenen schwerschreitenden Männer-
figuren, die unter ihrer unsichtbaren Last fast zu-
sammenbrechen möchten. b.

NEKROLOGE

X Am 8. Juni starb in Berlin Geh. Regierungsrat Prof.
Dr.-Ing. Johannes Otzen, der bekannte Kirchenbaumeister
und frühere Präsident der Akademie der Künste. Mit ihm
ist einer der erfolgreichsten Vertreter der historischen Archi-
tektur des 19. Jahrhunderts dahingegangen, der Dezennien
hindurch auf den deutschen protestantischen Kirchenbau be-
deutenden Einfluß ausübte. Die künstlerische Heimat Otzens,
der am 8. Oktober 1839 zu Siesebye in Schleswig geboren
war, ist Hannover gewesen, wo er unter Konrad Wilhelm
Hase studierte und (seit 1864) als Bauführer tätig war.
Hases Neigung zur Gotik und zum Backsteinbau blieb auch
in ihm lebendig; daneben aber hat er sich eifrig nach den
Lehren der französischen Gotiker gebildet, die besonders
Violet le Duc verkörperte. Otzen gelangte auf diesem Wege
zu einer erstaunlichen Sicherheit in der Beherrschung der
mittelalterlichen Formelemente, mit denen er gleichsam
mühelos schalten lernte. Das Prinzip, Geist und Wesen
des protestantischen Gottesdienstes in der Gestaltung der
Kirche zum Ausdruck zu bringen, trat dabei zurück hinter
der Klarheit der formalen Anordnung und der wirksamen
Gruppierung überkommener Motive. Langjährige Erfahrung
und eine durch unablässigen Fleiß erworbene Vertrautheit
mit den Erfordernissen der Praxis brachten dem Heimge-
gangenen jedoch eine beispiellose Autorität in seinem
Spezialfache ein. Von Hannover ging Otzen nach Schleswig,
um dort 1867—1870 im Staatsdienst tätig zu sein. Dann
ließ er sich als Privatarchitekt in Berlin nieder, wo er 1879
Professor an der Technischen Hochschule für mittelalter-
liche Kunst, 1885 Vorsteher eines Meisterateliers für Archi-
tektur an der Akademie wurde. Außer mehreren Villen
und städtischen Wohnhäusern, die aber meist in seiner
Frühzeit liegen, sind von seinen Bauten vor allem zu nennen:
die Johanniskirche (1883) und die St. Petrikirche in Altona
(i884),dieBergkirche inWiesbaden(i877), dieJakobikirche in
Kiel, die Christuskirche in Eimsbüttel bei Hamburg (1886),
die Gertrudkirche iu Hamburg selbst, die Kirche in Plag-
witz bei Leipzig (1887), ferner die Heilig-Kreuzkirche (1888),
die Lutherkirche (1893) und die Kapelle des Elisabeth-Kran-
kenhauses in Berlin. Überdies lieferte Otzen die Entwürfe
zu Kirchen in Apolda und Bernburg, in Elberfeld und Lieg-
nitz, in Dessau, Mainz, Ludwigshafen und an anderen

Orten. Zu seinen bekanntesten Publikationen gehören die
»Baukunst des Mittelalters« (1779—83; 3 Bände), »Gotische
Bauornamente« und »Ausgeführte Bauten«, die von 1890
bis 1904 in acht Lieferungen erschienen. Von' 1904 bis
1907 bekleidete Otzen das Amt des Präsidenten der Berliner
Akademie.

Der bekannte Zeichner Fedor Flinzer ist am 13. Juni
in Leipzig in hohem Alter gestorben. Er war am 4. April
1832 in Reichenbach i. V. geboren, bezog mit siebzehn
Jahren in Dresden die Kunstakademie und war u. a.
Schüler von Schnorr v. Carolsfeld und Ludwig Richter.
Seine Stärke lag in der Illustrierung von Kinderbüchern.
Ein liebenswürdiger Humor verbunden mit einer virtuosen
Strichführung haben diese zahlreichen Jugendschriften bis
heute gangbar erhalten. Am bekanntesten sind »Der Tier-
struwelpeter«, »König Nobel«, »Der Froschmäusekrieg«.
Auch für den dritten Band von Marshalls bekannten »Spa-
ziergängen eines Naturforschers« hat er von feiner Natur-
beobachtung zeugende Illustrationen geliefert. Der Künstler
bekleidete seit 1873 die Stellung eines städtischen Zeichen-
inspektors in Leipzig, wo er auch als Oberlehrer lange
Jahre tätig war.

PERSONALIEN

Der dritte Villa Romana-Preis ist dem früheren
Weimarer Maler Otto Höger, der gegenwärtig noch auf
Grund seines früher erhaltenen Preises die Villa Romana
bewohnt, erteilt worden. Auf Wunsch vieler Künstler, denen
der Aufenthalt in der Villa bei ihren Studien zu wesentlichem
Vorteil gereichte, hat der Vorstand beschlossen, einen zwei-
jährigen Preis einzurichten, besonders in Fällen, wo ein
größerer Nutzen für den Künstler klar zutage getreten ist.

Geh. Hofrat Prof. Dr. Karl Seffner in Leipzig voll-
endete am lg.Juni das 50.Lebensjahr. Der Leipziger Kunst-
verein veranstaltete eine Ausstellung von Werken Seffners.

Graz. Der bekannte Architekturforscher Dr. Hermann
Egger, bisher titular-außerordentlicher Professor und Ad-
junkt an der Technischen Hochschule und Privatdozent an
der Universität in Wien, sowie der Privatdozent der Wiener
Universität und Direktor des Grazer »Johanneums« Dr. Wil-
helm Suida, wurden zu außerordentlichen Professoren
für neuere Kunstgeschichte an der Grazer Universität er-
nannt. Die Grazer Lehrkanzel war bekanntlich seit dem
Weggange Hofrat Strzygowskis nach Wien nicht besetzt
worden.

Professor German Bestelmeyer ist zum Nachfolger
Paul Wallots an der Kgl. Kunstakademie in Dresden ernannt
worden. Seit 1909 war er Nachfolger von Fritz Schumacher
an der Technischen Hochschule ebendort.

WETTBEWERBE

Der Rat der Stadt Leipzig schreibt jetzt einen großen
Wettbewerb bis 18. Dezember unter allen in Deutschland
wohnenden Fachmännern aus für Vorentwürfejzur städte-
baulichen Ausgestaltung der Frankfurter Wiesen in
Leipzig. An Preisen sind ausgesetzt ein erster von isoooM.,
ein zweiter von 10000 M., zwei dritte von je 5000 M. und
drei vierte von je 3000 M. Ferner sind 6000 M. zu drei
Ankäufen für je 2000 M. bestimmt. Dem Preisgericht ge-
hören u. a. an: Prof. Dr. Theodor Fischer in München,
Landesbaurat Prof. Goecke, Geh. Oberhofbaurat Prof., Hof-
mann in Darmstadt, Stadtbaurat und Geh. Baurat Prof.
Dr.-Ing. Licht in Leipzig, Landesbaurat a. D. Beigeordneter
Rehorst in Köln.
 
Annotationen