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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 23.1912

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Leitschuh, Franz F.: Hans Schwarz, Johannes Secundus und Jan van Scorel
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Dehio, Georg: In Sachen der Denkmalpflege und in eigener
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https://doi.org/10.11588/diglit.5954#0055

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87

Hans Schwarz, Johannes Secundus und Jan van Scorel

88

Facturus mihi rem es longe gratissimam, meque
tibi mirifice adstringes. Bene vale. Macliniae
VIII. Maii 1533.

Observandiss. tui tibique addictiss.

Joannes Secundus Hagensis.

Ein anderes Dokument, das ebenfalls dafür spricht,
wie das innere Leben des Johannes Secundus kräftig
und rastlos pulsierte im Sinnen und Schauen und
wie sein mitteilsames Herz aufflammte in rückhalt-
loser Hingabe an den Gleichgestimmten, von dem er
sich gekannt, geliebt, in seinen Plänen gefördert und
in seinem künstlerischen Streben gerecht beurteilt
weiß, ist ein inhaltreiches Gedicht, eine Epistola, die
Johannes Secundus seinem Freund und Lehrmeister,
dem vielseitigen Kanonikus von St. Maria, als poeti-
schen Gruß aus Spanien zuschickte:

Ad Joannem Scorellum,

Canonicum Traiectinum et pictorem eximiutn.

Pictorum sublimis honos, columenque virorum
Artificum, rudibusque novum decus edite terris,
Qui procul ad patrios orbis monumenta Latini
Fers agros, Rhenique locas ad flumina Romani
5 Accipe Maclinia missos tot ab urbe salutes,
Quot nosti varios tabulae dare rite colores,
Quot didicisti hominum diversas. ponere formas,
Pingere quot verna solitus super arbore frondes.
Has tibi dat, Batavis tecum prognatus in agris,

10 Qui discendenti nuper tibi pauca Secundus
Carmina concinuit, devotae pignora mentis;
Exspectatque diem, qua tecum cernere clari
Moenia Traiecii, turritaque templa Deorum
Possit, et ingentum Caesar quam Carolus arcem

15 Tutandis posuit populis, Pacique dicavit.
O felicem illum, si te monstrante videbit
Divitias, gazasque tuas, et quidquid in omni
Vel latet Ausonia, vel daedala Oraecia vidit.
Fingimus haec nobis, sed quidnam fingere prodest

20 Irrita velivolas vento iactanda per undas?
Usque adeo Batavis studiose finibus arcet
Invida me fati series, et iniqua tyrannis
Fortunae, quae diva potens mortalia versat.
Sed veniet, veniet tempus, licet improba pugnet.

25 Laeta hominum Fortuna malis, quod iungere dextras
Quod notas audire dabit, quod reddere voces,
Si quid vota valent, ne nos tua litera fallit
Cum te Maclinia iam iam spectabimus urbe.
Interea celeri Phoebus secet aera curru,

30 Noctivagosque boves stimulis vaga Luna fatiget.

Als Sekretär Karls V. — der Kaiser hatte den
jungen Dichter inzwischen an seinen Hof berufen —
wohnte Johannes Secundus 1535 dem glänzenden
Zuge nach Tunis und der Erstürmung dieser Stadt
bei — aber diese weltgeschichtlichen Ereignisse be-
rührten ihn, der den Krieg überhaupt verwünschte
und den durch die Waffen erworbenen Ruhm gering
einschätzte, nur wenig. Ein geplantes Gedicht über
diesen modernen Kreuzzug ist über ein paar Verse
nicht hinausgediehen, dagegen fand er Stimmung und
Muße, eine Reihe von Medaillen und Kameen anzu-
fertigen.

Im Herbste kehrte man von der Expedition nach
Afrika zurück; Karl V. nach Neapel, Johannes Secundus
sogleich nach Spanien. Aber er verweilte nicht mehr
lange dort. Die Strapazen der Reise hatten seiner
ohnehin zarten Gesundheit heftig zugesetzt. Er glaubte
die Luft Hispaniens nicht mehr vertragen zu können
und sehnte sich, Todesahnung in der Brust, von dem
reinen schönen Himmel hinweg nach dem trüben
seines Vaterlandes; er sehnte sich »nach dem süßen
Boden der Heimat« und nach Freunden, in deren
Armen sich's besser sterben lasse. Diese Wünsche
sollten ihm erfüllt werden. Der feinfühlige Bischof
von Utrecht, Georg von Egmont, der zugleich Abt
von St. Amand war, bot ihm die Stelle eines Ge-
heimsekretärs an. Johannes Secundus reiste alsbald
nach dieser bei der Stadt Tournai gelegenen Abtei,
erkrankte aber sogleich an einem heftigen Fieber und
starb vier Tage nach seiner Ankunft, am 25. September
1535, kaum fünfundzwanzig Jahre alt.

»Die Blume Belgiens« war geknickt, ein scharf
in das Leben blickendes Künstlerauge allzufrüh ge-
brochen, der jugendliche Mund mit seinen heiter
sinnlichen Liedern auf immer geschlossen.

»Sculpendi et fingendi artifex« nannte ihn die
Grabschrift. Seine Familie ließ ihm ein kostbares
Marmordenkmal in der Kirche von St. Amand setzen.
Als aber die Bilderstürmerei 1566 in Belgien losbrach
und die wüsten Banden aus den Städten Tournai und
Valenciennes in die Abtei einbrachen, die Heiligen-
bilder vernichtend, die Reliquien verhöhnend, da
verschonte ihre blinde Zerstörungswut auch nicht das
Grabmal des heiteren Dichters der »Küsse«. Der Abt
Karl von Par ehrte später das Andenken des Johannes
Secundus durch Errichtung einer neuen Gedenkplatte.
Keiner aber hat durch tief eindringendes Studium seiner
Gedichte und durch das offene Bekenntnis der nahen
Verwandtschaft ihrer künstlerischen Naturen das An-
denken an den jungen Meister von Mecheln so lebendig
erhalten als Goethe, den Herder, halb im Scherze, aber
doch in richtiger Empfindung des geheimnisvollen
Bandes, das die beiden innig verknüpfte, »Johannes
Tertius« nannte1).

1) Vgl. Georg Ellinger, Goethe und Johannes Secundus
im >Goethe-Jahrbuch« 1892. S. 199 ff.

IN SACHEN DER DENKMALPFLEGE
UND IN EIGENER
Von G. Dehio

Anfangs mit gänzlich nichtverstehendem Staunen
las ich in der vorigen Nummer der »Kunstchronik«
Generaldirektor Bodes »Erwiderung«. Als ich an den
Schlußpassus kam, war ich allerdings vollständig
orientiert. Hier wird ein avis au lecteur mit so
massiver Deutlichkeit gegeben, daß jedes weitere Wort
überflüssig wäre. Es ist immer angenehm, einer klaren
Sachlage gegenüberzustehen.

Bodes Unwille gegen mich — soweit er ihn durch
das Salzburger Referat zu begründen sucht — wäre
in der Tat gerechtfertigt, wenn ich in Salzburg wirklich
das gesagt hätte, was Bode mich sagen läßt. Als
Auftakt bringt die Erwiderung eine Reihe von Zitaten
 
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